wenn man sich bückt, um etwas aufzuheben; oder man streckt ihn hinterwärts, um dem vorwärts gebognen Oberleibe ein Gegengewicht zu geben, dessen Moment den Schwerpunkt gerade über dem feststehenden Fuße zurückhält. Ein Sitzender, dessen Schwerpunkt nicht von den Füßen unterstützt wird, kan nicht aufstehen, ohne entweder die Füße rückwärts zu ziehen, oder den Leib stark und schnell vorzubeugen, damit der Schwerpunkt über die Füße gebracht werde, welches schon Aristoteles(Quaest. mechan. 31.) bemerkt. Dies alles lehren uns Erfahrung und Gewohuheit, auch ohne daß wir die mechanischen Gründe davon einsehen. Man s. hievon Borelli(De motu animalium. Lugd. Bat. 1710. 4.)Leupold(Theatr. Static. Lips. 1726. Tab. I. et II.) und Desaguliers(Bourse of experimental philosophy. Lect. II. §. 44.).
Alle oft in Erstaunen setzende Künste der Balanceurs, Aequilibristen und Seilränzer beruhen auf einem feinen Gefühl des Schwerpunkts, und auf der Geschicklichkeit, ihn über einer sehr kleinen Basis zu erhalten. Hiebey thut die Bewegung unentbehrliche Dienste; durch sie wird die Basis allemal nach der Seite gelenkt, nach welcher der Schwerpunkt fallen will, oder es wird der Schwerpunkt selbst auf die entgegengesetzte Seite gebracht. Es würde unmöglich seyn, den Teller (Taf. XXI. Fig. 141.) ruhend auf eine Degenspitze zu stellen. Aber es ist sehr leicht, wenn der Teller schnell um Cgedreht wird. Alsdann beschreibt der wahre Schwerpunkt einen kleinen Cirkel um die Spitze, und indem er auf der Seite CA herabfallen will, ist er während der kleinen Zeit, in der der Fall anfängt, schon auf die entgegengesetzte Seite CB gelangt, wo er fast in demselben Augenblicke den anfangenden Fall wieder aufhebt. In allen entgegengesetzten Stellen geschieht das nemliche; mithin wird aller Fall verhütet, und der Teller fällt nicht eher, als bis sein Umlauf aufhört.
Schwere und hohe Körper lassen sich leichter balanciren, als leichte und kurze; schwere darum, weil man die Stelle ihres Schwerpunkts deutlicher fühlt, hohe, weil ihr Schwerpunkt im Fallen einen Bogen von längerm
wenn man ſich buͤckt, um etwas aufzuheben; oder man ſtreckt ihn hinterwaͤrts, um dem vorwaͤrts gebognen Oberleibe ein Gegengewicht zu geben, deſſen Moment den Schwerpunkt gerade uͤber dem feſtſtehenden Fuße zuruͤckhaͤlt. Ein Sitzender, deſſen Schwerpunkt nicht von den Fuͤßen unterſtuͤtzt wird, kan nicht aufſtehen, ohne entweder die Fuͤße ruͤckwaͤrts zu ziehen, oder den Leib ſtark und ſchnell vorzubeugen, damit der Schwerpunkt uͤber die Fuͤße gebracht werde, welches ſchon Ariſtoteles(Quaeſt. mechan. 31.) bemerkt. Dies alles lehren uns Erfahrung und Gewohuheit, auch ohne daß wir die mechaniſchen Gruͤnde davon einſehen. Man ſ. hievon Borelli(De motu animalium. Lugd. Bat. 1710. 4.)Leupold(Theatr. Static. Lipſ. 1726. Tab. I. et II.) und Deſaguliers(Bourſe of experimental philoſophy. Lect. II. §. 44.).
Alle oft in Erſtaunen ſetzende Kuͤnſte der Balanceurs, Aequilibriſten und Seilraͤnzer beruhen auf einem feinen Gefuͤhl des Schwerpunkts, und auf der Geſchicklichkeit, ihn uͤber einer ſehr kleinen Baſis zu erhalten. Hiebey thut die Bewegung unentbehrliche Dienſte; durch ſie wird die Baſis allemal nach der Seite gelenkt, nach welcher der Schwerpunkt fallen will, oder es wird der Schwerpunkt ſelbſt auf die entgegengeſetzte Seite gebracht. Es wuͤrde unmoͤglich ſeyn, den Teller (Taf. XXI. Fig. 141.) ruhend auf eine Degenſpitze zu ſtellen. Aber es iſt ſehr leicht, wenn der Teller ſchnell um Cgedreht wird. Alsdann beſchreibt der wahre Schwerpunkt einen kleinen Cirkel um die Spitze, und indem er auf der Seite CA herabfallen will, iſt er waͤhrend der kleinen Zeit, in der der Fall anfaͤngt, ſchon auf die entgegengeſetzte Seite CB gelangt, wo er faſt in demſelben Augenblicke den anfangenden Fall wieder aufhebt. In allen entgegengeſetzten Stellen geſchieht das nemliche; mithin wird aller Fall verhuͤtet, und der Teller faͤllt nicht eher, als bis ſein Umlauf aufhoͤrt.
Schwere und hohe Koͤrper laſſen ſich leichter balanciren, als leichte und kurze; ſchwere darum, weil man die Stelle ihres Schwerpunkts deutlicher fuͤhlt, hohe, weil ihr Schwerpunkt im Fallen einen Bogen von laͤngerm
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wenn man ſich buͤckt, um etwas aufzuheben; oder man ſtreckt ihn hinterwaͤrts, um dem vorwaͤrts gebognen Oberleibe ein Gegengewicht zu geben, deſſen Moment den Schwerpunkt gerade uͤber dem feſtſtehenden Fuße zuruͤckhaͤlt. Ein Sitzender, deſſen Schwerpunkt nicht von den Fuͤßen unterſtuͤtzt wird, kan nicht aufſtehen, ohne entweder die Fuͤße ruͤckwaͤrts zu ziehen, oder den Leib ſtark und ſchnell vorzubeugen, damit der Schwerpunkt uͤber die Fuͤße gebracht werde, welches ſchon Ariſtoteles (Quaeſt. mechan. 31.) bemerkt. Dies alles lehren uns Erfahrung und Gewohuheit, auch ohne daß wir die mechaniſchen Gruͤnde davon einſehen. Man ſ. hievon Borelli (De motu animalium. Lugd. Bat. 1710. 4.) Leupold (Theatr. Static. Lipſ. 1726. Tab. I. et II.) und Deſaguliers (Bourſe of experimental philoſophy. Lect. II. §. 44.).
Alle oft in Erſtaunen ſetzende Kuͤnſte der Balanceurs, Aequilibriſten und Seilraͤnzer beruhen auf einem feinen Gefuͤhl des Schwerpunkts, und auf der Geſchicklichkeit, ihn uͤber einer ſehr kleinen Baſis zu erhalten. Hiebey thut die Bewegung unentbehrliche Dienſte; durch ſie wird die Baſis allemal nach der Seite gelenkt, nach welcher der Schwerpunkt fallen will, oder es wird der Schwerpunkt ſelbſt auf die entgegengeſetzte Seite gebracht. Es wuͤrde unmoͤglich ſeyn, den Teller (Taf. XXI. Fig. 141.) ruhend auf eine Degenſpitze zu ſtellen. Aber es iſt ſehr leicht, wenn der Teller ſchnell um C gedreht wird. Alsdann beſchreibt der wahre Schwerpunkt einen kleinen Cirkel um die Spitze, und indem er auf der Seite CA herabfallen will, iſt er waͤhrend der kleinen Zeit, in der der Fall anfaͤngt, ſchon auf die entgegengeſetzte Seite CB gelangt, wo er faſt in demſelben Augenblicke den anfangenden Fall wieder aufhebt. In allen entgegengeſetzten Stellen geſchieht das nemliche; mithin wird aller Fall verhuͤtet, und der Teller faͤllt nicht eher, als bis ſein Umlauf aufhoͤrt.
Schwere und hohe Koͤrper laſſen ſich leichter balanciren, als leichte und kurze; ſchwere darum, weil man die Stelle ihres Schwerpunkts deutlicher fuͤhlt, hohe, weil ihr Schwerpunkt im Fallen einen Bogen von laͤngerm
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 933. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/939>, abgerufen am 23.11.2024.
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