Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


rignon
(Mem. de Paris, 1714. p. 78 -- 123.) hat von beyden Regeln einen ausführlichen Beweis gegeben.

Sehr oft setzt man die Schwere der Körper ganz beyseit, betrachtet aber dagegen andere beschleunigende Kräfte, welche nach parallelen Richtungen in jeden Theil der Masse wirken. Dies ist der Fall, wenn Körper, die auf einer wagrechten Ebene liegen, durch den Stoß in Bewegung gesetzt werden u. s. w. Hiebey kömmt zwar das Wort Schwere nicht vor, aber wenn man die Punkte sucht, in welchen sich die Massen solcher Körper vereinigt annehmen lassen, so sind die Schlüsse die nemlichen, und man findet diese Punkte mit den Schwerpunkten einerley. Nur ist es schicklicher, in solchen Fällen den gefundenen Punkt nicht Schwerpunkt, sondern Mittelpunkt der Masse oder der Trägheit zu nennen, s. Mittelpunkt der Masse.

Wenn sich ein System von Massen in einerley geraden Linie oder in Parallellinien bewegt, so bewegt sich der gemeinschaftliche Schwerpunkt aller Massen in eben der Linie, oder auch mit paralleler Richtung, oder er ruht, und die Summe aller Bewegungen (nach einerley Seite, mit +, nach der entgegengesetzten mit -- bezeichnet) ist gleich der Bewegung des mit der Summe aller Massen belegten Schwerpunkts (nach der positiven Seite zu betrachtet). Daher findet man die Geschwindigkeit des Schwerpunkts, wenn man die Summe aller Größen der Bewegung durch die Summe aller Massen dividirt. Sind die Bewegungen nicht parallel, so kan man jede nach parallelen Richtungen zerlegen, und die Bewegung des Schwerpunkts durch Zusammensetzung der Theile suchen, welche schöne Methode d'Alembert (Traite de Dynamique. Paris, 1752. 4.) sehr oft braucht.

Wenn ein System von Massen frey, d. i. an keinen festen Punkt, um den es sich drehen müßte, gebunden ist, so ändert Ruhe oder Bewegung seines Schwerpunkts nichts in den Wirkungen der Massen auf einander selbst: die Massen wirken, wie ruhende, und das ganze System geht zugleich so fort, wie sein Schwerpunkt fortgeht.


rignon
(Mém. de Paris, 1714. p. 78 — 123.) hat von beyden Regeln einen ausfuͤhrlichen Beweis gegeben.

Sehr oft ſetzt man die Schwere der Koͤrper ganz beyſeit, betrachtet aber dagegen andere beſchleunigende Kraͤfte, welche nach parallelen Richtungen in jeden Theil der Maſſe wirken. Dies iſt der Fall, wenn Koͤrper, die auf einer wagrechten Ebene liegen, durch den Stoß in Bewegung geſetzt werden u. ſ. w. Hiebey koͤmmt zwar das Wort Schwere nicht vor, aber wenn man die Punkte ſucht, in welchen ſich die Maſſen ſolcher Koͤrper vereinigt annehmen laſſen, ſo ſind die Schluͤſſe die nemlichen, und man findet dieſe Punkte mit den Schwerpunkten einerley. Nur iſt es ſchicklicher, in ſolchen Faͤllen den gefundenen Punkt nicht Schwerpunkt, ſondern Mittelpunkt der Maſſe oder der Traͤgheit zu nennen, ſ. Mittelpunkt der Maſſe.

Wenn ſich ein Syſtem von Maſſen in einerley geraden Linie oder in Parallellinien bewegt, ſo bewegt ſich der gemeinſchaftliche Schwerpunkt aller Maſſen in eben der Linie, oder auch mit paralleler Richtung, oder er ruht, und die Summe aller Bewegungen (nach einerley Seite, mit +, nach der entgegengeſetzten mit — bezeichnet) iſt gleich der Bewegung des mit der Summe aller Maſſen belegten Schwerpunkts (nach der poſitiven Seite zu betrachtet). Daher findet man die Geſchwindigkeit des Schwerpunkts, wenn man die Summe aller Groͤßen der Bewegung durch die Summe aller Maſſen dividirt. Sind die Bewegungen nicht parallel, ſo kan man jede nach parallelen Richtungen zerlegen, und die Bewegung des Schwerpunkts durch Zuſammenſetzung der Theile ſuchen, welche ſchoͤne Methode d'Alembert (Traité de Dynamique. Paris, 1752. 4.) ſehr oft braucht.

Wenn ein Syſtem von Maſſen frey, d. i. an keinen feſten Punkt, um den es ſich drehen muͤßte, gebunden iſt, ſo aͤndert Ruhe oder Bewegung ſeines Schwerpunkts nichts in den Wirkungen der Maſſen auf einander ſelbſt: die Maſſen wirken, wie ruhende, und das ganze Syſtem geht zugleich ſo fort, wie ſein Schwerpunkt fortgeht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0937" xml:id="P.3.931" n="931"/><lb/>
rignon</hi><hi rendition="#aq">(Mém. de Paris, 1714. p. 78 &#x2014; 123.)</hi> hat von beyden Regeln einen ausfu&#x0364;hrlichen Beweis gegeben.</p>
            <p>Sehr oft &#x017F;etzt man die Schwere der Ko&#x0364;rper ganz bey&#x017F;eit, betrachtet aber dagegen andere be&#x017F;chleunigende Kra&#x0364;fte, welche nach parallelen Richtungen in jeden Theil der Ma&#x017F;&#x017F;e wirken. Dies i&#x017F;t der Fall, wenn Ko&#x0364;rper, die auf einer wagrechten Ebene liegen, durch den Stoß in Bewegung ge&#x017F;etzt werden u. &#x017F;. w. Hiebey ko&#x0364;mmt zwar das Wort Schwere nicht vor, aber wenn man die Punkte &#x017F;ucht, in welchen &#x017F;ich die <hi rendition="#b">Ma&#x017F;&#x017F;en</hi> &#x017F;olcher Ko&#x0364;rper vereinigt annehmen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o &#x017F;ind die Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e die nemlichen, und man findet die&#x017F;e Punkte mit den Schwerpunkten einerley. Nur i&#x017F;t es &#x017F;chicklicher, in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen den gefundenen Punkt nicht Schwerpunkt, &#x017F;ondern Mittelpunkt der Ma&#x017F;&#x017F;e oder der Tra&#x0364;gheit zu nennen, &#x017F;. <hi rendition="#b">Mittelpunkt der Ma&#x017F;&#x017F;e.</hi></p>
            <p>Wenn &#x017F;ich ein Sy&#x017F;tem von Ma&#x017F;&#x017F;en in einerley geraden Linie oder in Parallellinien bewegt, &#x017F;o bewegt &#x017F;ich der gemein&#x017F;chaftliche Schwerpunkt aller Ma&#x017F;&#x017F;en in eben der Linie, oder auch mit paralleler Richtung, oder er ruht, und die Summe aller Bewegungen (nach einerley Seite, mit +, nach der entgegenge&#x017F;etzten mit &#x2014; bezeichnet) i&#x017F;t gleich der Bewegung des mit der Summe aller Ma&#x017F;&#x017F;en belegten Schwerpunkts (nach der po&#x017F;itiven Seite zu betrachtet). Daher findet man die Ge&#x017F;chwindigkeit des Schwerpunkts, wenn man die Summe aller Gro&#x0364;ßen der Bewegung durch die Summe aller Ma&#x017F;&#x017F;en dividirt. Sind die Bewegungen nicht parallel, &#x017F;o kan man jede nach parallelen Richtungen zerlegen, und die Bewegung des Schwerpunkts durch Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der Theile &#x017F;uchen, welche &#x017F;cho&#x0364;ne Methode <hi rendition="#b">d'Alembert</hi> <hi rendition="#aq">(Traité de Dynamique. Paris, 1752. 4.)</hi> &#x017F;ehr oft braucht.</p>
            <p>Wenn ein Sy&#x017F;tem von Ma&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#b">frey,</hi> d. i. an keinen fe&#x017F;ten Punkt, um den es &#x017F;ich drehen mu&#x0364;ßte, gebunden i&#x017F;t, &#x017F;o a&#x0364;ndert Ruhe oder Bewegung &#x017F;eines Schwerpunkts nichts in den Wirkungen der Ma&#x017F;&#x017F;en auf einander &#x017F;elb&#x017F;t: die Ma&#x017F;&#x017F;en wirken, wie ruhende, und das ganze Sy&#x017F;tem geht zugleich &#x017F;o fort, wie &#x017F;ein Schwerpunkt fortgeht.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[931/0937] rignon (Mém. de Paris, 1714. p. 78 — 123.) hat von beyden Regeln einen ausfuͤhrlichen Beweis gegeben. Sehr oft ſetzt man die Schwere der Koͤrper ganz beyſeit, betrachtet aber dagegen andere beſchleunigende Kraͤfte, welche nach parallelen Richtungen in jeden Theil der Maſſe wirken. Dies iſt der Fall, wenn Koͤrper, die auf einer wagrechten Ebene liegen, durch den Stoß in Bewegung geſetzt werden u. ſ. w. Hiebey koͤmmt zwar das Wort Schwere nicht vor, aber wenn man die Punkte ſucht, in welchen ſich die Maſſen ſolcher Koͤrper vereinigt annehmen laſſen, ſo ſind die Schluͤſſe die nemlichen, und man findet dieſe Punkte mit den Schwerpunkten einerley. Nur iſt es ſchicklicher, in ſolchen Faͤllen den gefundenen Punkt nicht Schwerpunkt, ſondern Mittelpunkt der Maſſe oder der Traͤgheit zu nennen, ſ. Mittelpunkt der Maſſe. Wenn ſich ein Syſtem von Maſſen in einerley geraden Linie oder in Parallellinien bewegt, ſo bewegt ſich der gemeinſchaftliche Schwerpunkt aller Maſſen in eben der Linie, oder auch mit paralleler Richtung, oder er ruht, und die Summe aller Bewegungen (nach einerley Seite, mit +, nach der entgegengeſetzten mit — bezeichnet) iſt gleich der Bewegung des mit der Summe aller Maſſen belegten Schwerpunkts (nach der poſitiven Seite zu betrachtet). Daher findet man die Geſchwindigkeit des Schwerpunkts, wenn man die Summe aller Groͤßen der Bewegung durch die Summe aller Maſſen dividirt. Sind die Bewegungen nicht parallel, ſo kan man jede nach parallelen Richtungen zerlegen, und die Bewegung des Schwerpunkts durch Zuſammenſetzung der Theile ſuchen, welche ſchoͤne Methode d'Alembert (Traité de Dynamique. Paris, 1752. 4.) ſehr oft braucht. Wenn ein Syſtem von Maſſen frey, d. i. an keinen feſten Punkt, um den es ſich drehen muͤßte, gebunden iſt, ſo aͤndert Ruhe oder Bewegung ſeines Schwerpunkts nichts in den Wirkungen der Maſſen auf einander ſelbſt: die Maſſen wirken, wie ruhende, und das ganze Syſtem geht zugleich ſo fort, wie ſein Schwerpunkt fortgeht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/937
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 931. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/937>, abgerufen am 13.05.2024.