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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Eben diese Säure erhält man durch die Verbrennung des Schwefels unter Glocken, deren Wände mit Wasser benetzt sind, und durch Destillation des Vitriolöls aus Retorten, welche einen kleinen Riß haben, durch den das Phlogiston der Kohlen dringen kan. Vorzüglich leicht läßt sie sich in Luftgestalt darstellen, und führt alsdann den Namen der vitriolsauren Luft, die im Quecksilberapparat gesperrt werden kan, s. Gas, vitriolsaures. Durch Berührung des Wassers verliert sie die Luftgestalt augenblicklich, wird von demselben eingesogen, und giebt ihm alle Eigenschaften einer flüßigen Schwefelsäure.

Die Farben der Pflanzen und einige thierische Pigmente, welche die gewöhnliche Vitriolsäure nur verändert, werden von der flüchtigen Schwefelsäure gänzlich zerstört und weggenommen. So verliert z. B. die Tinktur von Rosenblättern ihre Farbe gänzlich. Darauf gründet sich das Weißmachen oder Schwefeln der Wolle und Seide, weil der Dampf des brennenden Schwefels eine wahre flüchtige Schwefelsäure ist.

Die Neutral- und Mittelsalze, welche aus der phlogistisirten Vitriolsäure mit Laugensalzen und Erden bereitet werden, bekommen den Namen der Schwefelsalze, z. B. schwefelsaurer Weinstein, oder Stahls Schwefelsalz, Schwefelsalmiak, schwefelsaure Kalkerde u. s. w. Sie unterscheiden sich von den gewöhnlichen vitriolischen Salzen durch eine größere Auflöslichkeit im Wasser, durch einen schweflichten Nebengeschmack, eine andere Krystallenform und eine schwächere Verbindung ihrer Bestandtheile, vermöge welcher sie sehr leicht, und selbst durch die schwächsten Pflanzensäuren, zersetzt werden.

Da die flüchtige Schwefelsäure sich durch die bisher erzählten Eigenschaften von der Vitriolsäure entfernt, und mehr dem Verhalten der Salpetersäure nähert, so hat man daraus einen Beweisgrund für Stahls Behauptung herleiten wollen, daß die Vitriolsäure der allgemeine Grundstof aller Säuren sey, und sich durch eine noch innigere Verbindung mit dem Brennbaren in Salpetersäure würde verwandeln lassen. Aber diese Behauptung ist ohne Grund,


Eben dieſe Saͤure erhaͤlt man durch die Verbrennung des Schwefels unter Glocken, deren Waͤnde mit Waſſer benetzt ſind, und durch Deſtillation des Vitrioloͤls aus Retorten, welche einen kleinen Riß haben, durch den das Phlogiſton der Kohlen dringen kan. Vorzuͤglich leicht laͤßt ſie ſich in Luftgeſtalt darſtellen, und fuͤhrt alsdann den Namen der vitriolſauren Luft, die im Queckſilberapparat geſperrt werden kan, ſ. Gas, vitriolſaures. Durch Beruͤhrung des Waſſers verliert ſie die Luftgeſtalt augenblicklich, wird von demſelben eingeſogen, und giebt ihm alle Eigenſchaften einer fluͤßigen Schwefelſaͤure.

Die Farben der Pflanzen und einige thieriſche Pigmente, welche die gewoͤhnliche Vitriolſaͤure nur veraͤndert, werden von der fluͤchtigen Schwefelſaͤure gaͤnzlich zerſtoͤrt und weggenommen. So verliert z. B. die Tinktur von Roſenblaͤttern ihre Farbe gaͤnzlich. Darauf gruͤndet ſich das Weißmachen oder Schwefeln der Wolle und Seide, weil der Dampf des brennenden Schwefels eine wahre fluͤchtige Schwefelſaͤure iſt.

Die Neutral- und Mittelſalze, welche aus der phlogiſtiſirten Vitriolſaͤure mit Laugenſalzen und Erden bereitet werden, bekommen den Namen der Schwefelſalze, z. B. ſchwefelſaurer Weinſtein, oder Stahls Schwefelſalz, Schwefelſalmiak, ſchwefelſaure Kalkerde u. ſ. w. Sie unterſcheiden ſich von den gewoͤhnlichen vitrioliſchen Salzen durch eine groͤßere Aufloͤslichkeit im Waſſer, durch einen ſchweflichten Nebengeſchmack, eine andere Kryſtallenform und eine ſchwaͤchere Verbindung ihrer Beſtandtheile, vermoͤge welcher ſie ſehr leicht, und ſelbſt durch die ſchwaͤchſten Pflanzenſaͤuren, zerſetzt werden.

Da die fluͤchtige Schwefelſaͤure ſich durch die bisher erzaͤhlten Eigenſchaften von der Vitriolſaͤure entfernt, und mehr dem Verhalten der Salpeterſaͤure naͤhert, ſo hat man daraus einen Beweisgrund fuͤr Stahls Behauptung herleiten wollen, daß die Vitriolſaͤure der allgemeine Grundſtof aller Saͤuren ſey, und ſich durch eine noch innigere Verbindung mit dem Brennbaren in Salpeterſaͤure wuͤrde verwandeln laſſen. Aber dieſe Behauptung iſt ohne Grund,

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[884/0890] Eben dieſe Saͤure erhaͤlt man durch die Verbrennung des Schwefels unter Glocken, deren Waͤnde mit Waſſer benetzt ſind, und durch Deſtillation des Vitrioloͤls aus Retorten, welche einen kleinen Riß haben, durch den das Phlogiſton der Kohlen dringen kan. Vorzuͤglich leicht laͤßt ſie ſich in Luftgeſtalt darſtellen, und fuͤhrt alsdann den Namen der vitriolſauren Luft, die im Queckſilberapparat geſperrt werden kan, ſ. Gas, vitriolſaures. Durch Beruͤhrung des Waſſers verliert ſie die Luftgeſtalt augenblicklich, wird von demſelben eingeſogen, und giebt ihm alle Eigenſchaften einer fluͤßigen Schwefelſaͤure. Die Farben der Pflanzen und einige thieriſche Pigmente, welche die gewoͤhnliche Vitriolſaͤure nur veraͤndert, werden von der fluͤchtigen Schwefelſaͤure gaͤnzlich zerſtoͤrt und weggenommen. So verliert z. B. die Tinktur von Roſenblaͤttern ihre Farbe gaͤnzlich. Darauf gruͤndet ſich das Weißmachen oder Schwefeln der Wolle und Seide, weil der Dampf des brennenden Schwefels eine wahre fluͤchtige Schwefelſaͤure iſt. Die Neutral- und Mittelſalze, welche aus der phlogiſtiſirten Vitriolſaͤure mit Laugenſalzen und Erden bereitet werden, bekommen den Namen der Schwefelſalze, z. B. ſchwefelſaurer Weinſtein, oder Stahls Schwefelſalz, Schwefelſalmiak, ſchwefelſaure Kalkerde u. ſ. w. Sie unterſcheiden ſich von den gewoͤhnlichen vitrioliſchen Salzen durch eine groͤßere Aufloͤslichkeit im Waſſer, durch einen ſchweflichten Nebengeſchmack, eine andere Kryſtallenform und eine ſchwaͤchere Verbindung ihrer Beſtandtheile, vermoͤge welcher ſie ſehr leicht, und ſelbſt durch die ſchwaͤchſten Pflanzenſaͤuren, zerſetzt werden. Da die fluͤchtige Schwefelſaͤure ſich durch die bisher erzaͤhlten Eigenſchaften von der Vitriolſaͤure entfernt, und mehr dem Verhalten der Salpeterſaͤure naͤhert, ſo hat man daraus einen Beweisgrund fuͤr Stahls Behauptung herleiten wollen, daß die Vitriolſaͤure der allgemeine Grundſtof aller Saͤuren ſey, und ſich durch eine noch innigere Verbindung mit dem Brennbaren in Salpeterſaͤure wuͤrde verwandeln laſſen. Aber dieſe Behauptung iſt ohne Grund,

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 884. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/890>, abgerufen am 23.11.2024.