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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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erhielt aus 12 Zoll hoch Schnee nur 1 Zoll hoch Wasser. Musschenbroek führt einen zu Utrecht gefallnen steinförmigen Schnee an, der 24mal weniger Dichte, als das Wasser, hatte.

Wenn viel Schnee gefallen ist, und die Kälte anhält, so sinkt seine Masse immer dichter zusammen, dünstet stark aus, und verzehrt sich dadurch allmählig immer mehr, wozu auch die Wirkung der Sonnenstralen beyträgt. In den höhern Gegenden des Luftkreises aber ist die Temperatur so kalt, daß die große Menge des daselbst erzeugten und auf die Gipfel der Berge gefallenen Schnees nie völlig zerschmelzt: es giebt daher eine beständige Schneegrenze, über welche hinaus auch im Sommer allezeit Schnee liegen bleibt, s. Berge (Th. I. S. 304.), obgleich ein großer Theil desselben in den Sommermonaten abschmelzt, und Wasser zur Unterhaltung der Flüsse hergiebt. Man bemerkt auf den Alpen, daß der Schnee durch warme Luft bey gedecktem Himmel weit häufiger geschmolzen wird, als durch die unmittelbare Wirkung der Sonnenstralen, vielleicht darum, weil der Schnee die Sonnenstralen so stark zurückwirft, welches auch die Ursache seiner blendenden Weiße ist.

Wenn die Kälte sehr heftig wird, so dringt sie zwar in den liegenden Schnee ein wenig, aber niemals tief, ein. Daher schützt der Schnee die Pflanzen, die er bedeckt, gegen die Wirkungen des strengen Frosts. Nach Guettards Beobachtungen hält sich der Schnee vier Schuh tief unter der Oberfläche immer auf der Temperatur des Eispunkts. Hieraus wird begreiflich, warum in den Nordländern Personen, die die Nacht im Freyen übereilt, sich unter den Schnee legen, um sich vor der Kälte zu schützen, warum man erfrorne Glieder, um sie ohne Schaden wieder aufzuthauen, in Schnee steckt, u. s. w.

Sehr oft nimmt die Kälte ab, wenn es schneyt; vielleicht nach Herrn Grens Erklärung darum, weil beym Gefrieren der Dünste die Wärme, die vorher in ihnen gebunden war, frey wird, und sich als fühlbare Wärme


erhielt aus 12 Zoll hoch Schnee nur 1 Zoll hoch Waſſer. Muſſchenbroek fuͤhrt einen zu Utrecht gefallnen ſteinfoͤrmigen Schnee an, der 24mal weniger Dichte, als das Waſſer, hatte.

Wenn viel Schnee gefallen iſt, und die Kaͤlte anhaͤlt, ſo ſinkt ſeine Maſſe immer dichter zuſammen, duͤnſtet ſtark aus, und verzehrt ſich dadurch allmaͤhlig immer mehr, wozu auch die Wirkung der Sonnenſtralen beytraͤgt. In den hoͤhern Gegenden des Luftkreiſes aber iſt die Temperatur ſo kalt, daß die große Menge des daſelbſt erzeugten und auf die Gipfel der Berge gefallenen Schnees nie voͤllig zerſchmelzt: es giebt daher eine beſtaͤndige Schneegrenze, uͤber welche hinaus auch im Sommer allezeit Schnee liegen bleibt, ſ. Berge (Th. I. S. 304.), obgleich ein großer Theil deſſelben in den Sommermonaten abſchmelzt, und Waſſer zur Unterhaltung der Fluͤſſe hergiebt. Man bemerkt auf den Alpen, daß der Schnee durch warme Luft bey gedecktem Himmel weit haͤufiger geſchmolzen wird, als durch die unmittelbare Wirkung der Sonnenſtralen, vielleicht darum, weil der Schnee die Sonnenſtralen ſo ſtark zuruͤckwirft, welches auch die Urſache ſeiner blendenden Weiße iſt.

Wenn die Kaͤlte ſehr heftig wird, ſo dringt ſie zwar in den liegenden Schnee ein wenig, aber niemals tief, ein. Daher ſchuͤtzt der Schnee die Pflanzen, die er bedeckt, gegen die Wirkungen des ſtrengen Froſts. Nach Guettards Beobachtungen haͤlt ſich der Schnee vier Schuh tief unter der Oberflaͤche immer auf der Temperatur des Eispunkts. Hieraus wird begreiflich, warum in den Nordlaͤndern Perſonen, die die Nacht im Freyen uͤbereilt, ſich unter den Schnee legen, um ſich vor der Kaͤlte zu ſchuͤtzen, warum man erfrorne Glieder, um ſie ohne Schaden wieder aufzuthauen, in Schnee ſteckt, u. ſ. w.

Sehr oft nimmt die Kaͤlte ab, wenn es ſchneyt; vielleicht nach Herrn Grens Erklaͤrung darum, weil beym Gefrieren der Duͤnſte die Waͤrme, die vorher in ihnen gebunden war, frey wird, und ſich als fuͤhlbare Waͤrme

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[865/0871] erhielt aus 12 Zoll hoch Schnee nur 1 Zoll hoch Waſſer. Muſſchenbroek fuͤhrt einen zu Utrecht gefallnen ſteinfoͤrmigen Schnee an, der 24mal weniger Dichte, als das Waſſer, hatte. Wenn viel Schnee gefallen iſt, und die Kaͤlte anhaͤlt, ſo ſinkt ſeine Maſſe immer dichter zuſammen, duͤnſtet ſtark aus, und verzehrt ſich dadurch allmaͤhlig immer mehr, wozu auch die Wirkung der Sonnenſtralen beytraͤgt. In den hoͤhern Gegenden des Luftkreiſes aber iſt die Temperatur ſo kalt, daß die große Menge des daſelbſt erzeugten und auf die Gipfel der Berge gefallenen Schnees nie voͤllig zerſchmelzt: es giebt daher eine beſtaͤndige Schneegrenze, uͤber welche hinaus auch im Sommer allezeit Schnee liegen bleibt, ſ. Berge (Th. I. S. 304.), obgleich ein großer Theil deſſelben in den Sommermonaten abſchmelzt, und Waſſer zur Unterhaltung der Fluͤſſe hergiebt. Man bemerkt auf den Alpen, daß der Schnee durch warme Luft bey gedecktem Himmel weit haͤufiger geſchmolzen wird, als durch die unmittelbare Wirkung der Sonnenſtralen, vielleicht darum, weil der Schnee die Sonnenſtralen ſo ſtark zuruͤckwirft, welches auch die Urſache ſeiner blendenden Weiße iſt. Wenn die Kaͤlte ſehr heftig wird, ſo dringt ſie zwar in den liegenden Schnee ein wenig, aber niemals tief, ein. Daher ſchuͤtzt der Schnee die Pflanzen, die er bedeckt, gegen die Wirkungen des ſtrengen Froſts. Nach Guettards Beobachtungen haͤlt ſich der Schnee vier Schuh tief unter der Oberflaͤche immer auf der Temperatur des Eispunkts. Hieraus wird begreiflich, warum in den Nordlaͤndern Perſonen, die die Nacht im Freyen uͤbereilt, ſich unter den Schnee legen, um ſich vor der Kaͤlte zu ſchuͤtzen, warum man erfrorne Glieder, um ſie ohne Schaden wieder aufzuthauen, in Schnee ſteckt, u. ſ. w. Sehr oft nimmt die Kaͤlte ab, wenn es ſchneyt; vielleicht nach Herrn Grens Erklaͤrung darum, weil beym Gefrieren der Duͤnſte die Waͤrme, die vorher in ihnen gebunden war, frey wird, und ſich als fuͤhlbare Waͤrme

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/871>, abgerufen am 23.11.2024.