davon herrühren, daß sich die kleinen Theile der festwerdenden Körper mit ihren größten Seitenflächen am stärksten anziehen, und sich also mit diesen Flächen zusammenlegen; so ließe sich noch ein Schritt weiter zur Erklärung der Eis- und Schneefiguren thun. Wenn man nemlich annimmt, daß die Wassertheilchen und die Dunstbläschen, aus denen die ersten Anlagen zum Schnee entstehen, gleich große Kugeln sind, die beym Gefrieren in Berührung kommen, und Zeit haben, sich nach den Wirkungen ihres gegenseitigen Anziehens zu stellen, so werden in einerley Ebene um jede Kugel oder jedes Bläschen herum gerade sechs andere Platz haben, und weil nun die Anziehung nach denjenigen Richtungen am stärksten wird, welche den Mittelpunkt der ersten Kugel mit den Mittelpunkten der herumliegenden verbinden, so werden sich nach diesen sechs Richtungen mehr Kügelchen anlegen; woraus die Entstehung sechsspitziger Sterne begreiflich würde. Aber, um diese Erklärung für etwas mehr, als Möglichkeit, zu halten, wären noch Erfahrungen darüber nöthig, ob Verbindungen von Bläschen, die gefrieren, wirklich solche sechsspitzige Gestalten annehmen. Da wir dergleichen noch nicht haben, so ist es besser, aufrichtig zu sagen, daß uns der ganze Mechanismus der Präcipitation und Krystallisation unbekannt sey. Man sehe, was Herr Lichtenberg (Errlebens Naturl. Vierte Auflage. Anm. zu §. 434. S. 353.) hierüber sagt.
Guettard bemerkt, daß in Polen die Schneeflocken desto mehr die Gestalt der Sterne haben, und daß die Spitzen dieser Sterne desto stärker mit Aesten und Zweigen besetzt sind, je kälter es ist -- eine Beobachtung, mit der auch Musschenbroek(Introd. §. 2403.) übereinstimmt. Vornehmlich zeigen sich die regulären Schneefiguren bey windstillem Wetter.
Die Masse des herabgefallenen Schnees ist sehr locker, besonders, wenn große Flocken gefallen sind. Sedileau(Mem. de Paris, 1692.) fand, daß eine 5 -- 6 Zoll hohe Schneelage von der Sonne geschmolzen nur 1 Zoll hoch Wasser gab; de la Hire(Mem. de Paris, 1712.)
davon herruͤhren, daß ſich die kleinen Theile der feſtwerdenden Koͤrper mit ihren groͤßten Seitenflaͤchen am ſtaͤrkſten anziehen, und ſich alſo mit dieſen Flaͤchen zuſammenlegen; ſo ließe ſich noch ein Schritt weiter zur Erklaͤrung der Eis- und Schneefiguren thun. Wenn man nemlich annimmt, daß die Waſſertheilchen und die Dunſtblaͤschen, aus denen die erſten Anlagen zum Schnee entſtehen, gleich große Kugeln ſind, die beym Gefrieren in Beruͤhrung kommen, und Zeit haben, ſich nach den Wirkungen ihres gegenſeitigen Anziehens zu ſtellen, ſo werden in einerley Ebene um jede Kugel oder jedes Blaͤschen herum gerade ſechs andere Platz haben, und weil nun die Anziehung nach denjenigen Richtungen am ſtaͤrkſten wird, welche den Mittelpunkt der erſten Kugel mit den Mittelpunkten der herumliegenden verbinden, ſo werden ſich nach dieſen ſechs Richtungen mehr Kuͤgelchen anlegen; woraus die Entſtehung ſechsſpitziger Sterne begreiflich wuͤrde. Aber, um dieſe Erklaͤrung fuͤr etwas mehr, als Moͤglichkeit, zu halten, waͤren noch Erfahrungen daruͤber noͤthig, ob Verbindungen von Blaͤschen, die gefrieren, wirklich ſolche ſechsſpitzige Geſtalten annehmen. Da wir dergleichen noch nicht haben, ſo iſt es beſſer, aufrichtig zu ſagen, daß uns der ganze Mechanismus der Praͤcipitation und Kryſtalliſation unbekannt ſey. Man ſehe, was Herr Lichtenberg (Errlebens Naturl. Vierte Auflage. Anm. zu §. 434. S. 353.) hieruͤber ſagt.
Guettard bemerkt, daß in Polen die Schneeflocken deſto mehr die Geſtalt der Sterne haben, und daß die Spitzen dieſer Sterne deſto ſtaͤrker mit Aeſten und Zweigen beſetzt ſind, je kaͤlter es iſt — eine Beobachtung, mit der auch Muſſchenbroek(Introd. §. 2403.) uͤbereinſtimmt. Vornehmlich zeigen ſich die regulaͤren Schneefiguren bey windſtillem Wetter.
Die Maſſe des herabgefallenen Schnees iſt ſehr locker, beſonders, wenn große Flocken gefallen ſind. Sedileau(Mém. de Paris, 1692.) fand, daß eine 5 — 6 Zoll hohe Schneelage von der Sonne geſchmolzen nur 1 Zoll hoch Waſſer gab; de la Hire(Mém. de Paris, 1712.)
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davon herruͤhren, daß ſich die kleinen Theile der feſtwerdenden Koͤrper mit ihren groͤßten Seitenflaͤchen am ſtaͤrkſten anziehen, und ſich alſo mit dieſen Flaͤchen zuſammenlegen; ſo ließe ſich noch ein Schritt weiter zur Erklaͤrung der Eis- und Schneefiguren thun. Wenn man nemlich annimmt, daß die Waſſertheilchen und die Dunſtblaͤschen, aus denen die erſten Anlagen zum Schnee entſtehen, gleich große Kugeln ſind, die beym Gefrieren in Beruͤhrung kommen, und Zeit haben, ſich nach den Wirkungen ihres gegenſeitigen Anziehens zu ſtellen, ſo werden in einerley Ebene um jede Kugel oder jedes Blaͤschen herum gerade ſechs andere Platz haben, und weil nun die Anziehung nach denjenigen Richtungen am ſtaͤrkſten wird, welche den Mittelpunkt der erſten Kugel mit den Mittelpunkten der herumliegenden verbinden, ſo werden ſich nach dieſen ſechs Richtungen mehr Kuͤgelchen anlegen; woraus die Entſtehung ſechsſpitziger Sterne begreiflich wuͤrde. Aber, um dieſe Erklaͤrung fuͤr etwas mehr, als Moͤglichkeit, zu halten, waͤren noch Erfahrungen daruͤber noͤthig, ob Verbindungen von Blaͤschen, die gefrieren, wirklich ſolche ſechsſpitzige Geſtalten annehmen. Da wir dergleichen noch nicht haben, ſo iſt es beſſer, aufrichtig zu ſagen, daß uns der ganze Mechanismus der Praͤcipitation und Kryſtalliſation unbekannt ſey. Man ſehe, was Herr Lichtenberg (Errlebens Naturl. Vierte Auflage. Anm. zu §. 434. S. 353.) hieruͤber ſagt.
Guettard bemerkt, daß in Polen die Schneeflocken deſto mehr die Geſtalt der Sterne haben, und daß die Spitzen dieſer Sterne deſto ſtaͤrker mit Aeſten und Zweigen beſetzt ſind, je kaͤlter es iſt — eine Beobachtung, mit der auch Muſſchenbroek (Introd. §. 2403.) uͤbereinſtimmt. Vornehmlich zeigen ſich die regulaͤren Schneefiguren bey windſtillem Wetter.
Die Maſſe des herabgefallenen Schnees iſt ſehr locker, beſonders, wenn große Flocken gefallen ſind. Sedileau (Mém. de Paris, 1692.) fand, daß eine 5 — 6 Zoll hohe Schneelage von der Sonne geſchmolzen nur 1 Zoll hoch Waſſer gab; de la Hire (Mém. de Paris, 1712.)
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 864. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/870>, abgerufen am 23.11.2024.
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