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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Ruhepunkt, Mittelpunkt der Bewegung

Punctum fixum, Centrum motus, Point d'appui, Point fixe, Centre de mouvement. Diese Namen führt am Hebel und allen einfachen Rüstzeugen diejenige Stelle, welche bey der Bewegung der Maschine in Ruhe bleibt, um die sich also die ganze Maschine drehen läßt. Was diese Stelle unterstützt oder hält, heißt die Unterlage, oder das Hypomochlion, s. Hypomochlion. Bisweilen aber wird auch dem Ruhepunkte selbst der Name des Hypomochlions beygelegt, s. Entfernung vom Ruhepunkte.

Diese ruhende Stelle führt zwar den Namen eines Punkts, sie ist dies aber nur am mathematischen Hebel. Beym physischen Hebel und den andern Rüstzeugen bleibt eine ganze Linie, oder wohl gar ein ganzer Körper unbeweglich, z. B bey der Radwelle die Axe, bey der Rolle der Polzen. Diese ruhenden Linien oder Körper werden alsdann an ihren beyden Endpunkten unterstützt, daher in solchen Fällen zwo Unterlagen vorhanden sind, wie beym Rade die festen Lager, worinn die Zapfen der Welle ruhen, bey der Rolle die Wände der Hülse, in welchen der Polzen fest steckt u. s. w. Bey der Theorie dieser Rüstzeuge kan man allemal die Richtungen beyder Kräfte in einerley Ebene versetzen, und den Punkt der Axe, der in eben diese Ebene fällt, als unterstützt betrachten. Was man für diesen Fall findet, gilt auch noch, wenn gleich die Kräfte und Unterstützungen in verschiedenen Ebenen liegen. In der Theorie also hat man allemal einen Punkt, um den sich die Maschine dreht.

Wenn zwo Unterlagen an verschiedenen Stellen der Axe vorhanden sind, so vertheilt sich das, was der Ruhepunkt zu tragen hat, unter beyde nach dem umgekehrten Verhältnisse seiner Entfernung von einer jeden. Wenn z. B. Taf. XX. Fig. 100. an der Radwelle CC die Last L von dem Ende A doppelt so weit, als vom andern Ende absteht, so wird die Stütze bey A nur 1/3 L, die Stütze am andern Ende die übrigen 2/3 L zu tragen haben. Nach ähnlichen Grundsätzen läßt sich auch berechnen, wie viel jede


Ruhepunkt, Mittelpunkt der Bewegung

Punctum fixum, Centrum motus, Point d'appui, Point fixe, Centre de mouvement. Dieſe Namen fuͤhrt am Hebel und allen einfachen Ruͤſtzeugen diejenige Stelle, welche bey der Bewegung der Maſchine in Ruhe bleibt, um die ſich alſo die ganze Maſchine drehen laͤßt. Was dieſe Stelle unterſtuͤtzt oder haͤlt, heißt die Unterlage, oder das Hypomochlion, ſ. Hypomochlion. Bisweilen aber wird auch dem Ruhepunkte ſelbſt der Name des Hypomochlions beygelegt, ſ. Entfernung vom Ruhepunkte.

Dieſe ruhende Stelle fuͤhrt zwar den Namen eines Punkts, ſie iſt dies aber nur am mathematiſchen Hebel. Beym phyſiſchen Hebel und den andern Ruͤſtzeugen bleibt eine ganze Linie, oder wohl gar ein ganzer Koͤrper unbeweglich, z. B bey der Radwelle die Axe, bey der Rolle der Polzen. Dieſe ruhenden Linien oder Koͤrper werden alsdann an ihren beyden Endpunkten unterſtuͤtzt, daher in ſolchen Faͤllen zwo Unterlagen vorhanden ſind, wie beym Rade die feſten Lager, worinn die Zapfen der Welle ruhen, bey der Rolle die Waͤnde der Huͤlſe, in welchen der Polzen feſt ſteckt u. ſ. w. Bey der Theorie dieſer Ruͤſtzeuge kan man allemal die Richtungen beyder Kraͤfte in einerley Ebene verſetzen, und den Punkt der Axe, der in eben dieſe Ebene faͤllt, als unterſtuͤtzt betrachten. Was man fuͤr dieſen Fall findet, gilt auch noch, wenn gleich die Kraͤfte und Unterſtuͤtzungen in verſchiedenen Ebenen liegen. In der Theorie alſo hat man allemal einen Punkt, um den ſich die Maſchine dreht.

Wenn zwo Unterlagen an verſchiedenen Stellen der Axe vorhanden ſind, ſo vertheilt ſich das, was der Ruhepunkt zu tragen hat, unter beyde nach dem umgekehrten Verhaͤltniſſe ſeiner Entfernung von einer jeden. Wenn z. B. Taf. XX. Fig. 100. an der Radwelle CC die Laſt L von dem Ende A doppelt ſo weit, als vom andern Ende abſteht, ſo wird die Stuͤtze bey A nur 1/3 L, die Stuͤtze am andern Ende die uͤbrigen 2/3 L zu tragen haben. Nach aͤhnlichen Grundſaͤtzen laͤßt ſich auch berechnen, wie viel jede

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[735/0741] Ruhepunkt, Mittelpunkt der Bewegung Punctum fixum, Centrum motus, Point d'appui, Point fixe, Centre de mouvement. Dieſe Namen fuͤhrt am Hebel und allen einfachen Ruͤſtzeugen diejenige Stelle, welche bey der Bewegung der Maſchine in Ruhe bleibt, um die ſich alſo die ganze Maſchine drehen laͤßt. Was dieſe Stelle unterſtuͤtzt oder haͤlt, heißt die Unterlage, oder das Hypomochlion, ſ. Hypomochlion. Bisweilen aber wird auch dem Ruhepunkte ſelbſt der Name des Hypomochlions beygelegt, ſ. Entfernung vom Ruhepunkte. Dieſe ruhende Stelle fuͤhrt zwar den Namen eines Punkts, ſie iſt dies aber nur am mathematiſchen Hebel. Beym phyſiſchen Hebel und den andern Ruͤſtzeugen bleibt eine ganze Linie, oder wohl gar ein ganzer Koͤrper unbeweglich, z. B bey der Radwelle die Axe, bey der Rolle der Polzen. Dieſe ruhenden Linien oder Koͤrper werden alsdann an ihren beyden Endpunkten unterſtuͤtzt, daher in ſolchen Faͤllen zwo Unterlagen vorhanden ſind, wie beym Rade die feſten Lager, worinn die Zapfen der Welle ruhen, bey der Rolle die Waͤnde der Huͤlſe, in welchen der Polzen feſt ſteckt u. ſ. w. Bey der Theorie dieſer Ruͤſtzeuge kan man allemal die Richtungen beyder Kraͤfte in einerley Ebene verſetzen, und den Punkt der Axe, der in eben dieſe Ebene faͤllt, als unterſtuͤtzt betrachten. Was man fuͤr dieſen Fall findet, gilt auch noch, wenn gleich die Kraͤfte und Unterſtuͤtzungen in verſchiedenen Ebenen liegen. In der Theorie alſo hat man allemal einen Punkt, um den ſich die Maſchine dreht. Wenn zwo Unterlagen an verſchiedenen Stellen der Axe vorhanden ſind, ſo vertheilt ſich das, was der Ruhepunkt zu tragen hat, unter beyde nach dem umgekehrten Verhaͤltniſſe ſeiner Entfernung von einer jeden. Wenn z. B. Taf. XX. Fig. 100. an der Radwelle CC die Laſt L von dem Ende A doppelt ſo weit, als vom andern Ende abſteht, ſo wird die Stuͤtze bey A nur 1/3 L, die Stuͤtze am andern Ende die uͤbrigen 2/3 L zu tragen haben. Nach aͤhnlichen Grundſaͤtzen laͤßt ſich auch berechnen, wie viel jede

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/741>, abgerufen am 20.05.2024.