Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


schlägt vor, dus Ende der Armosphäre dahin zu setzen, wo die Luft nur noch wenig Quedsilber, z. B. noch eine Linie erhasten könne. Für diese Stelle ist, wenn man f = 27 Zoll oder 324 Lin. und die Temperatur 16 3/4 Grad setzt Toisen oder 12 1/2 französische Meilen. Hier wäre die Luft 324 mal dünner als unten. Es ist aber gar fein Zweifel, daß sie noch weit dünner werden kan, da schon unsere guten Luftpumpen sie noch stärker verdünnen. Bis dahin, wo sie nur 1/2 Lin. Quecksilber hielte, und 628mal dünner, als unten wäre, hätre man noch 3010 Toisen oder 1 1/2 frz. Meilen höher zu steigen; und wieder 1 1/2 Meilen bis dahin, wo sie 1256mal dünner wäre u. s. w. De Lüc selbst schätzt sie endlich auf 17 1/2 frz. Meilen. Alle diese Bestimmungen sind blos willkührlich, und lehren eigentlich gar nichts, weil man die Grenze der Verdünnung der Luft doch nicht aus Erfahrungen angeben kan.

Man hat aber eine weit ältere und bestimmtere Methode, die Höhe des Luftkreises zu finden. Sie gründer sich auf die Theorie der Dämmerung, und ist schon beym Alhazen (De crepusculis prop. ult. in Risneri Thesaur. Opt. Basil. 1572. fol.) vorgetragen. Wenn auf der mit dem Luftkreise umgebnen Erdkugel, Taf. XIV. Fig. 9. dem Orte O die Dämmerung aufhört, und der letzte Stral der Sonne HO im Horizonte dieses Orts ins Auge O gelanget, so steht die Sonne selbst schon 18° unter dem Horizonte IHO, s. Dämmerung Ihr letzter Stral SH trift also den Horizont IHO bey H unter dem Winkel SHI = 18°, und wird von dem Lufitheilchen H so nach O reflectirt, daß SHC = CHO. Daher ist CHO = 1/2 SHO = 1/2 (180° - SHI) = 90° - 1/2 SHI, und C oder 90° - CHO ist = 1/2 SHI = 9°. Mithin verhält sich im rechtwinklichten Dreyecke CHO und der Unterschied zwischen CH und CO, oder die Höhe des Luftkreises ist = CO. (sec. 9° - 1) = 0,0124625. CO, d. i. nahe an 1/80 CO. Setzt man CO oder den Halbmesser der Erde nach Picard 3269300 Toisen, so beträgt dies etwa 40752 Toisen oder 20 1/3 Lieues.


ſchlaͤgt vor, dus Ende der Armoſphaͤre dahin zu ſetzen, wo die Luft nur noch wenig Quedſilber, z. B. noch eine Linie erhaſten koͤnne. Fuͤr dieſe Stelle iſt, wenn man f = 27 Zoll oder 324 Lin. und die Temperatur 16 3/4 Grad ſetzt Toiſen oder 12 1/2 franzoͤſiſche Meilen. Hier waͤre die Luft 324 mal duͤnner als unten. Es iſt aber gar fein Zweifel, daß ſie noch weit duͤnner werden kan, da ſchon unſere guten Luftpumpen ſie noch ſtaͤrker verduͤnnen. Bis dahin, wo ſie nur 1/2 Lin. Queckſilber hielte, und 628mal duͤnner, als unten waͤre, haͤtre man noch 3010 Toiſen oder 1 1/2 frz. Meilen hoͤher zu ſteigen; und wieder 1 1/2 Meilen bis dahin, wo ſie 1256mal duͤnner waͤre u. ſ. w. De Luͤc ſelbſt ſchaͤtzt ſie endlich auf 17 1/2 frz. Meilen. Alle dieſe Beſtimmungen ſind blos willkuͤhrlich, und lehren eigentlich gar nichts, weil man die Grenze der Verduͤnnung der Luft doch nicht aus Erfahrungen angeben kan.

Man hat aber eine weit aͤltere und beſtimmtere Methode, die Hoͤhe des Luftkreiſes zu finden. Sie gruͤnder ſich auf die Theorie der Daͤmmerung, und iſt ſchon beym Alhazen (De crepuſculis prop. ult. in Riſneri Theſaur. Opt. Baſil. 1572. fol.) vorgetragen. Wenn auf der mit dem Luftkreiſe umgebnen Erdkugel, Taf. XIV. Fig. 9. dem Orte O die Daͤmmerung aufhoͤrt, und der letzte Stral der Sonne HO im Horizonte dieſes Orts ins Auge O gelanget, ſo ſteht die Sonne ſelbſt ſchon 18° unter dem Horizonte IHO, ſ. Daͤmmerung Ihr letzter Stral SH trift alſo den Horizont IHO bey H unter dem Winkel SHI = 18°, und wird von dem Lufitheilchen H ſo nach O reflectirt, daß SHC = CHO. Daher iſt CHO = 1/2 SHO = 1/2 (180° - SHI) = 90° - 1/2 SHI, und C oder 90° - CHO iſt = 1/2 SHI = 9°. Mithin verhaͤlt ſich im rechtwinklichten Dreyecke CHO und der Unterſchied zwiſchen CH und CO, oder die Hoͤhe des Luftkreiſes iſt = CO. (ſec. 9° - 1) = 0,0124625. CO, d. i. nahe an 1/80 CO. Setzt man CO oder den Halbmeſſer der Erde nach Picard 3269300 Toiſen, ſo betraͤgt dies etwa 40752 Toiſen oder 20 1/3 Lieues.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0057" xml:id="P.3.51" n="51"/><lb/>
&#x017F;chla&#x0364;gt vor, dus Ende der Armo&#x017F;pha&#x0364;re dahin zu &#x017F;etzen, wo die Luft nur noch wenig Qued&#x017F;ilber, z. B. noch eine Linie erha&#x017F;ten ko&#x0364;nne. Fu&#x0364;r die&#x017F;e Stelle i&#x017F;t, wenn man f = 27 Zoll oder 324 Lin. und die Temperatur 16 3/4 Grad &#x017F;etzt  Toi&#x017F;en oder 12 1/2 franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Meilen. Hier wa&#x0364;re die Luft 324 mal du&#x0364;nner als unten. Es i&#x017F;t aber gar fein Zweifel, daß &#x017F;ie noch weit du&#x0364;nner werden kan, da &#x017F;chon un&#x017F;ere guten Luftpumpen &#x017F;ie noch &#x017F;ta&#x0364;rker verdu&#x0364;nnen. Bis dahin, wo &#x017F;ie nur 1/2 Lin. Queck&#x017F;ilber hielte, und 628mal du&#x0364;nner, als unten wa&#x0364;re, ha&#x0364;tre man noch 3010 Toi&#x017F;en oder 1 1/2 frz. Meilen ho&#x0364;her zu &#x017F;teigen; und wieder 1 1/2 Meilen bis dahin, wo &#x017F;ie 1256mal du&#x0364;nner wa&#x0364;re u. &#x017F;. w. <hi rendition="#b">De Lu&#x0364;c</hi> &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;cha&#x0364;tzt &#x017F;ie endlich auf 17 1/2 frz. Meilen. Alle die&#x017F;e Be&#x017F;timmungen &#x017F;ind blos willku&#x0364;hrlich, und lehren eigentlich gar nichts, weil man die Grenze der Verdu&#x0364;nnung der Luft doch nicht aus Erfahrungen angeben kan.</p>
            <p>Man hat aber eine weit a&#x0364;ltere und be&#x017F;timmtere Methode, die Ho&#x0364;he des Luftkrei&#x017F;es zu finden. Sie gru&#x0364;nder &#x017F;ich auf die Theorie der Da&#x0364;mmerung, und i&#x017F;t &#x017F;chon beym <hi rendition="#b">Alhazen</hi> <hi rendition="#aq">(De crepu&#x017F;culis prop. ult. in <hi rendition="#i">Ri&#x017F;neri</hi> The&#x017F;aur. Opt. Ba&#x017F;il. 1572. fol.)</hi> vorgetragen. Wenn auf der mit dem Luftkrei&#x017F;e umgebnen Erdkugel, Taf. <hi rendition="#aq">XIV.</hi> Fig. 9. dem Orte <hi rendition="#aq">O</hi> die Da&#x0364;mmerung aufho&#x0364;rt, und der letzte Stral der Sonne <hi rendition="#aq">HO</hi> im Horizonte die&#x017F;es Orts ins Auge <hi rendition="#aq">O</hi> gelanget, &#x017F;o &#x017F;teht die Sonne &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon 18° unter dem Horizonte <hi rendition="#aq">IHO,</hi> &#x017F;. <hi rendition="#b">Da&#x0364;mmerung</hi> Ihr letzter Stral <hi rendition="#aq">SH</hi> trift al&#x017F;o den Horizont <hi rendition="#aq">IHO</hi> bey <hi rendition="#aq">H</hi> unter dem Winkel <hi rendition="#aq">SHI = 18°,</hi> und wird von dem Lufitheilchen <hi rendition="#aq">H</hi> &#x017F;o nach <hi rendition="#aq">O</hi> reflectirt, daß <hi rendition="#aq">SHC = CHO.</hi> Daher i&#x017F;t <hi rendition="#aq">CHO = 1/2 SHO = 1/2 (180° - SHI) = 90° - 1/2 SHI,</hi> und <hi rendition="#aq">C</hi> oder <hi rendition="#aq">90° - CHO</hi> i&#x017F;t = <hi rendition="#aq">1/2 SHI = 9°.</hi> Mithin verha&#x0364;lt &#x017F;ich im rechtwinklichten Dreyecke <hi rendition="#aq">CHO</hi> und der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">CH</hi> und <hi rendition="#aq">CO,</hi> oder die Ho&#x0364;he des Luftkrei&#x017F;es i&#x017F;t = <hi rendition="#aq">CO. (&#x017F;ec. 9° - 1) = 0,0124625. CO,</hi> d. i. nahe an <hi rendition="#aq">1/80 CO.</hi> Setzt man <hi rendition="#aq">CO</hi> oder den Halbme&#x017F;&#x017F;er der Erde nach <hi rendition="#b">Picard</hi> 3269300 Toi&#x017F;en, &#x017F;o betra&#x0364;gt dies etwa 40752 Toi&#x017F;en oder 20 1/3 Lieues.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0057] ſchlaͤgt vor, dus Ende der Armoſphaͤre dahin zu ſetzen, wo die Luft nur noch wenig Quedſilber, z. B. noch eine Linie erhaſten koͤnne. Fuͤr dieſe Stelle iſt, wenn man f = 27 Zoll oder 324 Lin. und die Temperatur 16 3/4 Grad ſetzt Toiſen oder 12 1/2 franzoͤſiſche Meilen. Hier waͤre die Luft 324 mal duͤnner als unten. Es iſt aber gar fein Zweifel, daß ſie noch weit duͤnner werden kan, da ſchon unſere guten Luftpumpen ſie noch ſtaͤrker verduͤnnen. Bis dahin, wo ſie nur 1/2 Lin. Queckſilber hielte, und 628mal duͤnner, als unten waͤre, haͤtre man noch 3010 Toiſen oder 1 1/2 frz. Meilen hoͤher zu ſteigen; und wieder 1 1/2 Meilen bis dahin, wo ſie 1256mal duͤnner waͤre u. ſ. w. De Luͤc ſelbſt ſchaͤtzt ſie endlich auf 17 1/2 frz. Meilen. Alle dieſe Beſtimmungen ſind blos willkuͤhrlich, und lehren eigentlich gar nichts, weil man die Grenze der Verduͤnnung der Luft doch nicht aus Erfahrungen angeben kan. Man hat aber eine weit aͤltere und beſtimmtere Methode, die Hoͤhe des Luftkreiſes zu finden. Sie gruͤnder ſich auf die Theorie der Daͤmmerung, und iſt ſchon beym Alhazen (De crepuſculis prop. ult. in Riſneri Theſaur. Opt. Baſil. 1572. fol.) vorgetragen. Wenn auf der mit dem Luftkreiſe umgebnen Erdkugel, Taf. XIV. Fig. 9. dem Orte O die Daͤmmerung aufhoͤrt, und der letzte Stral der Sonne HO im Horizonte dieſes Orts ins Auge O gelanget, ſo ſteht die Sonne ſelbſt ſchon 18° unter dem Horizonte IHO, ſ. Daͤmmerung Ihr letzter Stral SH trift alſo den Horizont IHO bey H unter dem Winkel SHI = 18°, und wird von dem Lufitheilchen H ſo nach O reflectirt, daß SHC = CHO. Daher iſt CHO = 1/2 SHO = 1/2 (180° - SHI) = 90° - 1/2 SHI, und C oder 90° - CHO iſt = 1/2 SHI = 9°. Mithin verhaͤlt ſich im rechtwinklichten Dreyecke CHO und der Unterſchied zwiſchen CH und CO, oder die Hoͤhe des Luftkreiſes iſt = CO. (ſec. 9° - 1) = 0,0124625. CO, d. i. nahe an 1/80 CO. Setzt man CO oder den Halbmeſſer der Erde nach Picard 3269300 Toiſen, ſo betraͤgt dies etwa 40752 Toiſen oder 20 1/3 Lieues.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/57
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/57>, abgerufen am 03.05.2024.