Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.Nach diesem Begriffe von Physik habe ich den Umfang desjenigen zu bestimmen gesucht, was ich in gegenwärtigem Wörterbuche von dieser Wissenschaft beyzubringen hatte. Ich gestehe gern, daß der Begrif unbestimmt sey, und der Willkühr des Lehrers oder Schriststellers zu viel überlasse. Aber jede genauere Bestimmung schloß Gegenstände aus, die man doch gewiß in einem physikalischen Wörterbuche erwartet und höchst ungern vermißt haben würde. Ich habe daher viel angewandte Mathematik aufgenommen, weil ich lebhaft überzeugt bin, daß sich ohne dieselbe eine gründliche Kenntniß der Natur nicht denken läßt, wie schon Herr Kästner (Ueber die Verbindung der Mathematik und Naturlehre. Göttingen, 1768 4. und in s. Vermischten Schriften. Altenburg, 1772. gr. 8.) so schön gesagt hat. Selbst die, welche mathematische Betrachtungen aus den physikalischen Lehrbüchern ausschließen, werden doch dieselben in einem Wörterduche, das an systematische Ordnung nicht gebunden ist, und einen weitern Umfang verstattet, nicht nur zulassen, sondern selbst nöthig finden, weil ohne sie nicht einmal rich ige Bestimmungen der meisten Begriffe und Sätze möglich sind. Herr Klüg<*>l (Encyklopädie, Berlin und Stettin, 1782. 8. Th. II. S. 3 u. f.) giebt von der Naturlehre folgenden Begrif: "Die Beschaffenheiten der Körper, die "Naturbegebenheiten, die Gesetze und Verwandtschaften "der körperlichen Kräfte, und die Muthmaßungen über die "ersten Triebfedern der natürlichen Wirkungen beschäftigen "die Naturlehre." Er erinnert hierauf an die Unentbehrlichkeit der Mathematik, da viele physische Lehren so gar tiefe mathematische Einsichten erfordern besonders, menn es auf Bewegungen ankömmt, deren Richtung und Geschwindigkeit sich deutlich darstellt, wie in der Mechanik, Optik, Astronomie. Daraus entstehe eine besondere Abtheilung der Mathematik unter dem Namen der angewandren. Diese unterscheide sich von der Physik dadurch, daß sie sich nicht auf die Beschaffenheiten der Körper und auf die Erforschung der Ursachen einlasse, und oft ganz mathematische Untersuchungen anstelle, bey denen sich fast alles Physikalische Nach dieſem Begriffe von Phyſik habe ich den Umfang desjenigen zu beſtimmen geſucht, was ich in gegenwaͤrtigem Woͤrterbuche von dieſer Wiſſenſchaft beyzubringen hatte. Ich geſtehe gern, daß der Begrif unbeſtimmt ſey, und der Willkuͤhr des Lehrers oder Schriſtſtellers zu viel uͤberlaſſe. Aber jede genauere Beſtimmung ſchloß Gegenſtaͤnde aus, die man doch gewiß in einem phyſikaliſchen Woͤrterbuche erwartet und hoͤchſt ungern vermißt haben wuͤrde. Ich habe daher viel angewandte Mathematik aufgenommen, weil ich lebhaft uͤberzeugt bin, daß ſich ohne dieſelbe eine gruͤndliche Kenntniß der Natur nicht denken laͤßt, wie ſchon Herr Kaͤſtner (Ueber die Verbindung der Mathematik und Naturlehre. Goͤttingen, 1768 4. und in ſ. Vermiſchten Schriften. Altenburg, 1772. gr. 8.) ſo ſchoͤn geſagt hat. Selbſt die, welche mathematiſche Betrachtungen aus den phyſikaliſchen Lehrbuͤchern ausſchließen, werden doch dieſelben in einem Woͤrterduche, das an ſyſtematiſche Ordnung nicht gebunden iſt, und einen weitern Umfang verſtattet, nicht nur zulaſſen, ſondern ſelbſt noͤthig finden, weil ohne ſie nicht einmal rich ige Beſtimmungen der meiſten Begriffe und Saͤtze moͤglich ſind. Herr Kluͤg<*>l (Encyklopaͤdie, Berlin und Stettin, 1782. 8. Th. II. S. 3 u. f.) giebt von der Naturlehre folgenden Begrif: ”Die Beſchaffenheiten der Koͤrper, die ”Naturbegebenheiten, die Geſetze und Verwandtſchaften ”der koͤrperlichen Kraͤfte, und die Muthmaßungen uͤber die ”erſten Triebfedern der natuͤrlichen Wirkungen beſchaͤftigen ”die Naturlehre.” Er erinnert hierauf an die Unentbehrlichkeit der Mathematik, da viele phyſiſche Lehren ſo gar tiefe mathematiſche Einſichten erfordern beſonders, menn es auf Bewegungen ankoͤmmt, deren Richtung und Geſchwindigkeit ſich deutlich darſtellt, wie in der Mechanik, Optik, Aſtronomie. Daraus entſtehe eine beſondere Abtheilung der Mathematik unter dem Namen der angewandren. Dieſe unterſcheide ſich von der Phyſik dadurch, daß ſie ſich nicht auf die Beſchaffenheiten der Koͤrper und auf die Erforſchung der Urſachen einlaſſe, und oft ganz mathematiſche Unterſuchungen anſtelle, bey denen ſich faſt alles Phyſikaliſche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0500" xml:id="P.3.494" n="494"/><lb/> </p> <p>Nach dieſem Begriffe von Phyſik habe ich den Umfang desjenigen zu beſtimmen geſucht, was ich in gegenwaͤrtigem Woͤrterbuche von dieſer Wiſſenſchaft beyzubringen hatte. Ich geſtehe gern, daß der Begrif unbeſtimmt ſey, und der Willkuͤhr des Lehrers oder Schriſtſtellers zu viel uͤberlaſſe. Aber jede genauere Beſtimmung ſchloß Gegenſtaͤnde aus, die man doch gewiß in einem phyſikaliſchen Woͤrterbuche erwartet und hoͤchſt ungern vermißt haben wuͤrde. 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Nach dieſem Begriffe von Phyſik habe ich den Umfang desjenigen zu beſtimmen geſucht, was ich in gegenwaͤrtigem Woͤrterbuche von dieſer Wiſſenſchaft beyzubringen hatte. Ich geſtehe gern, daß der Begrif unbeſtimmt ſey, und der Willkuͤhr des Lehrers oder Schriſtſtellers zu viel uͤberlaſſe. Aber jede genauere Beſtimmung ſchloß Gegenſtaͤnde aus, die man doch gewiß in einem phyſikaliſchen Woͤrterbuche erwartet und hoͤchſt ungern vermißt haben wuͤrde. Ich habe daher viel angewandte Mathematik aufgenommen, weil ich lebhaft uͤberzeugt bin, daß ſich ohne dieſelbe eine gruͤndliche Kenntniß der Natur nicht denken laͤßt, wie ſchon Herr Kaͤſtner (Ueber die Verbindung der Mathematik und Naturlehre. Goͤttingen, 1768 4. und in ſ. Vermiſchten Schriften. Altenburg, 1772. gr. 8.) ſo ſchoͤn geſagt hat. Selbſt die, welche mathematiſche Betrachtungen aus den phyſikaliſchen Lehrbuͤchern ausſchließen, werden doch dieſelben in einem Woͤrterduche, das an ſyſtematiſche Ordnung nicht gebunden iſt, und einen weitern Umfang verſtattet, nicht nur zulaſſen, ſondern ſelbſt noͤthig finden, weil ohne ſie nicht einmal rich ige Beſtimmungen der meiſten Begriffe und Saͤtze moͤglich ſind.
Herr Kluͤg<*>l (Encyklopaͤdie, Berlin und Stettin, 1782. 8. Th. II. S. 3 u. f.) giebt von der Naturlehre folgenden Begrif: ”Die Beſchaffenheiten der Koͤrper, die ”Naturbegebenheiten, die Geſetze und Verwandtſchaften ”der koͤrperlichen Kraͤfte, und die Muthmaßungen uͤber die ”erſten Triebfedern der natuͤrlichen Wirkungen beſchaͤftigen ”die Naturlehre.” Er erinnert hierauf an die Unentbehrlichkeit der Mathematik, da viele phyſiſche Lehren ſo gar tiefe mathematiſche Einſichten erfordern beſonders, menn es auf Bewegungen ankoͤmmt, deren Richtung und Geſchwindigkeit ſich deutlich darſtellt, wie in der Mechanik, Optik, Aſtronomie. Daraus entſtehe eine beſondere Abtheilung der Mathematik unter dem Namen der angewandren. Dieſe unterſcheide ſich von der Phyſik dadurch, daß ſie ſich nicht auf die Beſchaffenheiten der Koͤrper und auf die Erforſchung der Urſachen einlaſſe, und oft ganz mathematiſche Unterſuchungen anſtelle, bey denen ſich faſt alles Phyſikaliſche
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