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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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in der heiligen Schrift erzählten Wundern, hat es wohl in der Körperwelt nie andere, als natürliche Erfolge, gegeben.

In einer andern Bedeutung heißt natürlich, was ohne Zuthun menschlicher Kunst entsteht oder erfolgt, im Gegensatz des Künstlichen, welches durch Fleiß und Kunst des Menschen bereitet oder bewirkt wird. So unterscheidet man natürliche Körper, von Producten der Kunst (arte factis) -- ein Unterschied, der den Worten nach leicht zu fassen ist, ob es gleich zuweilen schwer fällt, künstliche Körper von natürlichen zu unterscheiden.

Die Ausdrücke: die Natur bringe hervor, sie wähle Mittel, suche Zwecke zu erreichen u. s. w. sind figürlich. Das Wort Natur bedeutet in diesen Redensarten den Schöpfer selbst, der die natürlichen Dinge und Begebenheiten nach unveränderlichen Gesetzen entstehen und ersolgen läßt, und hiebey zu seinen erhabnen Zwecken die schicklichsten Mittel gewählt hat. Die Scholastiker unterschieden in dieser Absicht ganz richtig wiewohl sehr unlateinisch, die Naturam naturantem von der naturata, und verstanden unter jener den Urheber und Regierer der Welt, unter dieser die Welt selbst mit ihren Gesetzen. Dennoch redeten sie in ihrer Physik von gewissen Neigungen, Trieben und Kräften der Natur, z. B. der Vermeidung der Leere, der plastischen Kraft u. dgl., welche in einem richtigen Sinne weder dem Schöpser, noch der erschaffenen Welt, beygelegt werden können. Dies waren dunkle Begriffe von gewissen Naturgesetzen, deren wahre Beschaffenheit man nicht kannte, und von denen man doch Ursachen angeben wollte, weil man sich damals schmeichelte, alle Ursachen ohne Ausnahme zu wissen, s. Naturgesetze. Ich weiß wohl, daß die Redensart: die Natur strebe dieses oder jenes hervorzubringen, diesen oder jenen Endzweck zu erreichen rc. noch jetzt von vielen Schriftstellern gebraucht wird. Man muß sie aber nie für eine physikalische Erklärung irgend eines Phänomens ansehen. Sie ist vielmehr ein verdecktes Geständniß unserer Unwissenheit, und sagt doch nichts weiter, als: der Schöpfer habe die Welt so geordnet, daß den vorgeschriebnen Gesetzen gemäß dies oder jenes entstehen, dieser


in der heiligen Schrift erzaͤhlten Wundern, hat es wohl in der Koͤrperwelt nie andere, als natuͤrliche Erfolge, gegeben.

In einer andern Bedeutung heißt natuͤrlich, was ohne Zuthun menſchlicher Kunſt entſteht oder erfolgt, im Gegenſatz des Kuͤnſtlichen, welches durch Fleiß und Kunſt des Menſchen bereitet oder bewirkt wird. So unterſcheidet man natuͤrliche Koͤrper, von Producten der Kunſt (arte factis) — ein Unterſchied, der den Worten nach leicht zu faſſen iſt, ob es gleich zuweilen ſchwer faͤllt, kuͤnſtliche Koͤrper von natuͤrlichen zu unterſcheiden.

Die Ausdruͤcke: die Natur bringe hervor, ſie waͤhle Mittel, ſuche Zwecke zu erreichen u. ſ. w. ſind figuͤrlich. Das Wort Natur bedeutet in dieſen Redensarten den Schoͤpfer ſelbſt, der die natuͤrlichen Dinge und Begebenheiten nach unveraͤnderlichen Geſetzen entſtehen und erſolgen laͤßt, und hiebey zu ſeinen erhabnen Zwecken die ſchicklichſten Mittel gewaͤhlt hat. Die Scholaſtiker unterſchieden in dieſer Abſicht ganz richtig wiewohl ſehr unlateiniſch, die Naturam naturantem von der naturata, und verſtanden unter jener den Urheber und Regierer der Welt, unter dieſer die Welt ſelbſt mit ihren Geſetzen. Dennoch redeten ſie in ihrer Phyſik von gewiſſen Neigungen, Trieben und Kraͤften der Natur, z. B. der Vermeidung der Leere, der plaſtiſchen Kraft u. dgl., welche in einem richtigen Sinne weder dem Schoͤpſer, noch der erſchaffenen Welt, beygelegt werden koͤnnen. Dies waren dunkle Begriffe von gewiſſen Naturgeſetzen, deren wahre Beſchaffenheit man nicht kannte, und von denen man doch Urſachen angeben wollte, weil man ſich damals ſchmeichelte, alle Urſachen ohne Ausnahme zu wiſſen, ſ. Naturgeſetze. Ich weiß wohl, daß die Redensart: die Natur ſtrebe dieſes oder jenes hervorzubringen, dieſen oder jenen Endzweck zu erreichen rc. noch jetzt von vielen Schriftſtellern gebraucht wird. Man muß ſie aber nie fuͤr eine phyſikaliſche Erklaͤrung irgend eines Phaͤnomens anſehen. Sie iſt vielmehr ein verdecktes Geſtaͤndniß unſerer Unwiſſenheit, und ſagt doch nichts weiter, als: der Schoͤpfer habe die Welt ſo geordnet, daß den vorgeſchriebnen Geſetzen gemaͤß dies oder jenes entſtehen, dieſer

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[311/0317] in der heiligen Schrift erzaͤhlten Wundern, hat es wohl in der Koͤrperwelt nie andere, als natuͤrliche Erfolge, gegeben. In einer andern Bedeutung heißt natuͤrlich, was ohne Zuthun menſchlicher Kunſt entſteht oder erfolgt, im Gegenſatz des Kuͤnſtlichen, welches durch Fleiß und Kunſt des Menſchen bereitet oder bewirkt wird. So unterſcheidet man natuͤrliche Koͤrper, von Producten der Kunſt (arte factis) — ein Unterſchied, der den Worten nach leicht zu faſſen iſt, ob es gleich zuweilen ſchwer faͤllt, kuͤnſtliche Koͤrper von natuͤrlichen zu unterſcheiden. Die Ausdruͤcke: die Natur bringe hervor, ſie waͤhle Mittel, ſuche Zwecke zu erreichen u. ſ. w. ſind figuͤrlich. Das Wort Natur bedeutet in dieſen Redensarten den Schoͤpfer ſelbſt, der die natuͤrlichen Dinge und Begebenheiten nach unveraͤnderlichen Geſetzen entſtehen und erſolgen laͤßt, und hiebey zu ſeinen erhabnen Zwecken die ſchicklichſten Mittel gewaͤhlt hat. Die Scholaſtiker unterſchieden in dieſer Abſicht ganz richtig wiewohl ſehr unlateiniſch, die Naturam naturantem von der naturata, und verſtanden unter jener den Urheber und Regierer der Welt, unter dieſer die Welt ſelbſt mit ihren Geſetzen. Dennoch redeten ſie in ihrer Phyſik von gewiſſen Neigungen, Trieben und Kraͤften der Natur, z. B. der Vermeidung der Leere, der plaſtiſchen Kraft u. dgl., welche in einem richtigen Sinne weder dem Schoͤpſer, noch der erſchaffenen Welt, beygelegt werden koͤnnen. Dies waren dunkle Begriffe von gewiſſen Naturgeſetzen, deren wahre Beſchaffenheit man nicht kannte, und von denen man doch Urſachen angeben wollte, weil man ſich damals ſchmeichelte, alle Urſachen ohne Ausnahme zu wiſſen, ſ. Naturgeſetze. Ich weiß wohl, daß die Redensart: die Natur ſtrebe dieſes oder jenes hervorzubringen, dieſen oder jenen Endzweck zu erreichen rc. noch jetzt von vielen Schriftſtellern gebraucht wird. Man muß ſie aber nie fuͤr eine phyſikaliſche Erklaͤrung irgend eines Phaͤnomens anſehen. Sie iſt vielmehr ein verdecktes Geſtaͤndniß unſerer Unwiſſenheit, und ſagt doch nichts weiter, als: der Schoͤpfer habe die Welt ſo geordnet, daß den vorgeſchriebnen Geſetzen gemaͤß dies oder jenes entſtehen, dieſer

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/317>, abgerufen am 22.11.2024.