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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Verengerung des Augensterns. Daß hiebey kein deutliches Bewußtseyn statt finde, streite nicht gegen die Möglichkeit der Sache, da man auch willkührliche Bewegungen, z. B. Gehen, Schlucken u. dgl. sehr oft ohne Bewußtseyn verrichte.

Diese Meinung aber haben Boerhave und Haller mit wichtigen Gründen bestritten. Es steht doch nie in unserer Gewalt, die avtomatischen Bewegungen des Herzens und der Eingeweide nach Willkühr zu hemmen oder hervorzubringen, und selbst die Gemüthsbewegungen wirken darauf ganz unwillkührlich. Die willkührlichen Bewegungen hingegen stehen ganz und allezeit in unserer Gewalt. Fieber und Krisen der Krankheiten sind in unzählbaren Fällen dem Körper nicht heilsam, sondern eher zerstörlich für denfelben. Und daß im Körper allein keine Quelle der Bewegung liegen könne, ist bey unserer eingeschränkten Kenntniß der Kräste eine allzugewagte Behauptung, zumal da uns die Erfahrung so viele und so heftige Bewegungen zeigt, die durch Schwere, Elasticität u. dgl. in der Materie allein, ohne Zuthun geistiger Wesen erfolgen.

Haller schreibt vielmehr den Fleischfasern, als ein unterscheidendes Kennzeichen, eine Reizbarkest (irritabilitatem) zu, d. i. die Eigenschaft, sich bey jedem äußern Reize zusammenzuziehen, s. Fibern. Er glaubt, bey den avtomatischen Bewegungen entstehe dieser Reiz durch die Einrichtung der thierischen Oekonomie selbst, z. B. im Herzen durch das Blut, im Magen und den Gedärmen durch Luft und Speisen, in der Harnblase durch den Urin, in der Gallenblase durch die Galle rc.; bey den willkührlichen Bewegungen aber gewöhnlich durch die Nerven. Inzwischen können auch Muskeln, die sonst nur dem Willen der Seele oder der Wirkung der Nerven gehorchen, durch den Reiz einer Schärfe u. dgl., wie bey Convulsionen, in unwillkührliche Bewegungen versetzt werden.

Daß die willkührlichen Bewegungen vermittelst der Nerven hervorgebracht werden, ist ganz ohne Zweifel, da bey gedrückten, zerschnittnen oder unterbundenen Nerven die Glieder gelähmt werden. Wie aber dies geschehe, darüber


Verengerung des Augenſterns. Daß hiebey kein deutliches Bewußtſeyn ſtatt finde, ſtreite nicht gegen die Moͤglichkeit der Sache, da man auch willkuͤhrliche Bewegungen, z. B. Gehen, Schlucken u. dgl. ſehr oft ohne Bewußtſeyn verrichte.

Dieſe Meinung aber haben Boerhave und Haller mit wichtigen Gruͤnden beſtritten. Es ſteht doch nie in unſerer Gewalt, die avtomatiſchen Bewegungen des Herzens und der Eingeweide nach Willkuͤhr zu hemmen oder hervorzubringen, und ſelbſt die Gemuͤthsbewegungen wirken darauf ganz unwillkuͤhrlich. Die willkuͤhrlichen Bewegungen hingegen ſtehen ganz und allezeit in unſerer Gewalt. Fieber und Kriſen der Krankheiten ſind in unzaͤhlbaren Faͤllen dem Koͤrper nicht heilſam, ſondern eher zerſtoͤrlich fuͤr denfelben. Und daß im Koͤrper allein keine Quelle der Bewegung liegen koͤnne, iſt bey unſerer eingeſchraͤnkten Kenntniß der Kraͤſte eine allzugewagte Behauptung, zumal da uns die Erfahrung ſo viele und ſo heftige Bewegungen zeigt, die durch Schwere, Elaſticitaͤt u. dgl. in der Materie allein, ohne Zuthun geiſtiger Weſen erfolgen.

Haller ſchreibt vielmehr den Fleiſchfaſern, als ein unterſcheidendes Kennzeichen, eine Reizbarkeſt (irritabilitatem) zu, d. i. die Eigenſchaft, ſich bey jedem aͤußern Reize zuſammenzuziehen, ſ. Fibern. Er glaubt, bey den avtomatiſchen Bewegungen entſtehe dieſer Reiz durch die Einrichtung der thieriſchen Oekonomie ſelbſt, z. B. im Herzen durch das Blut, im Magen und den Gedaͤrmen durch Luft und Speiſen, in der Harnblaſe durch den Urin, in der Gallenblaſe durch die Galle rc.; bey den willkuͤhrlichen Bewegungen aber gewoͤhnlich durch die Nerven. Inzwiſchen koͤnnen auch Muſkeln, die ſonſt nur dem Willen der Seele oder der Wirkung der Nerven gehorchen, durch den Reiz einer Schaͤrfe u. dgl., wie bey Convulſionen, in unwillkuͤhrliche Bewegungen verſetzt werden.

Daß die willkuͤhrlichen Bewegungen vermittelſt der Nerven hervorgebracht werden, iſt ganz ohne Zweifel, da bey gedruͤckten, zerſchnittnen oder unterbundenen Nerven die Glieder gelaͤhmt werden. Wie aber dies geſchehe, daruͤber

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[302/0308] Verengerung des Augenſterns. Daß hiebey kein deutliches Bewußtſeyn ſtatt finde, ſtreite nicht gegen die Moͤglichkeit der Sache, da man auch willkuͤhrliche Bewegungen, z. B. Gehen, Schlucken u. dgl. ſehr oft ohne Bewußtſeyn verrichte. Dieſe Meinung aber haben Boerhave und Haller mit wichtigen Gruͤnden beſtritten. Es ſteht doch nie in unſerer Gewalt, die avtomatiſchen Bewegungen des Herzens und der Eingeweide nach Willkuͤhr zu hemmen oder hervorzubringen, und ſelbſt die Gemuͤthsbewegungen wirken darauf ganz unwillkuͤhrlich. Die willkuͤhrlichen Bewegungen hingegen ſtehen ganz und allezeit in unſerer Gewalt. Fieber und Kriſen der Krankheiten ſind in unzaͤhlbaren Faͤllen dem Koͤrper nicht heilſam, ſondern eher zerſtoͤrlich fuͤr denfelben. Und daß im Koͤrper allein keine Quelle der Bewegung liegen koͤnne, iſt bey unſerer eingeſchraͤnkten Kenntniß der Kraͤſte eine allzugewagte Behauptung, zumal da uns die Erfahrung ſo viele und ſo heftige Bewegungen zeigt, die durch Schwere, Elaſticitaͤt u. dgl. in der Materie allein, ohne Zuthun geiſtiger Weſen erfolgen. Haller ſchreibt vielmehr den Fleiſchfaſern, als ein unterſcheidendes Kennzeichen, eine Reizbarkeſt (irritabilitatem) zu, d. i. die Eigenſchaft, ſich bey jedem aͤußern Reize zuſammenzuziehen, ſ. Fibern. Er glaubt, bey den avtomatiſchen Bewegungen entſtehe dieſer Reiz durch die Einrichtung der thieriſchen Oekonomie ſelbſt, z. B. im Herzen durch das Blut, im Magen und den Gedaͤrmen durch Luft und Speiſen, in der Harnblaſe durch den Urin, in der Gallenblaſe durch die Galle rc.; bey den willkuͤhrlichen Bewegungen aber gewoͤhnlich durch die Nerven. Inzwiſchen koͤnnen auch Muſkeln, die ſonſt nur dem Willen der Seele oder der Wirkung der Nerven gehorchen, durch den Reiz einer Schaͤrfe u. dgl., wie bey Convulſionen, in unwillkuͤhrliche Bewegungen verſetzt werden. Daß die willkuͤhrlichen Bewegungen vermittelſt der Nerven hervorgebracht werden, iſt ganz ohne Zweifel, da bey gedruͤckten, zerſchnittnen oder unterbundenen Nerven die Glieder gelaͤhmt werden. Wie aber dies geſchehe, daruͤber

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/308>, abgerufen am 25.11.2024.