Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
"Es ist unbegreiflich, sährt man fort, daß sich eine "Materie mit so ungeheurer Geschwindigkeit, wie das Licht, "bewegen sollte." Dieser Einwurf sagr doch nichts weiter, als daß wir diese äußerst geschwinde Bewegung mit keiner andern bekannten vergleichen können. Dürfen wir aber wohl unsere eingeschränkten Kenntnisse und Vorstellungen zum Maaßstabe des Möglichen machen? "Ferner müßte eine solche Menge von Materie, die den "ganzen Himmelsraum einnimmt, und mit einer so ge"waltigen Geschwindigkeit bewegt wird, die Planeten in "ihrem Laufe stören." Euler, der hiebey Newton einer großen Inconsequenz beschuldiget, s. Aether, braucht dies eigentlich, als einen Defensivgrund für seine bald anzuführende Hypothese. Wenn die Newtonianer, sagt er, den Himmelsraum mit Lichtströmen anfüllen, so müssen sie mir auch erlauben, ihn mit Aether anzufüllen, ohne ihre Argumente für die Leere der Himmelsräume gegen mich zu brauchen. Hierinn scheint er auch Recht zu haben. Die Schwierigkeit ist eigentlich allen Systemen gemein, die das Licht nicht gar als eine Wirkung unkörperlicher Dinge ansehen. Sie läßt sich aber heben, wenn man nur die Materien dünn genug annimmt, wodurch der Widerstand unmerklich klein wird. Nun ist die große Dünne und Feinheit des Lichts im Emanationssystem außer allem Zweifel. Man muß nur nicht Verhältnisse darum für unbegreiflich halten, weil sie durch große Zahlen ausgedrückt werden, wie Euler thut, der doch selbst seinen Aether 387 Millionenmal dünner, als die Luft, setzen muß. "Auch müßten diese unzählbaren Lichtstralen, die sich "überall nach so vielen Richtungen durchkreuzen, einander "stoßen, sich in ihren Bewegungen aufhalten, oder einer "des andern Richtung ändern." Dies gründet sich wiederum auf die falsche Voraussetzung, daß das Licht in ununterbrochnen Strömen ausfließe. Man darf nur eine
”Es iſt unbegreiflich, ſaͤhrt man fort, daß ſich eine ”Materie mit ſo ungeheurer Geſchwindigkeit, wie das Licht, ”bewegen ſollte.“ Dieſer Einwurf ſagr doch nichts weiter, als daß wir dieſe aͤußerſt geſchwinde Bewegung mit keiner andern bekannten vergleichen koͤnnen. Duͤrfen wir aber wohl unſere eingeſchraͤnkten Kenntniſſe und Vorſtellungen zum Maaßſtabe des Moͤglichen machen? ”Ferner muͤßte eine ſolche Menge von Materie, die den ”ganzen Himmelsraum einnimmt, und mit einer ſo ge”waltigen Geſchwindigkeit bewegt wird, die Planeten in ”ihrem Laufe ſtoͤren.“ Euler, der hiebey Newton einer großen Inconſequenz beſchuldiget, ſ. Aether, braucht dies eigentlich, als einen Defenſivgrund fuͤr ſeine bald anzufuͤhrende Hypotheſe. Wenn die Newtonianer, ſagt er, den Himmelsraum mit Lichtſtroͤmen anfuͤllen, ſo muͤſſen ſie mir auch erlauben, ihn mit Aether anzufuͤllen, ohne ihre Argumente fuͤr die Leere der Himmelsraͤume gegen mich zu brauchen. Hierinn ſcheint er auch Recht zu haben. Die Schwierigkeit iſt eigentlich allen Syſtemen gemein, die das Licht nicht gar als eine Wirkung unkoͤrperlicher Dinge anſehen. Sie laͤßt ſich aber heben, wenn man nur die Materien duͤnn genug annimmt, wodurch der Widerſtand unmerklich klein wird. Nun iſt die große Duͤnne und Feinheit des Lichts im Emanationsſyſtem außer allem Zweifel. Man muß nur nicht Verhaͤltniſſe darum fuͤr unbegreiflich halten, weil ſie durch große Zahlen ausgedruͤckt werden, wie Euler thut, der doch ſelbſt ſeinen Aether 387 Millionenmal duͤnner, als die Luft, ſetzen muß. ”Auch muͤßten dieſe unzaͤhlbaren Lichtſtralen, die ſich ”uͤberall nach ſo vielen Richtungen durchkreuzen, einander ”ſtoßen, ſich in ihren Bewegungen aufhalten, oder einer ”des andern Richtung aͤndern.“ Dies gruͤndet ſich wiederum auf die falſche Vorausſetzung, daß das Licht in ununterbrochnen Stroͤmen ausfließe. Man darf nur eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0901" xml:id="P.2.895" n="895"/><lb/> Miſchung, Entwicklung von Luftgattungen, Vegetation rc. Veraͤnderungen hervor, die kein Kenner der Phyſik und Chymie in Zweifel ziehen wird.</p> <p>”Es iſt unbegreiflich, ſaͤhrt man fort, daß ſich eine ”Materie mit ſo ungeheurer Geſchwindigkeit, wie das Licht, ”bewegen ſollte.“ Dieſer Einwurf ſagr doch nichts weiter, als daß wir dieſe aͤußerſt geſchwinde Bewegung mit keiner andern bekannten vergleichen koͤnnen. Duͤrfen wir aber wohl unſere eingeſchraͤnkten Kenntniſſe und Vorſtellungen zum Maaßſtabe des Moͤglichen machen?</p> <p>”Ferner muͤßte eine ſolche Menge von Materie, die den ”ganzen Himmelsraum einnimmt, und mit einer ſo ge”waltigen Geſchwindigkeit bewegt wird, die Planeten in ”ihrem Laufe ſtoͤren.“ <hi rendition="#b">Euler,</hi> der hiebey Newton einer großen Inconſequenz beſchuldiget, <hi rendition="#b">ſ. Aether,</hi> braucht dies eigentlich, als einen Defenſivgrund fuͤr ſeine bald anzufuͤhrende Hypotheſe. Wenn die Newtonianer, ſagt er, den Himmelsraum mit Lichtſtroͤmen anfuͤllen, ſo muͤſſen ſie mir auch erlauben, ihn mit Aether anzufuͤllen, ohne ihre Argumente fuͤr die Leere der Himmelsraͤume gegen mich zu brauchen. Hierinn ſcheint er auch Recht zu haben. Die Schwierigkeit iſt eigentlich allen Syſtemen gemein, die das Licht nicht gar als eine Wirkung unkoͤrperlicher Dinge anſehen. Sie laͤßt ſich aber heben, wenn man nur die Materien duͤnn genug annimmt, wodurch der Widerſtand unmerklich klein wird. Nun iſt die große Duͤnne und Feinheit des Lichts im Emanationsſyſtem außer allem Zweifel. Man muß nur nicht Verhaͤltniſſe darum fuͤr unbegreiflich halten, weil ſie durch große Zahlen ausgedruͤckt werden, wie <hi rendition="#b">Euler</hi> thut, der doch ſelbſt ſeinen Aether 387 Millionenmal duͤnner, als die Luft, ſetzen muß.</p> <p>”Auch muͤßten dieſe unzaͤhlbaren Lichtſtralen, die ſich ”uͤberall nach ſo vielen Richtungen durchkreuzen, einander ”ſtoßen, ſich in ihren Bewegungen aufhalten, oder einer ”des andern Richtung aͤndern.“ Dies gruͤndet ſich wiederum auf die falſche Vorausſetzung, daß das Licht in ununterbrochnen Stroͤmen ausfließe. Man darf nur eine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [895/0901]
Miſchung, Entwicklung von Luftgattungen, Vegetation rc. Veraͤnderungen hervor, die kein Kenner der Phyſik und Chymie in Zweifel ziehen wird.
”Es iſt unbegreiflich, ſaͤhrt man fort, daß ſich eine ”Materie mit ſo ungeheurer Geſchwindigkeit, wie das Licht, ”bewegen ſollte.“ Dieſer Einwurf ſagr doch nichts weiter, als daß wir dieſe aͤußerſt geſchwinde Bewegung mit keiner andern bekannten vergleichen koͤnnen. Duͤrfen wir aber wohl unſere eingeſchraͤnkten Kenntniſſe und Vorſtellungen zum Maaßſtabe des Moͤglichen machen?
”Ferner muͤßte eine ſolche Menge von Materie, die den ”ganzen Himmelsraum einnimmt, und mit einer ſo ge”waltigen Geſchwindigkeit bewegt wird, die Planeten in ”ihrem Laufe ſtoͤren.“ Euler, der hiebey Newton einer großen Inconſequenz beſchuldiget, ſ. Aether, braucht dies eigentlich, als einen Defenſivgrund fuͤr ſeine bald anzufuͤhrende Hypotheſe. Wenn die Newtonianer, ſagt er, den Himmelsraum mit Lichtſtroͤmen anfuͤllen, ſo muͤſſen ſie mir auch erlauben, ihn mit Aether anzufuͤllen, ohne ihre Argumente fuͤr die Leere der Himmelsraͤume gegen mich zu brauchen. Hierinn ſcheint er auch Recht zu haben. Die Schwierigkeit iſt eigentlich allen Syſtemen gemein, die das Licht nicht gar als eine Wirkung unkoͤrperlicher Dinge anſehen. Sie laͤßt ſich aber heben, wenn man nur die Materien duͤnn genug annimmt, wodurch der Widerſtand unmerklich klein wird. Nun iſt die große Duͤnne und Feinheit des Lichts im Emanationsſyſtem außer allem Zweifel. Man muß nur nicht Verhaͤltniſſe darum fuͤr unbegreiflich halten, weil ſie durch große Zahlen ausgedruͤckt werden, wie Euler thut, der doch ſelbſt ſeinen Aether 387 Millionenmal duͤnner, als die Luft, ſetzen muß.
”Auch muͤßten dieſe unzaͤhlbaren Lichtſtralen, die ſich ”uͤberall nach ſo vielen Richtungen durchkreuzen, einander ”ſtoßen, ſich in ihren Bewegungen aufhalten, oder einer ”des andern Richtung aͤndern.“ Dies gruͤndet ſich wiederum auf die falſche Vorausſetzung, daß das Licht in ununterbrochnen Stroͤmen ausfließe. Man darf nur eine
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