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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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die Neigung des erdichten Theils gegen das Wasser nicht aufhebe, sondern sie vielmehr durch Verfeinerung der Erde noch mehr verstärke, daher die in der Kalkerde beteits angefangene salzartige Mischung im lebendigen Kalke noch vollkommner werde, wenn man ihn aufs neue mit Wasser vermische.

Durch die neuern Entdeckungen über die Luftsäure, s. Gas, mephitisches, ist diese Theorie weit mehr aufgeklärt und vollständiger gemacht worden. D. Black in Edinburgh (Exp. on Magnesia alba etc. in den Essays and obs. read before a Society in Edinb. Vol. II. p. 157.) zeigte im Jahre 1756 zuerst, daß die von ihm sogenannte fixe Luft hiebey eine sehr wichtige Rolle spiele, indem sie eben dasjenige ist, was aus dem rohen Kalke sowohl beym Brennen, als beym Aufgießen der Säuren, herausgeht. Er nahm den Kalk von Natur scharf und im Wasser auflöslich an, glaubte aber, daß die fixe Luft im rohen Kalke diese Schärfe und Auflöslichkeit vermindere, und mit ihm gleichsam ein Mittelsalz bilde. Durchs Brennen gehe die fixe Luft nebst dem Wasser, und dadurch zugleich ein Theil des Gewichts verloren; daher zeige nun der gebrannte Kalk seine Schärfe und Auflöslichkeit. An der Luft empfange er wieder fixe Luft, und kehre daher in den Zustand des rohen Kalks zurück. Das Aufbrausen mit den Säuren entstehe durch Entwicklung der fixen Luft, und falle beym lebendigen Kalke darum hinweg, weil dieser keine fixe Luft mehr enthalte. Die Kalkerde habe mehr Verwandschaft zur fixen Luft, als die Laugensalze; daher entziehe der gebrannte Kalk den letztern ihre fixe Luft, oder das, was sie vorher neutralisirte oder mild machte, werde aber dadurch selbst mild und in rohen Kalk verwandelt.

Diese Theorie ist durch die neuern Untersuchungen der Luftsäure immer mehr bestätiget worden. Nach Bergmann (De acido aereo, §. 11.) ist der rohe Kalk ein schwer auflösliches Mittelsalz, welches ohngefähr 55 Theile reine Kalkerde, 11 Theile Wasser und 34 Theile Luftsäure enthält. Durch das Brennen werden die Luftsäure und das Wasser herausgetrieben, daher auch Bergmann den rohen Kalk


die Neigung des erdichten Theils gegen das Waſſer nicht aufhebe, ſondern ſie vielmehr durch Verfeinerung der Erde noch mehr verſtaͤrke, daher die in der Kalkerde beteits angefangene ſalzartige Miſchung im lebendigen Kalke noch vollkommner werde, wenn man ihn aufs neue mit Waſſer vermiſche.

Durch die neuern Entdeckungen uͤber die Luftſaͤure, ſ. Gas, mephitiſches, iſt dieſe Theorie weit mehr aufgeklaͤrt und vollſtaͤndiger gemacht worden. D. Black in Edinburgh (Exp. on Magneſia alba etc. in den Eſſays and obſ. read before a Society in Edinb. Vol. II. p. 157.) zeigte im Jahre 1756 zuerſt, daß die von ihm ſogenannte fixe Luft hiebey eine ſehr wichtige Rolle ſpiele, indem ſie eben dasjenige iſt, was aus dem rohen Kalke ſowohl beym Brennen, als beym Aufgießen der Saͤuren, herausgeht. Er nahm den Kalk von Natur ſcharf und im Waſſer aufloͤslich an, glaubte aber, daß die fixe Luft im rohen Kalke dieſe Schaͤrfe und Aufloͤslichkeit vermindere, und mit ihm gleichſam ein Mittelſalz bilde. Durchs Brennen gehe die fixe Luft nebſt dem Waſſer, und dadurch zugleich ein Theil des Gewichts verloren; daher zeige nun der gebrannte Kalk ſeine Schaͤrfe und Aufloͤslichkeit. An der Luft empfange er wieder fixe Luft, und kehre daher in den Zuſtand des rohen Kalks zuruͤck. Das Aufbrauſen mit den Saͤuren entſtehe durch Entwicklung der fixen Luft, und falle beym lebendigen Kalke darum hinweg, weil dieſer keine fixe Luft mehr enthalte. Die Kalkerde habe mehr Verwandſchaft zur fixen Luft, als die Laugenſalze; daher entziehe der gebrannte Kalk den letztern ihre fixe Luft, oder das, was ſie vorher neutraliſirte oder mild machte, werde aber dadurch ſelbſt mild und in rohen Kalk verwandelt.

Dieſe Theorie iſt durch die neuern Unterſuchungen der Luftſaͤure immer mehr beſtaͤtiget worden. Nach Bergmann (De acido aëreo, §. 11.) iſt der rohe Kalk ein ſchwer aufloͤsliches Mittelſalz, welches ohngefaͤhr 55 Theile reine Kalkerde, 11 Theile Waſſer und 34 Theile Luftſaͤure enthaͤlt. Durch das Brennen werden die Luftſaͤure und das Waſſer herausgetrieben, daher auch Bergmann den rohen Kalk

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[731/0737] die Neigung des erdichten Theils gegen das Waſſer nicht aufhebe, ſondern ſie vielmehr durch Verfeinerung der Erde noch mehr verſtaͤrke, daher die in der Kalkerde beteits angefangene ſalzartige Miſchung im lebendigen Kalke noch vollkommner werde, wenn man ihn aufs neue mit Waſſer vermiſche. Durch die neuern Entdeckungen uͤber die Luftſaͤure, ſ. Gas, mephitiſches, iſt dieſe Theorie weit mehr aufgeklaͤrt und vollſtaͤndiger gemacht worden. D. Black in Edinburgh (Exp. on Magneſia alba etc. in den Eſſays and obſ. read before a Society in Edinb. Vol. II. p. 157.) zeigte im Jahre 1756 zuerſt, daß die von ihm ſogenannte fixe Luft hiebey eine ſehr wichtige Rolle ſpiele, indem ſie eben dasjenige iſt, was aus dem rohen Kalke ſowohl beym Brennen, als beym Aufgießen der Saͤuren, herausgeht. Er nahm den Kalk von Natur ſcharf und im Waſſer aufloͤslich an, glaubte aber, daß die fixe Luft im rohen Kalke dieſe Schaͤrfe und Aufloͤslichkeit vermindere, und mit ihm gleichſam ein Mittelſalz bilde. Durchs Brennen gehe die fixe Luft nebſt dem Waſſer, und dadurch zugleich ein Theil des Gewichts verloren; daher zeige nun der gebrannte Kalk ſeine Schaͤrfe und Aufloͤslichkeit. An der Luft empfange er wieder fixe Luft, und kehre daher in den Zuſtand des rohen Kalks zuruͤck. Das Aufbrauſen mit den Saͤuren entſtehe durch Entwicklung der fixen Luft, und falle beym lebendigen Kalke darum hinweg, weil dieſer keine fixe Luft mehr enthalte. Die Kalkerde habe mehr Verwandſchaft zur fixen Luft, als die Laugenſalze; daher entziehe der gebrannte Kalk den letztern ihre fixe Luft, oder das, was ſie vorher neutraliſirte oder mild machte, werde aber dadurch ſelbſt mild und in rohen Kalk verwandelt. Dieſe Theorie iſt durch die neuern Unterſuchungen der Luftſaͤure immer mehr beſtaͤtiget worden. Nach Bergmann (De acido aëreo, §. 11.) iſt der rohe Kalk ein ſchwer aufloͤsliches Mittelſalz, welches ohngefaͤhr 55 Theile reine Kalkerde, 11 Theile Waſſer und 34 Theile Luftſaͤure enthaͤlt. Durch das Brennen werden die Luftſaͤure und das Waſſer herausgetrieben, daher auch Bergmann den rohen Kalk

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/737>, abgerufen am 22.11.2024.