Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Johann Friedrich Meyer (Chymische Versuche zur nähern Erkenntniß des ungelöschten Kalks rc. Hannover, 1764. 1770. 8.) baute auf seine vielen und schätzbaren Versuche eine Theorie der Aetzbarkeit, deren Natur er in einer eignen im Küchenfeuer, nicht aber im Sonnenfeuer, enthaltenen Materie suchte. Er hielt diese Materie für das reinste, mit einer Säure verbundne Feuerwesen, und nannte sie das Kausticum oder die fette Säure (acidum pingue). Seiner Meynung nach dringt diese fette Säure aus dem Küchenfeuer beym Brennen, selbst durch die Gefäße, in den Kalk, macht ihn ätzend und im Wasser aufiöslich, entwickelt sich beym Löschen, verursacht die Erhitzung, geht vom Kalke in die Laugensalze über, theilt diesen die Aetzbarkeit mit u. s. w. Macquer setzt dieser Theorie die starken Gründe entgegen, daß das Feuer die Materien, mit denen es sich bindet, nicht ätzend mache, vielmehr durch ein solches Binden seine eigne Wirksamkeit verliere; daß sich das Kalkwasser, welches sich an der freyen Luft zersetzt, auch in verschloßnen Gefäßen zersetzen müßte, wenn das Kausticum durch die Wände der Gefäße dringen könnte; daß sich endlich die Kalksteine auch im Brennraume erhabner Gläser durch die Sonnenstralen in lebendigen Kalk verwandeln lassen, welchen Versuch Well (Rechtfertigung der Blackischen Lehre, Wien, 1771. 8.) zuerst angestellt hat. Da beym Brennen fast die Helfte des Gewichts der Kalksteine verloren geht, so scheint der rohe Kalk durch diese Operation vielmehr etwas zu verlieren, als anzunehmen. Schon Stahl hat nach Macquers Bemerkung die salzartigen Eigenschaften des Kalkes, so wie aller Salze, aus der Vereinigung des wäßrichten und erdichten Grundstoffs erklärt, und angenommen, daß das Brennen den wäßrichten Grundstoff hinwegführe, daß aber diese Trennung
Johann Friedrich Meyer (Chymiſche Verſuche zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 1770. 8.) baute auf ſeine vielen und ſchaͤtzbaren Verſuche eine Theorie der Aetzbarkeit, deren Natur er in einer eignen im Kuͤchenfeuer, nicht aber im Sonnenfeuer, enthaltenen Materie ſuchte. Er hielt dieſe Materie fuͤr das reinſte, mit einer Saͤure verbundne Feuerweſen, und nannte ſie das Kauſticum oder die fette Saͤure (acidum pingue). Seiner Meynung nach dringt dieſe fette Saͤure aus dem Kuͤchenfeuer beym Brennen, ſelbſt durch die Gefaͤße, in den Kalk, macht ihn aͤtzend und im Waſſer aufioͤslich, entwickelt ſich beym Loͤſchen, verurſacht die Erhitzung, geht vom Kalke in die Laugenſalze uͤber, theilt dieſen die Aetzbarkeit mit u. ſ. w. Macquer ſetzt dieſer Theorie die ſtarken Gruͤnde entgegen, daß das Feuer die Materien, mit denen es ſich bindet, nicht aͤtzend mache, vielmehr durch ein ſolches Binden ſeine eigne Wirkſamkeit verliere; daß ſich das Kalkwaſſer, welches ſich an der freyen Luft zerſetzt, auch in verſchloßnen Gefaͤßen zerſetzen muͤßte, wenn das Kauſticum durch die Waͤnde der Gefaͤße dringen koͤnnte; daß ſich endlich die Kalkſteine auch im Brennraume erhabner Glaͤſer durch die Sonnenſtralen in lebendigen Kalk verwandeln laſſen, welchen Verſuch Well (Rechtfertigung der Blackiſchen Lehre, Wien, 1771. 8.) zuerſt angeſtellt hat. Da beym Brennen faſt die Helfte des Gewichts der Kalkſteine verloren geht, ſo ſcheint der rohe Kalk durch dieſe Operation vielmehr etwas zu verlieren, als anzunehmen. Schon Stahl hat nach Macquers Bemerkung die ſalzartigen Eigenſchaften des Kalkes, ſo wie aller Salze, aus der Vereinigung des waͤßrichten und erdichten Grundſtoffs erklaͤrt, und angenommen, daß das Brennen den waͤßrichten Grundſtoff hinwegfuͤhre, daß aber dieſe Trennung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0736" xml:id="P.2.730" n="730"/><lb/> 1700.) und <hi rendition="#b">Lemery</hi> (ebend. <hi rendition="#aq">ann. 1709.)</hi> zu der Behauptung, daß ſich in den Zwiſchenraͤumen des Kalks Feuertheile, von dem Brennen her, eingeſchloſſen befaͤnden, einer Menge anderer, zum Theil thoͤrichter, Meinungen zu geſchweigen.</p> <p><hi rendition="#b">Johann Friedrich Meyer</hi> (Chymiſche Verſuche zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 1770. 8.) baute auf ſeine vielen und ſchaͤtzbaren Verſuche eine Theorie der Aetzbarkeit, deren Natur er in einer eignen im Kuͤchenfeuer, nicht aber im Sonnenfeuer, enthaltenen Materie ſuchte. Er hielt dieſe Materie fuͤr das reinſte, mit einer Saͤure verbundne Feuerweſen, und nannte ſie das <hi rendition="#b">Kauſticum</hi> oder die <hi rendition="#b">fette Saͤure</hi> <hi rendition="#aq">(acidum pingue).</hi> Seiner Meynung nach dringt dieſe fette Saͤure aus dem Kuͤchenfeuer beym Brennen, ſelbſt durch die Gefaͤße, in den Kalk, macht ihn aͤtzend und im Waſſer aufioͤslich, entwickelt ſich beym Loͤſchen, verurſacht die Erhitzung, geht vom Kalke in die Laugenſalze uͤber, theilt dieſen die Aetzbarkeit mit u. ſ. w. <hi rendition="#b">Macquer</hi> ſetzt dieſer Theorie die ſtarken Gruͤnde entgegen, daß das Feuer die Materien, mit denen es ſich bindet, nicht aͤtzend mache, vielmehr durch ein ſolches Binden ſeine eigne Wirkſamkeit verliere; daß ſich das Kalkwaſſer, welches ſich an der freyen Luft zerſetzt, auch in verſchloßnen Gefaͤßen zerſetzen muͤßte, wenn das Kauſticum durch die Waͤnde der Gefaͤße dringen koͤnnte; daß ſich endlich die Kalkſteine auch im Brennraume erhabner Glaͤſer durch die Sonnenſtralen in lebendigen Kalk verwandeln laſſen, welchen Verſuch <hi rendition="#b">Well</hi> (Rechtfertigung der Blackiſchen Lehre, Wien, 1771. 8.) zuerſt angeſtellt hat.</p> <p>Da beym Brennen faſt die Helfte des Gewichts der Kalkſteine verloren geht, ſo ſcheint der rohe Kalk durch dieſe Operation vielmehr etwas zu <hi rendition="#b">verlieren,</hi> als anzunehmen. Schon <hi rendition="#b">Stahl</hi> hat nach Macquers Bemerkung die ſalzartigen Eigenſchaften des Kalkes, ſo wie aller Salze, aus der Vereinigung des waͤßrichten und erdichten Grundſtoffs erklaͤrt, und angenommen, daß das Brennen den waͤßrichten Grundſtoff hinwegfuͤhre, daß aber dieſe Trennung<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [730/0736]
1700.) und Lemery (ebend. ann. 1709.) zu der Behauptung, daß ſich in den Zwiſchenraͤumen des Kalks Feuertheile, von dem Brennen her, eingeſchloſſen befaͤnden, einer Menge anderer, zum Theil thoͤrichter, Meinungen zu geſchweigen.
Johann Friedrich Meyer (Chymiſche Verſuche zur naͤhern Erkenntniß des ungeloͤſchten Kalks rc. Hannover, 1764. 1770. 8.) baute auf ſeine vielen und ſchaͤtzbaren Verſuche eine Theorie der Aetzbarkeit, deren Natur er in einer eignen im Kuͤchenfeuer, nicht aber im Sonnenfeuer, enthaltenen Materie ſuchte. Er hielt dieſe Materie fuͤr das reinſte, mit einer Saͤure verbundne Feuerweſen, und nannte ſie das Kauſticum oder die fette Saͤure (acidum pingue). Seiner Meynung nach dringt dieſe fette Saͤure aus dem Kuͤchenfeuer beym Brennen, ſelbſt durch die Gefaͤße, in den Kalk, macht ihn aͤtzend und im Waſſer aufioͤslich, entwickelt ſich beym Loͤſchen, verurſacht die Erhitzung, geht vom Kalke in die Laugenſalze uͤber, theilt dieſen die Aetzbarkeit mit u. ſ. w. Macquer ſetzt dieſer Theorie die ſtarken Gruͤnde entgegen, daß das Feuer die Materien, mit denen es ſich bindet, nicht aͤtzend mache, vielmehr durch ein ſolches Binden ſeine eigne Wirkſamkeit verliere; daß ſich das Kalkwaſſer, welches ſich an der freyen Luft zerſetzt, auch in verſchloßnen Gefaͤßen zerſetzen muͤßte, wenn das Kauſticum durch die Waͤnde der Gefaͤße dringen koͤnnte; daß ſich endlich die Kalkſteine auch im Brennraume erhabner Glaͤſer durch die Sonnenſtralen in lebendigen Kalk verwandeln laſſen, welchen Verſuch Well (Rechtfertigung der Blackiſchen Lehre, Wien, 1771. 8.) zuerſt angeſtellt hat.
Da beym Brennen faſt die Helfte des Gewichts der Kalkſteine verloren geht, ſo ſcheint der rohe Kalk durch dieſe Operation vielmehr etwas zu verlieren, als anzunehmen. Schon Stahl hat nach Macquers Bemerkung die ſalzartigen Eigenſchaften des Kalkes, ſo wie aller Salze, aus der Vereinigung des waͤßrichten und erdichten Grundſtoffs erklaͤrt, und angenommen, daß das Brennen den waͤßrichten Grundſtoff hinwegfuͤhre, daß aber dieſe Trennung
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