Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


vom Gebrauch der künstlichen Himmels- und Erdkugel, Breslau 1779. 8. 2te Aufl. 1785. 8.).

Freylich können diese Auflösungen der Natur der Sache nach keine Schärfe gewähren, und sind also, wo Genauigkeit erfordert wird, schlechterdings unzulänglich. Sie bleiben aber doch, wo man sich mit mittelmäßiger Richtigkeit befriedigen darf, äußerst bequem, und helfen sogar, wenn man schärfere Rechnungen anstellt, durch den bloßen sinnlichen Anblick entscheiden, ob z. B. die berechnete Seite eines Kugeldreyecks über oder unter 90°, ob der berechnete Winkel stumpf oder spitzig sey u. dgl., welches die Rechnung selbst in vielen Fällen unentschieden läßt. Wolfs Urtheil (Anfangsgr. der Astr. 2te Erkl. §. 11.), daß der Globus nur für die sey, welche nicht denken können oder wollen, ist übertrieben hart, und es wird nicht leicht ein praktischer Astronom den Gebrauch des Globus gänzlich aufgeben.

Die künstliche Himmelskugel, gehörig nach Ort und Zeit gestellt, zeigt, nach welcher Weltgegend und in welcher Höhe jedes Sternbild zu finden sey, und wird dadurch ein sehr gutes Hülfsmittel, die Sterne kennen zu lernen. Nur hat sie das Unbequeme, daß wir an ihr die Sterne auf der äußern oder erhabnen Seite finden, da der Himmel dieselben an der innern hohlen Fläche zeigt. Daher stehen auf dem Globus die Sternbilder verkehrt. Die Einbildungskraft aber hilft diesem Umstande leicht ab, und es scheint mir nicht der Mühe werth, blos dieserwegen Kugeln mit Oefnungen, durch die man in das Innere sehen kan, oder hohle Halbkugeln und Sternkegel zu gebrauchen, wo die Kreise und Sterne auf der innern Fläche verzeichnet sind, s. Sternkegel. Geschichte der künstlichen Himmels- und Erdkugeln.

Die Modelle der Himmelskugel bey den Alten, von welchen Fabricius (Biblioth. graeca, L. IV. c. 14. p. 455. sqq.) redet, scheinen größtentheils Armillarsphären gewesen zu seyn, s. Ringkugel. Diodor erklärt die Fabel


vom Gebrauch der kuͤnſtlichen Himmels- und Erdkugel, Breslau 1779. 8. 2te Aufl. 1785. 8.).

Freylich koͤnnen dieſe Aufloͤſungen der Natur der Sache nach keine Schaͤrfe gewaͤhren, und ſind alſo, wo Genauigkeit erfordert wird, ſchlechterdings unzulaͤnglich. Sie bleiben aber doch, wo man ſich mit mittelmaͤßiger Richtigkeit befriedigen darf, aͤußerſt bequem, und helfen ſogar, wenn man ſchaͤrfere Rechnungen anſtellt, durch den bloßen ſinnlichen Anblick entſcheiden, ob z. B. die berechnete Seite eines Kugeldreyecks uͤber oder unter 90°, ob der berechnete Winkel ſtumpf oder ſpitzig ſey u. dgl., welches die Rechnung ſelbſt in vielen Faͤllen unentſchieden laͤßt. Wolfs Urtheil (Anfangsgr. der Aſtr. 2te Erkl. §. 11.), daß der Globus nur fuͤr die ſey, welche nicht denken koͤnnen oder wollen, iſt uͤbertrieben hart, und es wird nicht leicht ein praktiſcher Aſtronom den Gebrauch des Globus gaͤnzlich aufgeben.

Die kuͤnſtliche Himmelskugel, gehoͤrig nach Ort und Zeit geſtellt, zeigt, nach welcher Weltgegend und in welcher Hoͤhe jedes Sternbild zu finden ſey, und wird dadurch ein ſehr gutes Huͤlfsmittel, die Sterne kennen zu lernen. Nur hat ſie das Unbequeme, daß wir an ihr die Sterne auf der aͤußern oder erhabnen Seite finden, da der Himmel dieſelben an der innern hohlen Flaͤche zeigt. Daher ſtehen auf dem Globus die Sternbilder verkehrt. Die Einbildungskraft aber hilft dieſem Umſtande leicht ab, und es ſcheint mir nicht der Muͤhe werth, blos dieſerwegen Kugeln mit Oefnungen, durch die man in das Innere ſehen kan, oder hohle Halbkugeln und Sternkegel zu gebrauchen, wo die Kreiſe und Sterne auf der innern Flaͤche verzeichnet ſind, ſ. Sternkegel. Geſchichte der kuͤnſtlichen Himmels- und Erdkugeln.

Die Modelle der Himmelskugel bey den Alten, von welchen Fabricius (Biblioth. graeca, L. IV. c. 14. p. 455. ſqq.) redet, ſcheinen groͤßtentheils Armillarſphaͤren geweſen zu ſeyn, ſ. Ringkugel. Diodor erklaͤrt die Fabel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0609" xml:id="P.2.603" n="603"/><lb/>
vom Gebrauch der ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Himmels- und Erdkugel, Breslau 1779. 8. 2te Aufl. 1785. 8.).</p>
            <p>Freylich ko&#x0364;nnen die&#x017F;e Auflo&#x0364;&#x017F;ungen der Natur der Sache nach keine Scha&#x0364;rfe gewa&#x0364;hren, und &#x017F;ind al&#x017F;o, wo Genauigkeit erfordert wird, &#x017F;chlechterdings unzula&#x0364;nglich. Sie bleiben aber doch, wo man &#x017F;ich mit mittelma&#x0364;ßiger Richtigkeit befriedigen darf, a&#x0364;ußer&#x017F;t bequem, und helfen &#x017F;ogar, wenn man &#x017F;cha&#x0364;rfere Rechnungen an&#x017F;tellt, durch den bloßen &#x017F;innlichen Anblick ent&#x017F;cheiden, ob z. B. die berechnete Seite eines Kugeldreyecks u&#x0364;ber oder unter 90°, ob der berechnete Winkel &#x017F;tumpf oder &#x017F;pitzig &#x017F;ey u. dgl., welches die Rechnung &#x017F;elb&#x017F;t in vielen Fa&#x0364;llen unent&#x017F;chieden la&#x0364;ßt. <hi rendition="#b">Wolfs</hi> Urtheil (Anfangsgr. der A&#x017F;tr. 2te Erkl. §. 11.), daß der Globus nur fu&#x0364;r die &#x017F;ey, welche nicht denken ko&#x0364;nnen oder wollen, i&#x017F;t u&#x0364;bertrieben hart, und es wird nicht leicht ein prakti&#x017F;cher A&#x017F;tronom den Gebrauch des Globus ga&#x0364;nzlich aufgeben.</p>
            <p>Die ku&#x0364;n&#x017F;tliche Himmelskugel, geho&#x0364;rig nach Ort und Zeit ge&#x017F;tellt, zeigt, nach welcher Weltgegend und in welcher Ho&#x0364;he jedes Sternbild zu finden &#x017F;ey, und wird dadurch ein &#x017F;ehr gutes Hu&#x0364;lfsmittel, die Sterne kennen zu lernen. Nur hat &#x017F;ie das Unbequeme, daß wir an ihr die Sterne auf der a&#x0364;ußern oder erhabnen Seite finden, da der Himmel die&#x017F;elben an der innern hohlen Fla&#x0364;che zeigt. Daher &#x017F;tehen auf dem Globus die Sternbilder verkehrt. Die Einbildungskraft aber hilft die&#x017F;em Um&#x017F;tande leicht ab, und es &#x017F;cheint mir nicht der Mu&#x0364;he werth, blos die&#x017F;erwegen Kugeln mit Oefnungen, durch die man in das Innere &#x017F;ehen kan, oder hohle Halbkugeln und Sternkegel zu gebrauchen, wo die Krei&#x017F;e und Sterne auf der innern Fla&#x0364;che verzeichnet &#x017F;ind, <hi rendition="#b">&#x017F;. Sternkegel.</hi> <hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Ge&#x017F;chichte der ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Himmels- und Erdkugeln.</hi></hi></p>
            <p>Die Modelle der Himmelskugel bey den Alten, von welchen <hi rendition="#b">Fabricius</hi> <hi rendition="#aq">(Biblioth. graeca, L. IV. c. 14. p. 455. &#x017F;qq.)</hi> redet, &#x017F;cheinen gro&#x0364;ßtentheils Armillar&#x017F;pha&#x0364;ren gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn, <hi rendition="#b">&#x017F;. Ringkugel. Diodor</hi> erkla&#x0364;rt die Fabel<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[603/0609] vom Gebrauch der kuͤnſtlichen Himmels- und Erdkugel, Breslau 1779. 8. 2te Aufl. 1785. 8.). Freylich koͤnnen dieſe Aufloͤſungen der Natur der Sache nach keine Schaͤrfe gewaͤhren, und ſind alſo, wo Genauigkeit erfordert wird, ſchlechterdings unzulaͤnglich. Sie bleiben aber doch, wo man ſich mit mittelmaͤßiger Richtigkeit befriedigen darf, aͤußerſt bequem, und helfen ſogar, wenn man ſchaͤrfere Rechnungen anſtellt, durch den bloßen ſinnlichen Anblick entſcheiden, ob z. B. die berechnete Seite eines Kugeldreyecks uͤber oder unter 90°, ob der berechnete Winkel ſtumpf oder ſpitzig ſey u. dgl., welches die Rechnung ſelbſt in vielen Faͤllen unentſchieden laͤßt. Wolfs Urtheil (Anfangsgr. der Aſtr. 2te Erkl. §. 11.), daß der Globus nur fuͤr die ſey, welche nicht denken koͤnnen oder wollen, iſt uͤbertrieben hart, und es wird nicht leicht ein praktiſcher Aſtronom den Gebrauch des Globus gaͤnzlich aufgeben. Die kuͤnſtliche Himmelskugel, gehoͤrig nach Ort und Zeit geſtellt, zeigt, nach welcher Weltgegend und in welcher Hoͤhe jedes Sternbild zu finden ſey, und wird dadurch ein ſehr gutes Huͤlfsmittel, die Sterne kennen zu lernen. Nur hat ſie das Unbequeme, daß wir an ihr die Sterne auf der aͤußern oder erhabnen Seite finden, da der Himmel dieſelben an der innern hohlen Flaͤche zeigt. Daher ſtehen auf dem Globus die Sternbilder verkehrt. Die Einbildungskraft aber hilft dieſem Umſtande leicht ab, und es ſcheint mir nicht der Muͤhe werth, blos dieſerwegen Kugeln mit Oefnungen, durch die man in das Innere ſehen kan, oder hohle Halbkugeln und Sternkegel zu gebrauchen, wo die Kreiſe und Sterne auf der innern Flaͤche verzeichnet ſind, ſ. Sternkegel. Geſchichte der kuͤnſtlichen Himmels- und Erdkugeln. Die Modelle der Himmelskugel bey den Alten, von welchen Fabricius (Biblioth. graeca, L. IV. c. 14. p. 455. ſqq.) redet, ſcheinen groͤßtentheils Armillarſphaͤren geweſen zu ſeyn, ſ. Ringkugel. Diodor erklaͤrt die Fabel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/609
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/609>, abgerufen am 24.07.2024.