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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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uns zu umgeben scheint, an dem sich, wenn es nicht von Wolken bedeckt wird, die Sonne und die Gestirne zeigen.

Die Sternkunde überzeugt uns, daß diese Wölbung eine bloße Erscheinung sey, obgleich das alte System des Aristoteles und der Scholastiker sie als eine wirkliche Hohlkugel betrachtete, und sogar mehrere feste Himmel oder in einander steckende Sphären von dieser Art annahm. Die copernikanische Weltordnung aber verschafte von den unermeßlichen Entfernungen und Größen der Fixsterne und des Weltraums richtigere Begriffe, mit welchen die alte Meynung von der Festigkeit der Himmel nicht mehr bestehen konnte; überdies sahe man auch die Kometen nach allerley Richtungen in Bahnen von ungemeiner Größe laufen, und die eingebildeten Sphären ungehindert durchschneiden. Descartes setzte daher an die Stelle der ehemaligen festen Himmel sein System des vollen Raumes und der Wirbel. Er dachte sich das ganze Weltgebäude als absolut erfüllt mit den Theilen seines zweyten Elements, welche um die Himmelskörper in unzählbaren Wirbeln mit schneller Bewegung umliefen. Newton hat endlich aus den Erscheinungen der Himmelskörper, aus den immer fortgesetzten Bewegungen der Planeten, aus ihrer nicht abnehmenden Geschwindigkeit, und aus dem freyen Durchgange der Kometen durch alle Gegenden des Himmels erwiesen, daß der Raum, in welchem sich die Himmelskörper bewegen, keine merklich widerstehende Materie enthalten könne, und daß sich darinn nichts, als das Licht, oder vielleicht eine äußerst feine elastische Flüßigkeit befinde, s. Aether.

In diesem Raume bewegen sich nun alle Himmelskörper, und unter ihnen auch die mit ihrem Luftkreise umgebne Erdkugel. Jedes Auge auf derselben blickt durch den Luftkreis hindurch in die grenzenlose Ferne des Himmels, und da diese Aussicht nach allen Seiten zu frey ist, außer da, wo sie durch die Erdfläche selbst unterbrochen wird, so entsteht daraus natürlich die Erscheinung einer das Auge


uns zu umgeben ſcheint, an dem ſich, wenn es nicht von Wolken bedeckt wird, die Sonne und die Geſtirne zeigen.

Die Sternkunde uͤberzeugt uns, daß dieſe Woͤlbung eine bloße Erſcheinung ſey, obgleich das alte Syſtem des Ariſtoteles und der Scholaſtiker ſie als eine wirkliche Hohlkugel betrachtete, und ſogar mehrere feſte Himmel oder in einander ſteckende Sphaͤren von dieſer Art annahm. Die copernikaniſche Weltordnung aber verſchafte von den unermeßlichen Entfernungen und Groͤßen der Fixſterne und des Weltraums richtigere Begriffe, mit welchen die alte Meynung von der Feſtigkeit der Himmel nicht mehr beſtehen konnte; uͤberdies ſahe man auch die Kometen nach allerley Richtungen in Bahnen von ungemeiner Groͤße laufen, und die eingebildeten Sphaͤren ungehindert durchſchneiden. Descartes ſetzte daher an die Stelle der ehemaligen feſten Himmel ſein Syſtem des vollen Raumes und der Wirbel. Er dachte ſich das ganze Weltgebaͤude als abſolut erfuͤllt mit den Theilen ſeines zweyten Elements, welche um die Himmelskoͤrper in unzaͤhlbaren Wirbeln mit ſchneller Bewegung umliefen. Newton hat endlich aus den Erſcheinungen der Himmelskoͤrper, aus den immer fortgeſetzten Bewegungen der Planeten, aus ihrer nicht abnehmenden Geſchwindigkeit, und aus dem freyen Durchgange der Kometen durch alle Gegenden des Himmels erwieſen, daß der Raum, in welchem ſich die Himmelskoͤrper bewegen, keine merklich widerſtehende Materie enthalten koͤnne, und daß ſich darinn nichts, als das Licht, oder vielleicht eine aͤußerſt feine elaſtiſche Fluͤßigkeit befinde, ſ. Aether.

In dieſem Raume bewegen ſich nun alle Himmelskoͤrper, und unter ihnen auch die mit ihrem Luftkreiſe umgebne Erdkugel. Jedes Auge auf derſelben blickt durch den Luftkreis hindurch in die grenzenloſe Ferne des Himmels, und da dieſe Ausſicht nach allen Seiten zu frey iſt, außer da, wo ſie durch die Erdflaͤche ſelbſt unterbrochen wird, ſo entſteht daraus natuͤrlich die Erſcheinung einer das Auge

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[592/0598] uns zu umgeben ſcheint, an dem ſich, wenn es nicht von Wolken bedeckt wird, die Sonne und die Geſtirne zeigen. Die Sternkunde uͤberzeugt uns, daß dieſe Woͤlbung eine bloße Erſcheinung ſey, obgleich das alte Syſtem des Ariſtoteles und der Scholaſtiker ſie als eine wirkliche Hohlkugel betrachtete, und ſogar mehrere feſte Himmel oder in einander ſteckende Sphaͤren von dieſer Art annahm. Die copernikaniſche Weltordnung aber verſchafte von den unermeßlichen Entfernungen und Groͤßen der Fixſterne und des Weltraums richtigere Begriffe, mit welchen die alte Meynung von der Feſtigkeit der Himmel nicht mehr beſtehen konnte; uͤberdies ſahe man auch die Kometen nach allerley Richtungen in Bahnen von ungemeiner Groͤße laufen, und die eingebildeten Sphaͤren ungehindert durchſchneiden. Descartes ſetzte daher an die Stelle der ehemaligen feſten Himmel ſein Syſtem des vollen Raumes und der Wirbel. Er dachte ſich das ganze Weltgebaͤude als abſolut erfuͤllt mit den Theilen ſeines zweyten Elements, welche um die Himmelskoͤrper in unzaͤhlbaren Wirbeln mit ſchneller Bewegung umliefen. Newton hat endlich aus den Erſcheinungen der Himmelskoͤrper, aus den immer fortgeſetzten Bewegungen der Planeten, aus ihrer nicht abnehmenden Geſchwindigkeit, und aus dem freyen Durchgange der Kometen durch alle Gegenden des Himmels erwieſen, daß der Raum, in welchem ſich die Himmelskoͤrper bewegen, keine merklich widerſtehende Materie enthalten koͤnne, und daß ſich darinn nichts, als das Licht, oder vielleicht eine aͤußerſt feine elaſtiſche Fluͤßigkeit befinde, ſ. Aether. In dieſem Raume bewegen ſich nun alle Himmelskoͤrper, und unter ihnen auch die mit ihrem Luftkreiſe umgebne Erdkugel. Jedes Auge auf derſelben blickt durch den Luftkreis hindurch in die grenzenloſe Ferne des Himmels, und da dieſe Ausſicht nach allen Seiten zu frey iſt, außer da, wo ſie durch die Erdflaͤche ſelbſt unterbrochen wird, ſo entſteht daraus natuͤrlich die Erſcheinung einer das Auge

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/598>, abgerufen am 15.06.2024.