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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Hebel, Vectis, Levier.

Wenn man sich an einer festen unbiegsamen Verbindung von Körpern drey Punkte gedenken kan, um deren einen, den Ruhepunkt, die ganze Verbindung sich drehen läßt, indem an den beyden andern Punkten zwo Kräfte einander entgegen wirken, so heißt diese Verbindung ein Hebel. Ein Beyspiel hievon giebt der Wagbalken, dessen Ruhepunkt in der Mitte liegt, indeß die Gewichte in beyden Wagschalen den Balken selbst nach entgegengesetzten Richtungen umzudrehen streben. Der Hebel ist die einfachste unter allen Maschinen, und seine Theorie liegt bey der Betrachtung aller übrigen zum Grunde.

Wenn man die Materie des Hebels nebst ihrem Gewichte bey Seite setzt, und sich die genannten drey Punkte blos durch mathematische Linien verbunden denkt, so heißt diese Verbindung ein mathematischer, und wenn alle drey Punkte in einer geraden Linie liegen, ein geradlinigter mathematischer Hebel, wie ACB Taf. X. Fig. 51., CAB Fig. 52. und CBA Fig. 53. Der Ruhepunkt C heißt auch der Bewegungs- oder Umdrehungspunkt (centrum motus, point d'appui), und das, worauf der Hebel in C liegt, die Unterlage (hypomochlium). In manchen Fällen, wie bey Fig. 52. wird es eine Ueberlage; oder es ist eigentlich als ein Zapfen anzusehen, um den sich der Hebel dreht, ohne auf- und abwärts weichen zu können.

Liegt der Ruhepunkt C zwischen den beyden andern Punkten A und B, an welchen die Kräfte angebracht sind, wie bey Fig. 51., so heißt dies ein Hebel der ersten Art, ein doppelarmichter oder zweyseitiger Hebel (vectis heterodromus), bey dessen Bewegung die Kräfte nach verschiedenen Seiten gehen, z. B. D fällt, wenn E steigt. Befindet sich aber der Ruhepunkt C an einem Ende wie Fig. 52. und 53., so ist es ein Hebel der andern Art, ein einarmichter, einseitiger Hebel (vectis homodromus), bey dessen Bewegung beyde Kräfte nach einerley Seite gehen. Hier ist nemlich in A eine aufwärts ziehende Kraft D angebracht, welche zugleich mit E|steigen und sinken muß.


Hebel, Vectis, Levier.

Wenn man ſich an einer feſten unbiegſamen Verbindung von Koͤrpern drey Punkte gedenken kan, um deren einen, den Ruhepunkt, die ganze Verbindung ſich drehen laͤßt, indem an den beyden andern Punkten zwo Kraͤfte einander entgegen wirken, ſo heißt dieſe Verbindung ein Hebel. Ein Beyſpiel hievon giebt der Wagbalken, deſſen Ruhepunkt in der Mitte liegt, indeß die Gewichte in beyden Wagſchalen den Balken ſelbſt nach entgegengeſetzten Richtungen umzudrehen ſtreben. Der Hebel iſt die einfachſte unter allen Maſchinen, und ſeine Theorie liegt bey der Betrachtung aller uͤbrigen zum Grunde.

Wenn man die Materie des Hebels nebſt ihrem Gewichte bey Seite ſetzt, und ſich die genannten drey Punkte blos durch mathematiſche Linien verbunden denkt, ſo heißt dieſe Verbindung ein mathematiſcher, und wenn alle drey Punkte in einer geraden Linie liegen, ein geradlinigter mathematiſcher Hebel, wie ACB Taf. X. Fig. 51., CAB Fig. 52. und CBA Fig. 53. Der Ruhepunkt C heißt auch der Bewegungs- oder Umdrehungspunkt (centrum motus, point d'appui), und das, worauf der Hebel in C liegt, die Unterlage (hypomochlium). In manchen Faͤllen, wie bey Fig. 52. wird es eine Ueberlage; oder es iſt eigentlich als ein Zapfen anzuſehen, um den ſich der Hebel dreht, ohne auf- und abwaͤrts weichen zu koͤnnen.

Liegt der Ruhepunkt C zwiſchen den beyden andern Punkten A und B, an welchen die Kraͤfte angebracht ſind, wie bey Fig. 51., ſo heißt dies ein Hebel der erſten Art, ein doppelarmichter oder zweyſeitiger Hebel (vectis heterodromus), bey deſſen Bewegung die Kraͤfte nach verſchiedenen Seiten gehen, z. B. D faͤllt, wenn E ſteigt. Befindet ſich aber der Ruhepunkt C an einem Ende wie Fig. 52. und 53., ſo iſt es ein Hebel der andern Art, ein einarmichter, einſeitiger Hebel (vectis homodromus), bey deſſen Bewegung beyde Kraͤfte nach einerley Seite gehen. Hier iſt nemlich in A eine aufwaͤrts ziehende Kraft D angebracht, welche zugleich mit E|ſteigen und ſinken muß.

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[565/0571] Hebel, Vectis, Levier. Wenn man ſich an einer feſten unbiegſamen Verbindung von Koͤrpern drey Punkte gedenken kan, um deren einen, den Ruhepunkt, die ganze Verbindung ſich drehen laͤßt, indem an den beyden andern Punkten zwo Kraͤfte einander entgegen wirken, ſo heißt dieſe Verbindung ein Hebel. Ein Beyſpiel hievon giebt der Wagbalken, deſſen Ruhepunkt in der Mitte liegt, indeß die Gewichte in beyden Wagſchalen den Balken ſelbſt nach entgegengeſetzten Richtungen umzudrehen ſtreben. Der Hebel iſt die einfachſte unter allen Maſchinen, und ſeine Theorie liegt bey der Betrachtung aller uͤbrigen zum Grunde. Wenn man die Materie des Hebels nebſt ihrem Gewichte bey Seite ſetzt, und ſich die genannten drey Punkte blos durch mathematiſche Linien verbunden denkt, ſo heißt dieſe Verbindung ein mathematiſcher, und wenn alle drey Punkte in einer geraden Linie liegen, ein geradlinigter mathematiſcher Hebel, wie ACB Taf. X. Fig. 51., CAB Fig. 52. und CBA Fig. 53. Der Ruhepunkt C heißt auch der Bewegungs- oder Umdrehungspunkt (centrum motus, point d'appui), und das, worauf der Hebel in C liegt, die Unterlage (hypomochlium). In manchen Faͤllen, wie bey Fig. 52. wird es eine Ueberlage; oder es iſt eigentlich als ein Zapfen anzuſehen, um den ſich der Hebel dreht, ohne auf- und abwaͤrts weichen zu koͤnnen. Liegt der Ruhepunkt C zwiſchen den beyden andern Punkten A und B, an welchen die Kraͤfte angebracht ſind, wie bey Fig. 51., ſo heißt dies ein Hebel der erſten Art, ein doppelarmichter oder zweyſeitiger Hebel (vectis heterodromus), bey deſſen Bewegung die Kraͤfte nach verſchiedenen Seiten gehen, z. B. D faͤllt, wenn E ſteigt. Befindet ſich aber der Ruhepunkt C an einem Ende wie Fig. 52. und 53., ſo iſt es ein Hebel der andern Art, ein einarmichter, einſeitiger Hebel (vectis homodromus), bey deſſen Bewegung beyde Kraͤfte nach einerley Seite gehen. Hier iſt nemlich in A eine aufwaͤrts ziehende Kraft D angebracht, welche zugleich mit E|ſteigen und ſinken muß.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/571>, abgerufen am 16.06.2024.