Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Ränder der Halbkugel ward ein mit Wachs und Terpentin getränkter lederner Ring gelegt.

Diese Halbkugeln legte Guerike auf einander, und zog bey geöfnetem Hahne, vermittelst seiner Luftpumpe, die Luft aus dem innern Raume schnell heraus, wodurch beyde stark an einander gedrückt, und wenn man den Hahn verschloß und sie abnahm, vom Drucke der äußern Luft so fest vereiniget wurden, daß 16 Pferde sie nur mit Mühe aus einander reißen konnten, wobey man einen Knall, wie einen Büchsenschuß, hörte. Oefnete man aber durch Umdrehung des Hahns der äußern Luft den Zugang, so konnte sie Jedermann leicht mit der bloßen Hand aus einander bringen. Guerike berechnet den Druck der Luft auf den größten Kreis jeder Halbkugel zu 2686 Pfund; welches aber zu viel ist, weil er die Wassersäule, die der Atmosphäre gleich wiegt, 20 Ellen hoch annimmt, da sie doch nur 32 rheinl. Schuhe zur Höhe hat. Ueberdies war auch der innere Raum bey weitem nicht völlig leer von Luft, und es ist also noch der Gegendruck der zurückgebliebenen innern Luft abzuziehen. Die 2686 Pfund auf 8 Pferde, die an jeder Halbkugel zogen, vertheilt, gäben auf jedes 336 Pfund. Da man nun die Kraft eines Pferdes im horizontalen Zuge nur 175 Pfund rechnen kan, so wäre es unmöglich gewesen, die Kugeln durch 16 Pferde aus einander zu reißen, wenn Guerikens Rechnung richtig, und sein Vacuum vollkommen gewesen wäre.

Er ließ nachher zwo noch größere Halbkugeln, von einer ganzen Elle im Durchmesser verfertigen, welche von 24--30 Pferden nicht aus einander gebracht werden konnten. Die kleinern brachte er auch an einem festen Gestelle in seinem Hofe an, wo sie mehrere Centner Gewichte trugen, ohne aus einander zu gehen.

Diese Versuche zeigte Guerike schon im Jahre 1654. auf dem Reichstage zu Regensburg in Gegenwart des Kaisers Ferdinand des Dritten und vieler Großen des Reichs, wodurch die Erfindung der Luftpumpe bekannter und die Lehre vom Drucke der Luft mehr ausgebreitet ward. Weil also diese Halbkugeln in der Geschichte der Physik merkwürdig


Raͤnder der Halbkugel ward ein mit Wachs und Terpentin getraͤnkter lederner Ring gelegt.

Dieſe Halbkugeln legte Guerike auf einander, und zog bey geoͤfnetem Hahne, vermittelſt ſeiner Luftpumpe, die Luft aus dem innern Raume ſchnell heraus, wodurch beyde ſtark an einander gedruͤckt, und wenn man den Hahn verſchloß und ſie abnahm, vom Drucke der aͤußern Luft ſo feſt vereiniget wurden, daß 16 Pferde ſie nur mit Muͤhe aus einander reißen konnten, wobey man einen Knall, wie einen Buͤchſenſchuß, hoͤrte. Oefnete man aber durch Umdrehung des Hahns der aͤußern Luft den Zugang, ſo konnte ſie Jedermann leicht mit der bloßen Hand aus einander bringen. Guerike berechnet den Druck der Luft auf den groͤßten Kreis jeder Halbkugel zu 2686 Pfund; welches aber zu viel iſt, weil er die Waſſerſaͤule, die der Atmoſphaͤre gleich wiegt, 20 Ellen hoch annimmt, da ſie doch nur 32 rheinl. Schuhe zur Hoͤhe hat. Ueberdies war auch der innere Raum bey weitem nicht voͤllig leer von Luft, und es iſt alſo noch der Gegendruck der zuruͤckgebliebenen innern Luft abzuziehen. Die 2686 Pfund auf 8 Pferde, die an jeder Halbkugel zogen, vertheilt, gaͤben auf jedes 336 Pfund. Da man nun die Kraft eines Pferdes im horizontalen Zuge nur 175 Pfund rechnen kan, ſo waͤre es unmoͤglich geweſen, die Kugeln durch 16 Pferde aus einander zu reißen, wenn Guerikens Rechnung richtig, und ſein Vacuum vollkommen geweſen waͤre.

Er ließ nachher zwo noch groͤßere Halbkugeln, von einer ganzen Elle im Durchmeſſer verfertigen, welche von 24—30 Pferden nicht aus einander gebracht werden konnten. Die kleinern brachte er auch an einem feſten Geſtelle in ſeinem Hofe an, wo ſie mehrere Centner Gewichte trugen, ohne aus einander zu gehen.

Dieſe Verſuche zeigte Guerike ſchon im Jahre 1654. auf dem Reichstage zu Regensburg in Gegenwart des Kaiſers Ferdinand des Dritten und vieler Großen des Reichs, wodurch die Erfindung der Luftpumpe bekannter und die Lehre vom Drucke der Luft mehr ausgebreitet ward. Weil alſo dieſe Halbkugeln in der Geſchichte der Phyſik merkwuͤrdig

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0563" xml:id="P.2.557" n="557"/><lb/>
Ra&#x0364;nder der Halbkugel ward ein mit Wachs und Terpentin getra&#x0364;nkter lederner Ring gelegt.</p>
            <p>Die&#x017F;e Halbkugeln legte Guerike auf einander, und zog bey geo&#x0364;fnetem Hahne, vermittel&#x017F;t &#x017F;einer Luftpumpe, die Luft aus dem innern Raume &#x017F;chnell heraus, wodurch beyde &#x017F;tark an einander gedru&#x0364;ckt, und wenn man den Hahn ver&#x017F;chloß und &#x017F;ie abnahm, vom Drucke der a&#x0364;ußern Luft &#x017F;o fe&#x017F;t vereiniget wurden, daß 16 Pferde &#x017F;ie nur mit Mu&#x0364;he aus einander reißen konnten, wobey man einen Knall, wie einen Bu&#x0364;ch&#x017F;en&#x017F;chuß, ho&#x0364;rte. Oefnete man aber durch Umdrehung des Hahns der a&#x0364;ußern Luft den Zugang, &#x017F;o konnte &#x017F;ie Jedermann leicht mit der bloßen Hand aus einander bringen. <hi rendition="#b">Guerike</hi> berechnet den Druck der Luft auf den gro&#x0364;ßten Kreis jeder Halbkugel zu 2686 Pfund; welches aber zu viel i&#x017F;t, weil er die Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;a&#x0364;ule, die der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re gleich wiegt, 20 Ellen hoch annimmt, da &#x017F;ie doch nur 32 rheinl. Schuhe zur Ho&#x0364;he hat. Ueberdies war auch der innere Raum bey weitem nicht vo&#x0364;llig leer von Luft, und es i&#x017F;t al&#x017F;o noch der Gegendruck der zuru&#x0364;ckgebliebenen innern Luft abzuziehen. Die 2686 Pfund auf 8 Pferde, die an jeder Halbkugel zogen, vertheilt, ga&#x0364;ben auf jedes 336 Pfund. Da man nun die Kraft eines Pferdes im horizontalen Zuge nur 175 Pfund rechnen kan, &#x017F;o wa&#x0364;re es unmo&#x0364;glich gewe&#x017F;en, die Kugeln durch 16 Pferde aus einander zu reißen, wenn Guerikens Rechnung richtig, und &#x017F;ein Vacuum vollkommen gewe&#x017F;en wa&#x0364;re.</p>
            <p>Er ließ nachher zwo noch gro&#x0364;ßere Halbkugeln, von einer ganzen Elle im Durchme&#x017F;&#x017F;er verfertigen, welche von 24&#x2014;30 Pferden nicht aus einander gebracht werden konnten. Die kleinern brachte er auch an einem fe&#x017F;ten Ge&#x017F;telle in &#x017F;einem Hofe an, wo &#x017F;ie mehrere Centner Gewichte trugen, ohne aus einander zu gehen.</p>
            <p>Die&#x017F;e Ver&#x017F;uche zeigte <hi rendition="#b">Guerike</hi> &#x017F;chon im Jahre 1654. auf dem Reichstage zu Regensburg in Gegenwart des Kai&#x017F;ers Ferdinand des Dritten und vieler Großen des Reichs, wodurch die Erfindung der Luftpumpe bekannter und die Lehre vom Drucke der Luft mehr ausgebreitet ward. Weil al&#x017F;o die&#x017F;e Halbkugeln in der Ge&#x017F;chichte der Phy&#x017F;ik merkwu&#x0364;rdig<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[557/0563] Raͤnder der Halbkugel ward ein mit Wachs und Terpentin getraͤnkter lederner Ring gelegt. Dieſe Halbkugeln legte Guerike auf einander, und zog bey geoͤfnetem Hahne, vermittelſt ſeiner Luftpumpe, die Luft aus dem innern Raume ſchnell heraus, wodurch beyde ſtark an einander gedruͤckt, und wenn man den Hahn verſchloß und ſie abnahm, vom Drucke der aͤußern Luft ſo feſt vereiniget wurden, daß 16 Pferde ſie nur mit Muͤhe aus einander reißen konnten, wobey man einen Knall, wie einen Buͤchſenſchuß, hoͤrte. Oefnete man aber durch Umdrehung des Hahns der aͤußern Luft den Zugang, ſo konnte ſie Jedermann leicht mit der bloßen Hand aus einander bringen. Guerike berechnet den Druck der Luft auf den groͤßten Kreis jeder Halbkugel zu 2686 Pfund; welches aber zu viel iſt, weil er die Waſſerſaͤule, die der Atmoſphaͤre gleich wiegt, 20 Ellen hoch annimmt, da ſie doch nur 32 rheinl. Schuhe zur Hoͤhe hat. Ueberdies war auch der innere Raum bey weitem nicht voͤllig leer von Luft, und es iſt alſo noch der Gegendruck der zuruͤckgebliebenen innern Luft abzuziehen. Die 2686 Pfund auf 8 Pferde, die an jeder Halbkugel zogen, vertheilt, gaͤben auf jedes 336 Pfund. Da man nun die Kraft eines Pferdes im horizontalen Zuge nur 175 Pfund rechnen kan, ſo waͤre es unmoͤglich geweſen, die Kugeln durch 16 Pferde aus einander zu reißen, wenn Guerikens Rechnung richtig, und ſein Vacuum vollkommen geweſen waͤre. Er ließ nachher zwo noch groͤßere Halbkugeln, von einer ganzen Elle im Durchmeſſer verfertigen, welche von 24—30 Pferden nicht aus einander gebracht werden konnten. Die kleinern brachte er auch an einem feſten Geſtelle in ſeinem Hofe an, wo ſie mehrere Centner Gewichte trugen, ohne aus einander zu gehen. Dieſe Verſuche zeigte Guerike ſchon im Jahre 1654. auf dem Reichstage zu Regensburg in Gegenwart des Kaiſers Ferdinand des Dritten und vieler Großen des Reichs, wodurch die Erfindung der Luftpumpe bekannter und die Lehre vom Drucke der Luft mehr ausgebreitet ward. Weil alſo dieſe Halbkugeln in der Geſchichte der Phyſik merkwuͤrdig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/563
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/563>, abgerufen am 15.06.2024.