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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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hinaus, so daß es von außen wieder herablaufen könnte, so kurz auch die Röhre seyn mag.

4) Wenn man ein Haarröhrchen in verschiedne Liquoren taucht, so steigen sie zwar alle darinn, aber auf verschiedene Höhen. Dabey findet die Regel nicht statt, daß die schwersten am wenigsten steigen; der leichtere Weingeist z. B. steigt weniger, als das schwerere Salzwasser.

5) Taucht man hingegen das Haarrohr in Quecksilber, so steht dieses darinn niedriger, als von außen, und dies um desto mehr, je enger das Haarrohr ist.

Wenn man diese Erscheinungen mit demjenigen zusammenhält, was bey dem Worte: Adhäsion im ersten Theile dieses Wörterbuchs, S. 45. u. f. gesagt worden ist, so begreift man ihre Ursache ganz leicht, und die Unmöglichkeit, sie auf eine andere Art zu erklären, zeigt zugleich das wirkliche Daseyn eines Anhängens der Körper an einander, über dessen Ursache wir weiter keine Erklärung geben können.

1) Das Wasser steigt an den Seiten der Glasröhre, wie an den Rändern aller gläsernen Gefäße, darum in die Höhe, weil es vom Glase stärker angezogen wird, als seine Theile unter einander selbst zusammenhängen. Weil nun die Röhre eng ist, so fließen diese ringsherum aufgestiegnen Wasserberge in einander, und bilden eine ganze Masse, welche wiederum vom Glase stärker angezogen, als von dem übrigen Wasser zurückgehalten wird u. s. w., bis endlich das immer vergrößerte Gewicht der aufgestiegnen Wassersäule mit dem Zusammenhange zugleich der Anziehung des Glases das Gleichgewicht hält.

2) Je enger die Röhre ist, desto geringer ist dieses Gewicht der Wassersäule, welche von dem Anhängen am Glase getragen wird, desto größer hingegen die Anzahl der Punkte, womit jede gleich große Wassermasse das Glas berührt; desto höher kan also diese Säule werden, ehe das Gleichgewicht erfolgt. Ist der Durchmesser eines Haarröhrchens doppelt so groß, als der Durchmesser eines andern, so ist zwar das Gewicht der Wassersäule bey einerley Höhe viermal größer, und das Wasser sollte also nur bis


hinaus, ſo daß es von außen wieder herablaufen koͤnnte, ſo kurz auch die Roͤhre ſeyn mag.

4) Wenn man ein Haarroͤhrchen in verſchiedne Liquoren taucht, ſo ſteigen ſie zwar alle darinn, aber auf verſchiedene Hoͤhen. Dabey findet die Regel nicht ſtatt, daß die ſchwerſten am wenigſten ſteigen; der leichtere Weingeiſt z. B. ſteigt weniger, als das ſchwerere Salzwaſſer.

5) Taucht man hingegen das Haarrohr in Queckſilber, ſo ſteht dieſes darinn niedriger, als von außen, und dies um deſto mehr, je enger das Haarrohr iſt.

Wenn man dieſe Erſcheinungen mit demjenigen zuſammenhaͤlt, was bey dem Worte: Adhaͤſion im erſten Theile dieſes Woͤrterbuchs, S. 45. u. f. geſagt worden iſt, ſo begreift man ihre Urſache ganz leicht, und die Unmoͤglichkeit, ſie auf eine andere Art zu erklaͤren, zeigt zugleich das wirkliche Daſeyn eines Anhaͤngens der Koͤrper an einander, uͤber deſſen Urſache wir weiter keine Erklaͤrung geben koͤnnen.

1) Das Waſſer ſteigt an den Seiten der Glasroͤhre, wie an den Raͤndern aller glaͤſernen Gefaͤße, darum in die Hoͤhe, weil es vom Glaſe ſtaͤrker angezogen wird, als ſeine Theile unter einander ſelbſt zuſammenhaͤngen. Weil nun die Roͤhre eng iſt, ſo fließen dieſe ringsherum aufgeſtiegnen Waſſerberge in einander, und bilden eine ganze Maſſe, welche wiederum vom Glaſe ſtaͤrker angezogen, als von dem uͤbrigen Waſſer zuruͤckgehalten wird u. ſ. w., bis endlich das immer vergroͤßerte Gewicht der aufgeſtiegnen Waſſerſaͤule mit dem Zuſammenhange zugleich der Anziehung des Glaſes das Gleichgewicht haͤlt.

2) Je enger die Roͤhre iſt, deſto geringer iſt dieſes Gewicht der Waſſerſaͤule, welche von dem Anhaͤngen am Glaſe getragen wird, deſto groͤßer hingegen die Anzahl der Punkte, womit jede gleich große Waſſermaſſe das Glas beruͤhrt; deſto hoͤher kan alſo dieſe Saͤule werden, ehe das Gleichgewicht erfolgt. Iſt der Durchmeſſer eines Haarroͤhrchens doppelt ſo groß, als der Durchmeſſer eines andern, ſo iſt zwar das Gewicht der Waſſerſaͤule bey einerley Hoͤhe viermal groͤßer, und das Waſſer ſollte alſo nur bis

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[546/0552] hinaus, ſo daß es von außen wieder herablaufen koͤnnte, ſo kurz auch die Roͤhre ſeyn mag. 4) Wenn man ein Haarroͤhrchen in verſchiedne Liquoren taucht, ſo ſteigen ſie zwar alle darinn, aber auf verſchiedene Hoͤhen. Dabey findet die Regel nicht ſtatt, daß die ſchwerſten am wenigſten ſteigen; der leichtere Weingeiſt z. B. ſteigt weniger, als das ſchwerere Salzwaſſer. 5) Taucht man hingegen das Haarrohr in Queckſilber, ſo ſteht dieſes darinn niedriger, als von außen, und dies um deſto mehr, je enger das Haarrohr iſt. Wenn man dieſe Erſcheinungen mit demjenigen zuſammenhaͤlt, was bey dem Worte: Adhaͤſion im erſten Theile dieſes Woͤrterbuchs, S. 45. u. f. geſagt worden iſt, ſo begreift man ihre Urſache ganz leicht, und die Unmoͤglichkeit, ſie auf eine andere Art zu erklaͤren, zeigt zugleich das wirkliche Daſeyn eines Anhaͤngens der Koͤrper an einander, uͤber deſſen Urſache wir weiter keine Erklaͤrung geben koͤnnen. 1) Das Waſſer ſteigt an den Seiten der Glasroͤhre, wie an den Raͤndern aller glaͤſernen Gefaͤße, darum in die Hoͤhe, weil es vom Glaſe ſtaͤrker angezogen wird, als ſeine Theile unter einander ſelbſt zuſammenhaͤngen. Weil nun die Roͤhre eng iſt, ſo fließen dieſe ringsherum aufgeſtiegnen Waſſerberge in einander, und bilden eine ganze Maſſe, welche wiederum vom Glaſe ſtaͤrker angezogen, als von dem uͤbrigen Waſſer zuruͤckgehalten wird u. ſ. w., bis endlich das immer vergroͤßerte Gewicht der aufgeſtiegnen Waſſerſaͤule mit dem Zuſammenhange zugleich der Anziehung des Glaſes das Gleichgewicht haͤlt. 2) Je enger die Roͤhre iſt, deſto geringer iſt dieſes Gewicht der Waſſerſaͤule, welche von dem Anhaͤngen am Glaſe getragen wird, deſto groͤßer hingegen die Anzahl der Punkte, womit jede gleich große Waſſermaſſe das Glas beruͤhrt; deſto hoͤher kan alſo dieſe Saͤule werden, ehe das Gleichgewicht erfolgt. Iſt der Durchmeſſer eines Haarroͤhrchens doppelt ſo groß, als der Durchmeſſer eines andern, ſo iſt zwar das Gewicht der Waſſerſaͤule bey einerley Hoͤhe viermal groͤßer, und das Waſſer ſollte alſo nur bis

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/552>, abgerufen am 25.11.2024.