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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Phänomen die Namen der Schwerkraft und der allgememen Schwere sehr schicklich. Diese Benennungen sind zwar weit besser gewählt, als der auf irrige Nebenbegriffe führende Name der Attraction. Welchen Namen man aber auch wählen mag, so muß man nie vergessen, daß derselbe blos das Phänomen bezeichnen, nicht die physische Ursache desselben angeben soll, welche uns noch bisher gänzlich unbekannt ist. Es muß uns genug seyn zu wissen, und durch unzählbare Erfahrungen bestätiget zu sehen, daß alle im Weltraume vorhandene Materie gegen einander nach gewissen sehr bestimmten Gesetzen schwer ist; wir müssen aber nicht glauben, durch die Worte: Attraction, Gravitation, Schwerkraft rc. die Ursache hievon, und den Mechanismus, wodurch die Schwere bewirkt wird, erklärt zu haben.

Der Begrif einer allgemeinen Schwere fand sich schon in den Schulen der griechischen Weltweisen. Gregory (Elem. astr. phys. et geometr. in praefat.) hat viele dies beweisende Stellen der Alten gesammelt, wovon aber die meisten vielmehr die Meynung von der Mehrheit der Welten betreffen. Anaxagoras schrieb den Himmelskörpern eine Schwere gegen die Erde zu, die er für den Mittelpunkt ihrer Bewegungen annahm, und beantwortete die Frage warum sie nicht herabfielen, damit, daß ihre Kreisbewegung es verhindere. Aus dem Luctez sieht man, daß die allgemeine Schwere ein Grundsatz des epikureischen Systems gewesen sey. Dieser Dichter zieht daraus (De rer. nat. I. v. 983 sqq.) die kühne Folgerung, daß die Welt ohne Grenzen sey; denn, sagt er, wenn es eine Grenze derselben gäbe, so würden die Körper daselbst gegen keine äußern weiter schwer seyn, also von ihrer Schwere gegen die innern herabgetrieben werden, und längst in der Mitte des Ganzen zusammengekommen seyn.

Praeterea spatium sommai totius omne

Undique si inclusum certis consisteret oris,

Finitumque foret, jam copia materiai

Undique ponderibus solidis confluxet ad imum

Nec foret omnino coelum, neque lumina solis;


Phaͤnomen die Namen der Schwerkraft und der allgememen Schwere ſehr ſchicklich. Dieſe Benennungen ſind zwar weit beſſer gewaͤhlt, als der auf irrige Nebenbegriffe fuͤhrende Name der Attraction. Welchen Namen man aber auch waͤhlen mag, ſo muß man nie vergeſſen, daß derſelbe blos das Phaͤnomen bezeichnen, nicht die phyſiſche Urſache deſſelben angeben ſoll, welche uns noch bisher gaͤnzlich unbekannt iſt. Es muß uns genug ſeyn zu wiſſen, und durch unzaͤhlbare Erfahrungen beſtaͤtiget zu ſehen, daß alle im Weltraume vorhandene Materie gegen einander nach gewiſſen ſehr beſtimmten Geſetzen ſchwer iſt; wir muͤſſen aber nicht glauben, durch die Worte: Attraction, Gravitation, Schwerkraft rc. die Urſache hievon, und den Mechaniſmus, wodurch die Schwere bewirkt wird, erklaͤrt zu haben.

Der Begrif einer allgemeinen Schwere fand ſich ſchon in den Schulen der griechiſchen Weltweiſen. Gregory (Elem. aſtr. phyſ. et geometr. in praefat.) hat viele dies beweiſende Stellen der Alten geſammelt, wovon aber die meiſten vielmehr die Meynung von der Mehrheit der Welten betreffen. Anaxagoras ſchrieb den Himmelskoͤrpern eine Schwere gegen die Erde zu, die er fuͤr den Mittelpunkt ihrer Bewegungen annahm, und beantwortete die Frage warum ſie nicht herabfielen, damit, daß ihre Kreisbewegung es verhindere. Aus dem Luctez ſieht man, daß die allgemeine Schwere ein Grundſatz des epikureiſchen Syſtems geweſen ſey. Dieſer Dichter zieht daraus (De rer. nat. I. v. 983 ſqq.) die kuͤhne Folgerung, daß die Welt ohne Grenzen ſey; denn, ſagt er, wenn es eine Grenze derſelben gaͤbe, ſo wuͤrden die Koͤrper daſelbſt gegen keine aͤußern weiter ſchwer ſeyn, alſo von ihrer Schwere gegen die innern herabgetrieben werden, und laͤngſt in der Mitte des Ganzen zuſammengekommen ſeyn.

Praeterea ſpatium ſommaï totius omne

Undique ſi incluſum certis conſiſteret oris,

Finitumque foret, jam copia materiaï

Undique ponderibus ſolidis confluxet ad imum

Nec foret omnino coelum, neque lumina ſolis;

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[518/0524] Phaͤnomen die Namen der Schwerkraft und der allgememen Schwere ſehr ſchicklich. Dieſe Benennungen ſind zwar weit beſſer gewaͤhlt, als der auf irrige Nebenbegriffe fuͤhrende Name der Attraction. Welchen Namen man aber auch waͤhlen mag, ſo muß man nie vergeſſen, daß derſelbe blos das Phaͤnomen bezeichnen, nicht die phyſiſche Urſache deſſelben angeben ſoll, welche uns noch bisher gaͤnzlich unbekannt iſt. Es muß uns genug ſeyn zu wiſſen, und durch unzaͤhlbare Erfahrungen beſtaͤtiget zu ſehen, daß alle im Weltraume vorhandene Materie gegen einander nach gewiſſen ſehr beſtimmten Geſetzen ſchwer iſt; wir muͤſſen aber nicht glauben, durch die Worte: Attraction, Gravitation, Schwerkraft rc. die Urſache hievon, und den Mechaniſmus, wodurch die Schwere bewirkt wird, erklaͤrt zu haben. Der Begrif einer allgemeinen Schwere fand ſich ſchon in den Schulen der griechiſchen Weltweiſen. Gregory (Elem. aſtr. phyſ. et geometr. in praefat.) hat viele dies beweiſende Stellen der Alten geſammelt, wovon aber die meiſten vielmehr die Meynung von der Mehrheit der Welten betreffen. Anaxagoras ſchrieb den Himmelskoͤrpern eine Schwere gegen die Erde zu, die er fuͤr den Mittelpunkt ihrer Bewegungen annahm, und beantwortete die Frage warum ſie nicht herabfielen, damit, daß ihre Kreisbewegung es verhindere. Aus dem Luctez ſieht man, daß die allgemeine Schwere ein Grundſatz des epikureiſchen Syſtems geweſen ſey. Dieſer Dichter zieht daraus (De rer. nat. I. v. 983 ſqq.) die kuͤhne Folgerung, daß die Welt ohne Grenzen ſey; denn, ſagt er, wenn es eine Grenze derſelben gaͤbe, ſo wuͤrden die Koͤrper daſelbſt gegen keine aͤußern weiter ſchwer ſeyn, alſo von ihrer Schwere gegen die innern herabgetrieben werden, und laͤngſt in der Mitte des Ganzen zuſammengekommen ſeyn. Praeterea ſpatium ſommaï totius omne Undique ſi incluſum certis conſiſteret oris, Finitumque foret, jam copia materiaï Undique ponderibus ſolidis confluxet ad imum Nec foret omnino coelum, neque lumina ſolis;

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/524>, abgerufen am 22.11.2024.