Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Der allgemeine Grundsatz der Statik ist also dieser: Wenn ein Körper von zwoen einander gerade entgegengesetzten u. gleichen Kräften getrieben wird, so muß er ruhen, oder die Kräfte stehen im Gleichgewicht. Es hängt dieses Axiom mit dem Satze des zureichenden Grundes zusammen. Nemlich beyden Kräften zugleich kan der Körper nicht folgen; es ist aber auch kein Grund da, warum er einer allein mehr, als der andern, folgen sollte.

Wird ein Körper von mehr als zwoen Kräften getrieben, so läßt sich ein Paar derselben nach den Regeln der Zusammensetzung der Kräfte in eine einzige zusammenbringen, welche eine andere Größe und Richtung hat, s. Zusammensetzung der Kräfte. Diese mit der dritten zusammengesetzt, giebt wiederum eine neue, die sich als die Summe aller drey zusammengesetzten ansehen läßt, und mit der vierten rc. zusammengesetzt, ein neues Resultat für die Summe aller vier rc. Kräfte giebt. Fährt man so fort, bis nur noch eine einzige übrig ist, und ist alsdann diese letzte der Summe aller übrigen gleich und entgegengesetzt, so stehen sämmtliche Kräfte im Gleichgewicht, und der Körper muß ruhen.

Taf. X. Fig. 45. werde der Körper A nach den Richtungen AB, AC, AD von drey Kräften gezogen, die sich wie die Linien AB, AC, AD verhalten. Man setze AB und AC zusammen, indem man BE mit AC und CE mit AB parallel ziehet, so wird AE, die Diagonale des Parallelogramms ABEC die Summe derselben seyn. Ist nun die einzige noch übrige Kraft AD dieser Summe AE genau gleich und entgegengesetzt, so muß der Körper A in Ruhe bleiben, weil die dritte Kraft gerade das aufhebt, was die beyden ersten zusammen hervorbringen. Hiebey muß also AD=DE seyn, und die Richtungen beyder Linien AD und DE müssen in einerley geraden Linie (in directum) liegen; mithin sind die drey Seiten des Dreyecks ACE den Richtungen der drey Kräfte AB, AC, AD gleichlaufend: denn AC ist die Richtung der ersten Kraft selbst, CE ist mit der Richtung der zweyten AB parallel,


Der allgemeine Grundſatz der Statik iſt alſo dieſer: Wenn ein Koͤrper von zwoen einander gerade entgegengeſetzten u. gleichen Kraͤften getrieben wird, ſo muß er ruhen, oder die Kraͤfte ſtehen im Gleichgewicht. Es haͤngt dieſes Axiom mit dem Satze des zureichenden Grundes zuſammen. Nemlich beyden Kraͤften zugleich kan der Koͤrper nicht folgen; es iſt aber auch kein Grund da, warum er einer allein mehr, als der andern, folgen ſollte.

Wird ein Koͤrper von mehr als zwoen Kraͤften getrieben, ſo laͤßt ſich ein Paar derſelben nach den Regeln der Zuſammenſetzung der Kraͤfte in eine einzige zuſammenbringen, welche eine andere Groͤße und Richtung hat, ſ. Zuſammenſetzung der Kraͤfte. Dieſe mit der dritten zuſammengeſetzt, giebt wiederum eine neue, die ſich als die Summe aller drey zuſammengeſetzten anſehen laͤßt, und mit der vierten rc. zuſammengeſetzt, ein neues Reſultat fuͤr die Summe aller vier rc. Kraͤfte giebt. Faͤhrt man ſo fort, bis nur noch eine einzige uͤbrig iſt, und iſt alsdann dieſe letzte der Summe aller uͤbrigen gleich und entgegengeſetzt, ſo ſtehen ſaͤmmtliche Kraͤfte im Gleichgewicht, und der Koͤrper muß ruhen.

Taf. X. Fig. 45. werde der Koͤrper A nach den Richtungen AB, AC, AD von drey Kraͤften gezogen, die ſich wie die Linien AB, AC, AD verhalten. Man ſetze AB und AC zuſammen, indem man BE mit AC und CE mit AB parallel ziehet, ſo wird AE, die Diagonale des Parallelogramms ABEC die Summe derſelben ſeyn. Iſt nun die einzige noch uͤbrige Kraft AD dieſer Summe AE genau gleich und entgegengeſetzt, ſo muß der Koͤrper A in Ruhe bleiben, weil die dritte Kraft gerade das aufhebt, was die beyden erſten zuſammen hervorbringen. Hiebey muß alſo AD=DE ſeyn, und die Richtungen beyder Linien AD und DE muͤſſen in einerley geraden Linie (in directum) liegen; mithin ſind die drey Seiten des Dreyecks ACE den Richtungen der drey Kraͤfte AB, AC, AD gleichlaufend: denn AC iſt die Richtung der erſten Kraft ſelbſt, CE iſt mit der Richtung der zweyten AB parallel,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p>
              <pb facs="#f0508" xml:id="P.2.502" n="502"/><lb/>
            </p>
            <p>Der allgemeine Grund&#x017F;atz der Statik i&#x017F;t al&#x017F;o die&#x017F;er: <hi rendition="#b">Wenn ein Ko&#x0364;rper von zwoen einander gerade entgegenge&#x017F;etzten u. gleichen Kra&#x0364;ften getrieben wird, &#x017F;o muß er ruhen,</hi> oder die Kra&#x0364;fte &#x017F;tehen im Gleichgewicht. Es ha&#x0364;ngt die&#x017F;es Axiom mit dem Satze des zureichenden Grundes zu&#x017F;ammen. Nemlich beyden Kra&#x0364;ften zugleich kan der Ko&#x0364;rper nicht folgen; es i&#x017F;t aber auch kein Grund da, warum er einer allein mehr, als der andern, folgen &#x017F;ollte.</p>
            <p>Wird ein Ko&#x0364;rper von mehr als zwoen Kra&#x0364;ften getrieben, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich ein Paar der&#x017F;elben nach den Regeln der Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der Kra&#x0364;fte in eine einzige zu&#x017F;ammenbringen, welche eine andere Gro&#x0364;ße und Richtung hat, <hi rendition="#b">&#x017F;. Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der Kra&#x0364;fte.</hi> Die&#x017F;e mit der dritten zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, giebt wiederum eine neue, die &#x017F;ich als die Summe aller drey zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten an&#x017F;ehen la&#x0364;ßt, und mit der vierten rc. zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, ein neues Re&#x017F;ultat fu&#x0364;r die Summe aller vier rc. Kra&#x0364;fte giebt. Fa&#x0364;hrt man &#x017F;o fort, bis nur noch eine einzige u&#x0364;brig i&#x017F;t, und i&#x017F;t alsdann die&#x017F;e letzte der Summe aller u&#x0364;brigen gleich und entgegenge&#x017F;etzt, &#x017F;o &#x017F;tehen &#x017F;a&#x0364;mmtliche Kra&#x0364;fte im Gleichgewicht, und der Ko&#x0364;rper muß ruhen.</p>
            <p>Taf. <hi rendition="#aq">X.</hi> Fig. 45. werde der Ko&#x0364;rper <hi rendition="#aq">A</hi> nach den Richtungen <hi rendition="#aq">AB, AC, AD</hi> von drey Kra&#x0364;ften gezogen, die &#x017F;ich wie die Linien <hi rendition="#aq">AB, AC, AD</hi> verhalten. Man &#x017F;etze <hi rendition="#aq">AB</hi> und <hi rendition="#aq">AC</hi> zu&#x017F;ammen, indem man <hi rendition="#aq">BE</hi> mit <hi rendition="#aq">AC</hi> und <hi rendition="#aq">CE</hi> mit <hi rendition="#aq">AB</hi> parallel ziehet, &#x017F;o wird <hi rendition="#aq">AE,</hi> die Diagonale des Parallelogramms <hi rendition="#aq">ABEC</hi> die Summe der&#x017F;elben &#x017F;eyn. I&#x017F;t nun die einzige noch u&#x0364;brige Kraft <hi rendition="#aq">AD</hi> die&#x017F;er Summe <hi rendition="#aq">AE</hi> genau gleich und entgegenge&#x017F;etzt, &#x017F;o muß der Ko&#x0364;rper <hi rendition="#aq">A</hi> in Ruhe bleiben, weil die dritte Kraft gerade das aufhebt, was die beyden er&#x017F;ten zu&#x017F;ammen hervorbringen. Hiebey muß al&#x017F;o <hi rendition="#aq">AD=DE</hi> &#x017F;eyn, und die Richtungen beyder Linien <hi rendition="#aq">AD</hi> und <hi rendition="#aq">DE</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en in einerley geraden Linie <hi rendition="#aq">(in directum)</hi> liegen; mithin &#x017F;ind die drey Seiten des Dreyecks <hi rendition="#aq">ACE</hi> den Richtungen der drey Kra&#x0364;fte <hi rendition="#aq">AB, AC, AD</hi> gleichlaufend: denn <hi rendition="#aq">AC</hi> i&#x017F;t die Richtung der er&#x017F;ten Kraft &#x017F;elb&#x017F;t, <hi rendition="#aq">CE</hi> i&#x017F;t mit der Richtung der zweyten <hi rendition="#aq">AB</hi> parallel,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[502/0508] Der allgemeine Grundſatz der Statik iſt alſo dieſer: Wenn ein Koͤrper von zwoen einander gerade entgegengeſetzten u. gleichen Kraͤften getrieben wird, ſo muß er ruhen, oder die Kraͤfte ſtehen im Gleichgewicht. Es haͤngt dieſes Axiom mit dem Satze des zureichenden Grundes zuſammen. Nemlich beyden Kraͤften zugleich kan der Koͤrper nicht folgen; es iſt aber auch kein Grund da, warum er einer allein mehr, als der andern, folgen ſollte. Wird ein Koͤrper von mehr als zwoen Kraͤften getrieben, ſo laͤßt ſich ein Paar derſelben nach den Regeln der Zuſammenſetzung der Kraͤfte in eine einzige zuſammenbringen, welche eine andere Groͤße und Richtung hat, ſ. Zuſammenſetzung der Kraͤfte. Dieſe mit der dritten zuſammengeſetzt, giebt wiederum eine neue, die ſich als die Summe aller drey zuſammengeſetzten anſehen laͤßt, und mit der vierten rc. zuſammengeſetzt, ein neues Reſultat fuͤr die Summe aller vier rc. Kraͤfte giebt. Faͤhrt man ſo fort, bis nur noch eine einzige uͤbrig iſt, und iſt alsdann dieſe letzte der Summe aller uͤbrigen gleich und entgegengeſetzt, ſo ſtehen ſaͤmmtliche Kraͤfte im Gleichgewicht, und der Koͤrper muß ruhen. Taf. X. Fig. 45. werde der Koͤrper A nach den Richtungen AB, AC, AD von drey Kraͤften gezogen, die ſich wie die Linien AB, AC, AD verhalten. Man ſetze AB und AC zuſammen, indem man BE mit AC und CE mit AB parallel ziehet, ſo wird AE, die Diagonale des Parallelogramms ABEC die Summe derſelben ſeyn. Iſt nun die einzige noch uͤbrige Kraft AD dieſer Summe AE genau gleich und entgegengeſetzt, ſo muß der Koͤrper A in Ruhe bleiben, weil die dritte Kraft gerade das aufhebt, was die beyden erſten zuſammen hervorbringen. Hiebey muß alſo AD=DE ſeyn, und die Richtungen beyder Linien AD und DE muͤſſen in einerley geraden Linie (in directum) liegen; mithin ſind die drey Seiten des Dreyecks ACE den Richtungen der drey Kraͤfte AB, AC, AD gleichlaufend: denn AC iſt die Richtung der erſten Kraft ſelbſt, CE iſt mit der Richtung der zweyten AB parallel,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/508
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/508>, abgerufen am 22.11.2024.