Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Durchmesser der Erdbahn ist gegen die Entfernung der Fixsterne nur eine unbeträchtliche Größe, und als ein Punkt anzusehen. Wenn die Parallaxe der Erdbahn für den nächsten Fixstern nur 1 Sec. betrüge, so würde daraus folgen, daß dieser Stern von unserer Sonne 206264mal weiter, als die Erde, entfernt sey: jetzt, da sie nicht einmal 1 Sec. beträgt, sondern für uns schlechterdings unmerklich ist, muß des nächsten Fixsterns Abstand von der Sonne und von uns noch bey weitem größer seyn, und man kan gar nicht beftimmen, wie weit er sich erstrecke.

Huygens (Cosmotheorus. Hag. Com. 1698. 4. L. II. p. 135. s.) machte einen Versuch, die Entfernung des Sirius daraus einigermaßen zu schätzen, daß er seine scheinbare Größe und seinen Glanz mit der Größe und dem Glanze der Sonne verglich. Wenn er nemlich durch ein Rohr in die Sonne sahe, dessen kleine und mit einem mikroskopischen Glaskügelchen versehene Oefnung nur den 27664sten Theil der Sonnenscheibe zeigte, so schien ihm dieser Theil an Größe und Licht dem Sirius gleich, und er folgerte hieraus, daß, wenn Sirius so groß als die Sonne sey, er 27664mal weiter, als diese, von der Erde abstehen müsse. Diese Schätzung aber ist viel zu gering: wäre des Sirius Abstand nicht größer, so müßte für ihn eine Parallaxe der Erdbahn von 7--8 Sec. statt finden. Uebrigens handeln von dieser Methode auch Gregory (Elementa astr. phys. et geom. Lib. III. Prop. 60. 61.) und Kästner (in Smith's vollständigem Lehrbegrif der Optik. S. 448.).

Aus dieser großen Entfernung der Fixsterne erklärt es sich, warum selbst die besten Fernröhre ihnen keine merkliche Größe geben, sondern sie nur als helle Punkte darstellen. Ihr scheinbarer Durchmesser ist allzuklein. Wäre er der jährlichen Parallaxe gleich, so müßte der wirkliche Durchmesser des Fixsterns dem Halbmesser der Erdbahn gleich seyn, welches nicht glaublich ist. Mithin ist wohl der scheinbare Durchmesser der Fixsterne noch weit kleiner, als die schon ganz unmerkliche Parallaxe. Auch verschwinden Regulus, Aldebaran, die Aehre und Antares, wenn sie vom Monde bedeckt werden, so schnell, und erscheinen so


Durchmeſſer der Erdbahn iſt gegen die Entfernung der Fixſterne nur eine unbetraͤchtliche Groͤße, und als ein Punkt anzuſehen. Wenn die Parallaxe der Erdbahn fuͤr den naͤchſten Fixſtern nur 1 Sec. betruͤge, ſo wuͤrde daraus folgen, daß dieſer Stern von unſerer Sonne 206264mal weiter, als die Erde, entfernt ſey: jetzt, da ſie nicht einmal 1 Sec. betraͤgt, ſondern fuͤr uns ſchlechterdings unmerklich iſt, muß des naͤchſten Fixſterns Abſtand von der Sonne und von uns noch bey weitem groͤßer ſeyn, und man kan gar nicht beftimmen, wie weit er ſich erſtrecke.

Huygens (Coſmotheorus. Hag. Com. 1698. 4. L. II. p. 135. ſ.) machte einen Verſuch, die Entfernung des Sirius daraus einigermaßen zu ſchaͤtzen, daß er ſeine ſcheinbare Groͤße und ſeinen Glanz mit der Groͤße und dem Glanze der Sonne verglich. Wenn er nemlich durch ein Rohr in die Sonne ſahe, deſſen kleine und mit einem mikroſkopiſchen Glaskuͤgelchen verſehene Oefnung nur den 27664ſten Theil der Sonnenſcheibe zeigte, ſo ſchien ihm dieſer Theil an Groͤße und Licht dem Sirius gleich, und er folgerte hieraus, daß, wenn Sirius ſo groß als die Sonne ſey, er 27664mal weiter, als dieſe, von der Erde abſtehen muͤſſe. Dieſe Schaͤtzung aber iſt viel zu gering: waͤre des Sirius Abſtand nicht groͤßer, ſo muͤßte fuͤr ihn eine Parallaxe der Erdbahn von 7—8 Sec. ſtatt finden. Uebrigens handeln von dieſer Methode auch Gregory (Elementa aſtr. phyſ. et geom. Lib. III. Prop. 60. 61.) und Kaͤſtner (in Smith's vollſtaͤndigem Lehrbegrif der Optik. S. 448.).

Aus dieſer großen Entfernung der Fixſterne erklaͤrt es ſich, warum ſelbſt die beſten Fernroͤhre ihnen keine merkliche Groͤße geben, ſondern ſie nur als helle Punkte darſtellen. Ihr ſcheinbarer Durchmeſſer iſt allzuklein. Waͤre er der jaͤhrlichen Parallaxe gleich, ſo muͤßte der wirkliche Durchmeſſer des Fixſterns dem Halbmeſſer der Erdbahn gleich ſeyn, welches nicht glaublich iſt. Mithin iſt wohl der ſcheinbare Durchmeſſer der Fixſterne noch weit kleiner, als die ſchon ganz unmerkliche Parallaxe. Auch verſchwinden Regulus, Aldebaran, die Aehre und Antares, wenn ſie vom Monde bedeckt werden, ſo ſchnell, und erſcheinen ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0272" xml:id="P.2.266" n="266"/><lb/>
Durchme&#x017F;&#x017F;er der Erdbahn i&#x017F;t gegen die Entfernung der Fix&#x017F;terne nur eine unbetra&#x0364;chtliche Gro&#x0364;ße, und als ein Punkt anzu&#x017F;ehen. Wenn die Parallaxe der Erdbahn fu&#x0364;r den na&#x0364;ch&#x017F;ten Fix&#x017F;tern nur 1 Sec. betru&#x0364;ge, &#x017F;o wu&#x0364;rde daraus folgen, daß die&#x017F;er Stern von un&#x017F;erer Sonne 206264mal weiter, als die Erde, entfernt &#x017F;ey: jetzt, da &#x017F;ie nicht einmal 1 Sec. betra&#x0364;gt, &#x017F;ondern fu&#x0364;r uns &#x017F;chlechterdings unmerklich i&#x017F;t, muß des na&#x0364;ch&#x017F;ten Fix&#x017F;terns Ab&#x017F;tand von der Sonne und von uns noch bey weitem gro&#x0364;ßer &#x017F;eyn, und man kan gar nicht beftimmen, wie weit er &#x017F;ich er&#x017F;trecke.</p>
            <p><hi rendition="#b">Huygens</hi><hi rendition="#aq">(Co&#x017F;motheorus. Hag. Com. 1698. 4. L. II. p. 135. &#x017F;.)</hi> machte einen Ver&#x017F;uch, die Entfernung des Sirius daraus einigermaßen zu &#x017F;cha&#x0364;tzen, daß er &#x017F;eine &#x017F;cheinbare Gro&#x0364;ße und &#x017F;einen Glanz mit der Gro&#x0364;ße und dem Glanze der Sonne verglich. Wenn er nemlich durch ein Rohr in die Sonne &#x017F;ahe, de&#x017F;&#x017F;en kleine und mit einem mikro&#x017F;kopi&#x017F;chen Glasku&#x0364;gelchen ver&#x017F;ehene Oefnung nur den 27664&#x017F;ten Theil der Sonnen&#x017F;cheibe zeigte, &#x017F;o &#x017F;chien ihm die&#x017F;er Theil an Gro&#x0364;ße und Licht dem Sirius gleich, und er folgerte hieraus, daß, wenn Sirius &#x017F;o groß als die Sonne &#x017F;ey, er 27664mal weiter, als die&#x017F;e, von der Erde ab&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Die&#x017F;e Scha&#x0364;tzung aber i&#x017F;t viel zu gering: wa&#x0364;re des Sirius Ab&#x017F;tand nicht gro&#x0364;ßer, &#x017F;o mu&#x0364;ßte fu&#x0364;r ihn eine Parallaxe der Erdbahn von 7&#x2014;8 Sec. &#x017F;tatt finden. Uebrigens handeln von die&#x017F;er Methode auch <hi rendition="#b">Gregory</hi> <hi rendition="#aq">(Elementa a&#x017F;tr. phy&#x017F;. et geom. Lib. III. Prop. 60. 61.)</hi> und <hi rendition="#b">Ka&#x0364;&#x017F;tner</hi> (in <hi rendition="#b">Smith's</hi> voll&#x017F;ta&#x0364;ndigem Lehrbegrif der Optik. S. 448.).</p>
            <p>Aus die&#x017F;er großen Entfernung der Fix&#x017F;terne erkla&#x0364;rt es &#x017F;ich, warum &#x017F;elb&#x017F;t die be&#x017F;ten Fernro&#x0364;hre ihnen keine merkliche <hi rendition="#b">Gro&#x0364;ße</hi> geben, &#x017F;ondern &#x017F;ie nur als helle Punkte dar&#x017F;tellen. Ihr &#x017F;cheinbarer Durchme&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t allzuklein. Wa&#x0364;re er der ja&#x0364;hrlichen Parallaxe gleich, &#x017F;o mu&#x0364;ßte der wirkliche Durchme&#x017F;&#x017F;er des Fix&#x017F;terns dem Halbme&#x017F;&#x017F;er der Erdbahn gleich &#x017F;eyn, welches nicht glaublich i&#x017F;t. Mithin i&#x017F;t wohl der &#x017F;cheinbare Durchme&#x017F;&#x017F;er der Fix&#x017F;terne noch weit kleiner, als die &#x017F;chon ganz unmerkliche Parallaxe. Auch ver&#x017F;chwinden Regulus, Aldebaran, die Aehre und Antares, wenn &#x017F;ie vom Monde bedeckt werden, &#x017F;o &#x017F;chnell, und er&#x017F;cheinen &#x017F;o<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0272] Durchmeſſer der Erdbahn iſt gegen die Entfernung der Fixſterne nur eine unbetraͤchtliche Groͤße, und als ein Punkt anzuſehen. Wenn die Parallaxe der Erdbahn fuͤr den naͤchſten Fixſtern nur 1 Sec. betruͤge, ſo wuͤrde daraus folgen, daß dieſer Stern von unſerer Sonne 206264mal weiter, als die Erde, entfernt ſey: jetzt, da ſie nicht einmal 1 Sec. betraͤgt, ſondern fuͤr uns ſchlechterdings unmerklich iſt, muß des naͤchſten Fixſterns Abſtand von der Sonne und von uns noch bey weitem groͤßer ſeyn, und man kan gar nicht beftimmen, wie weit er ſich erſtrecke. Huygens (Coſmotheorus. Hag. Com. 1698. 4. L. II. p. 135. ſ.) machte einen Verſuch, die Entfernung des Sirius daraus einigermaßen zu ſchaͤtzen, daß er ſeine ſcheinbare Groͤße und ſeinen Glanz mit der Groͤße und dem Glanze der Sonne verglich. Wenn er nemlich durch ein Rohr in die Sonne ſahe, deſſen kleine und mit einem mikroſkopiſchen Glaskuͤgelchen verſehene Oefnung nur den 27664ſten Theil der Sonnenſcheibe zeigte, ſo ſchien ihm dieſer Theil an Groͤße und Licht dem Sirius gleich, und er folgerte hieraus, daß, wenn Sirius ſo groß als die Sonne ſey, er 27664mal weiter, als dieſe, von der Erde abſtehen muͤſſe. Dieſe Schaͤtzung aber iſt viel zu gering: waͤre des Sirius Abſtand nicht groͤßer, ſo muͤßte fuͤr ihn eine Parallaxe der Erdbahn von 7—8 Sec. ſtatt finden. Uebrigens handeln von dieſer Methode auch Gregory (Elementa aſtr. phyſ. et geom. Lib. III. Prop. 60. 61.) und Kaͤſtner (in Smith's vollſtaͤndigem Lehrbegrif der Optik. S. 448.). Aus dieſer großen Entfernung der Fixſterne erklaͤrt es ſich, warum ſelbſt die beſten Fernroͤhre ihnen keine merkliche Groͤße geben, ſondern ſie nur als helle Punkte darſtellen. Ihr ſcheinbarer Durchmeſſer iſt allzuklein. Waͤre er der jaͤhrlichen Parallaxe gleich, ſo muͤßte der wirkliche Durchmeſſer des Fixſterns dem Halbmeſſer der Erdbahn gleich ſeyn, welches nicht glaublich iſt. Mithin iſt wohl der ſcheinbare Durchmeſſer der Fixſterne noch weit kleiner, als die ſchon ganz unmerkliche Parallaxe. Auch verſchwinden Regulus, Aldebaran, die Aehre und Antares, wenn ſie vom Monde bedeckt werden, ſo ſchnell, und erſcheinen ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/272
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/272>, abgerufen am 10.05.2024.