Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Newton, der sich im Jahre 1666 mit Schleifung optischer Gläser beschäftigte, und sich dabey ein gläsernes Prisma angeschaft hatte, belustigte sich im verfinsterten Zimmer an den lebhaften und brennenden Farben des Bildes, als ihm auf einmal die längliche Gestalt desselben als etwas sehr wunderbares auffiel. Ein leichtes Nachdenken lehrte ihn, daß diese Gestalt nach den gemeinen Gesetzen der Brechung kreisrund seyn sollte, weil die Oefnung im Fensterladen ein Kreis war. Statt dessen fand er die Seiten des Farbenbilds geradlinigt, die Enden mit Halbkreisen begrenzt, und die Länge etwa fünfmal größer, als die Breite. Dies setzte ihn um desto mehr in Verwunderung, da ihm Grimaldi's erst im vorhergehenden Jahre erschienenes Buch noch unbekannt war. Er gab sich viele Mühe, die Ursache dieser Erscheinung zu entdecken. Zuerst rieth er auf einen Unterschied in der Dicke und Beschaffenheit des Glases, auf Einwirkung der benachbarten Dunkelheit in das Licht, auf allerley zufällige unregelmäßige Ursachen, aber die scharfsinnigen Proben, denen er diese Vermuthungen unterwarf, zeigten ihm, daß sie alle ohne Grund wären. Er stellte daher eine genaue Ausmessung und Berechnung aller bey seinem Versuche vorkommenden Linien und Winkel an, bestimmte daraus das Brechungsverhältniß für das Prisma, wie 31 zu 20, und fand, daß nach den gewöhnlichen Gesetzen das Bild ein Kreis von 2 3/8 Zoll Durchmesser seyn, und einen dem Sonnendurchmesser
Newton, der ſich im Jahre 1666 mit Schleifung optiſcher Glaͤſer beſchaͤftigte, und ſich dabey ein glaͤſernes Prisma angeſchaft hatte, beluſtigte ſich im verfinſterten Zimmer an den lebhaften und brennenden Farben des Bildes, als ihm auf einmal die laͤngliche Geſtalt deſſelben als etwas ſehr wunderbares auffiel. Ein leichtes Nachdenken lehrte ihn, daß dieſe Geſtalt nach den gemeinen Geſetzen der Brechung kreisrund ſeyn ſollte, weil die Oefnung im Fenſterladen ein Kreis war. Statt deſſen fand er die Seiten des Farbenbilds geradlinigt, die Enden mit Halbkreiſen begrenzt, und die Laͤnge etwa fuͤnfmal groͤßer, als die Breite. Dies ſetzte ihn um deſto mehr in Verwunderung, da ihm Grimaldi's erſt im vorhergehenden Jahre erſchienenes Buch noch unbekannt war. Er gab ſich viele Muͤhe, die Urſache dieſer Erſcheinung zu entdecken. Zuerſt rieth er auf einen Unterſchied in der Dicke und Beſchaffenheit des Glaſes, auf Einwirkung der benachbarten Dunkelheit in das Licht, auf allerley zufaͤllige unregelmaͤßige Urſachen, aber die ſcharfſinnigen Proben, denen er dieſe Vermuthungen unterwarf, zeigten ihm, daß ſie alle ohne Grund waͤren. Er ſtellte daher eine genaue Ausmeſſung und Berechnung aller bey ſeinem Verſuche vorkommenden Linien und Winkel an, beſtimmte daraus das Brechungsverhaͤltniß fuͤr das Prisma, wie 31 zu 20, und fand, daß nach den gewoͤhnlichen Geſetzen das Bild ein Kreis von 2 3/8 Zoll Durchmeſſer ſeyn, und einen dem Sonnendurchmeſſer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0164" xml:id="P.2.158" n="158"/><lb/> doppelte Brechung beym Ein- und Ausgange im Prisma aus einander gebreiter werde, welches er durch Figuren (<hi rendition="#aq">p. 235.</hi>) ganz wohl erklaͤret. Er zeigt auch, daß der ſchiefe Winkel des Prima hiezu weſentlich nothwendig ſey, weil beym Durchgange durch ein Glas mit parallelen Flaͤchen die ausfahrenden Stralen den einfallenden parallel und far benlos ſeyn wuͤrden (<hi rendition="#aq">p. 272.</hi>). Er braucht ſogar ſchon den Ausdruck, daß im Prisma ein Theil des Strales mehr gebrochen werde, als der andere. Aber er verſteht hierunter nicht eine verſchiedene Brechbarkeit der Theile, aus denen der Stral zuſammengeſetzt iſt, ſondern nur der beyden Seiten deſſelben.</p> <p><hi rendition="#b">Newton,</hi> der ſich im Jahre 1666 mit Schleifung optiſcher Glaͤſer beſchaͤftigte, und ſich dabey ein glaͤſernes Prisma angeſchaft hatte, beluſtigte ſich im verfinſterten Zimmer an den lebhaften und brennenden Farben des Bildes, als ihm auf einmal die laͤngliche Geſtalt deſſelben als etwas ſehr wunderbares auffiel. Ein leichtes Nachdenken lehrte ihn, daß dieſe Geſtalt nach den gemeinen Geſetzen der Brechung kreisrund ſeyn ſollte, weil die Oefnung im Fenſterladen ein Kreis war. Statt deſſen fand er die Seiten des Farbenbilds geradlinigt, die Enden mit Halbkreiſen begrenzt, und die Laͤnge etwa fuͤnfmal groͤßer, als die Breite. Dies ſetzte ihn um deſto mehr in Verwunderung, da ihm Grimaldi's erſt im vorhergehenden Jahre erſchienenes Buch noch unbekannt war.</p> <p>Er gab ſich viele Muͤhe, die Urſache dieſer Erſcheinung zu entdecken. Zuerſt rieth er auf einen Unterſchied in der Dicke und Beſchaffenheit des Glaſes, auf Einwirkung der benachbarten Dunkelheit in das Licht, auf allerley zufaͤllige unregelmaͤßige Urſachen, aber die ſcharfſinnigen Proben, denen er dieſe Vermuthungen unterwarf, zeigten ihm, daß ſie alle ohne Grund waͤren. Er ſtellte daher eine genaue Ausmeſſung und Berechnung aller bey ſeinem Verſuche vorkommenden Linien und Winkel an, beſtimmte daraus das Brechungsverhaͤltniß fuͤr das Prisma, wie 31 zu 20, und fand, daß nach den gewoͤhnlichen Geſetzen das Bild ein Kreis von 2 3/8 Zoll Durchmeſſer ſeyn, und einen dem Sonnendurchmeſſer<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0164]
doppelte Brechung beym Ein- und Ausgange im Prisma aus einander gebreiter werde, welches er durch Figuren (p. 235.) ganz wohl erklaͤret. Er zeigt auch, daß der ſchiefe Winkel des Prima hiezu weſentlich nothwendig ſey, weil beym Durchgange durch ein Glas mit parallelen Flaͤchen die ausfahrenden Stralen den einfallenden parallel und far benlos ſeyn wuͤrden (p. 272.). Er braucht ſogar ſchon den Ausdruck, daß im Prisma ein Theil des Strales mehr gebrochen werde, als der andere. Aber er verſteht hierunter nicht eine verſchiedene Brechbarkeit der Theile, aus denen der Stral zuſammengeſetzt iſt, ſondern nur der beyden Seiten deſſelben.
Newton, der ſich im Jahre 1666 mit Schleifung optiſcher Glaͤſer beſchaͤftigte, und ſich dabey ein glaͤſernes Prisma angeſchaft hatte, beluſtigte ſich im verfinſterten Zimmer an den lebhaften und brennenden Farben des Bildes, als ihm auf einmal die laͤngliche Geſtalt deſſelben als etwas ſehr wunderbares auffiel. Ein leichtes Nachdenken lehrte ihn, daß dieſe Geſtalt nach den gemeinen Geſetzen der Brechung kreisrund ſeyn ſollte, weil die Oefnung im Fenſterladen ein Kreis war. Statt deſſen fand er die Seiten des Farbenbilds geradlinigt, die Enden mit Halbkreiſen begrenzt, und die Laͤnge etwa fuͤnfmal groͤßer, als die Breite. Dies ſetzte ihn um deſto mehr in Verwunderung, da ihm Grimaldi's erſt im vorhergehenden Jahre erſchienenes Buch noch unbekannt war.
Er gab ſich viele Muͤhe, die Urſache dieſer Erſcheinung zu entdecken. Zuerſt rieth er auf einen Unterſchied in der Dicke und Beſchaffenheit des Glaſes, auf Einwirkung der benachbarten Dunkelheit in das Licht, auf allerley zufaͤllige unregelmaͤßige Urſachen, aber die ſcharfſinnigen Proben, denen er dieſe Vermuthungen unterwarf, zeigten ihm, daß ſie alle ohne Grund waͤren. Er ſtellte daher eine genaue Ausmeſſung und Berechnung aller bey ſeinem Verſuche vorkommenden Linien und Winkel an, beſtimmte daraus das Brechungsverhaͤltniß fuͤr das Prisma, wie 31 zu 20, und fand, daß nach den gewoͤhnlichen Geſetzen das Bild ein Kreis von 2 3/8 Zoll Durchmeſſer ſeyn, und einen dem Sonnendurchmeſſer
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