und Widersprechendes enthält. Andere glaubten, die in gleichen Zeiten durchlaufenen Räume nähmen zu, wie die Segmente einer durch den sogenannten güldnen Schnitt (media et extrema ratione, sectione aurea s. divina) getheilten Linie, d. h. so, daß sich das kleinere Segment zum größern, wie dieses zur ganzen Linie, oder zur Summe von beyden, verhielte: oder daß der Raum des Falls in der ersten Secunde sich zum Raume in der zwoten verhielte, wie dieser zum ganzen Raume in zwo Secunden u. s. f. Diese leere Einbildung gründete sich blos auf die chimärischen Vollkommenheiten, die man dieser Art von Theilung der Linien beylegte, von welcher einige Geometer eigne Bücher geschrieben haben.
Galilei hingegen kam auf den glücklichen und richtigen Gedanken, daß die Geschwindigkeit beym Falle im Verhältnisse der verfloßnen Zeit zunehmen müsse. Ohne Zweifel ward er hierauf durch Nachdenken geleitet. Da die Körper von der Schwere nie verlassen werden, und also in jedem Zeittheile einen neuen Eindruck von derselben erhalten, der sich mit der Wirkung der vorigen verbindet, so folgert man hieraus bald, daß die Geschwindigkeit, welche die Schwere mittheilt, im ersten Zeittheile einfach, im zweyten doppelt, im dritten dreyfach u. s. f. sey, daß sie sich also überhaupt, wie die vom Anfange des Falls verfloßne Zeit verhalten werde. Inzwischen wählte Galilei beym Vortrage der Sache einen andern Weg. Er nimmt den Satz anfänglich blos als Hypothese an, untersucht dann geometrisch, was für Gesetze des Falls der Körper daraus folgen, zeigt nun aus Erfahrungen, daß diese Gesetze wirklich beym Falle statt finden, und schließt endlich daraus, daß der angenommene Satz nicht blos Hypothese, sondern ein wirkliches Naturgesetz sey.
So trägt Galilei diese von ihm schon um das Jahr 1602 erfundenen Wahrheiten in seinen Gesprächen über die Bewegung vor. (Discorsi e dimostrazione matematiche intorno a due nuove scienze attenenti alla Mecanica ed i muovimenti locali. Leid. 1638. 4. und in den Opere di Galileo Galilei. Firenze, 1718, To. I. III. gr. 4. To. II. p.
und Widerſprechendes enthaͤlt. Andere glaubten, die in gleichen Zeiten durchlaufenen Raͤume naͤhmen zu, wie die Segmente einer durch den ſogenannten guͤldnen Schnitt (media et extrema ratione, ſectione aurea ſ. divina) getheilten Linie, d. h. ſo, daß ſich das kleinere Segment zum groͤßern, wie dieſes zur ganzen Linie, oder zur Summe von beyden, verhielte: oder daß der Raum des Falls in der erſten Secunde ſich zum Raume in der zwoten verhielte, wie dieſer zum ganzen Raume in zwo Secunden u. ſ. f. Dieſe leere Einbildung gruͤndete ſich blos auf die chimaͤriſchen Vollkommenheiten, die man dieſer Art von Theilung der Linien beylegte, von welcher einige Geometer eigne Buͤcher geſchrieben haben.
Galilei hingegen kam auf den gluͤcklichen und richtigen Gedanken, daß die Geſchwindigkeit beym Falle im Verhaͤltniſſe der verfloßnen Zeit zunehmen muͤſſe. Ohne Zweifel ward er hierauf durch Nachdenken geleitet. Da die Koͤrper von der Schwere nie verlaſſen werden, und alſo in jedem Zeittheile einen neuen Eindruck von derſelben erhalten, der ſich mit der Wirkung der vorigen verbindet, ſo folgert man hieraus bald, daß die Geſchwindigkeit, welche die Schwere mittheilt, im erſten Zeittheile einfach, im zweyten doppelt, im dritten dreyfach u. ſ. f. ſey, daß ſie ſich alſo uͤberhaupt, wie die vom Anfange des Falls verfloßne Zeit verhalten werde. Inzwiſchen waͤhlte Galilei beym Vortrage der Sache einen andern Weg. Er nimmt den Satz anfaͤnglich blos als Hypotheſe an, unterſucht dann geometriſch, was fuͤr Geſetze des Falls der Koͤrper daraus folgen, zeigt nun aus Erfahrungen, daß dieſe Geſetze wirklich beym Falle ſtatt finden, und ſchließt endlich daraus, daß der angenommene Satz nicht blos Hypotheſe, ſondern ein wirkliches Naturgeſetz ſey.
So traͤgt Galilei dieſe von ihm ſchon um das Jahr 1602 erfundenen Wahrheiten in ſeinen Geſpraͤchen uͤber die Bewegung vor. (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze attenenti alla Mecanica ed i muovimenti locali. Leid. 1638. 4. und in den Opere di Galileo Galilei. Firenze, 1718, To. I. III. gr. 4. To. II. p.
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und Widerſprechendes enthaͤlt. Andere glaubten, die in gleichen Zeiten durchlaufenen Raͤume naͤhmen zu, wie die Segmente einer durch den ſogenannten guͤldnen Schnitt (media et extrema ratione, ſectione aurea ſ. divina) getheilten Linie, d. h. ſo, daß ſich das kleinere Segment zum groͤßern, wie dieſes zur ganzen Linie, oder zur Summe von beyden, verhielte: oder daß der Raum des Falls in der erſten Secunde ſich zum Raume in der zwoten verhielte, wie dieſer zum ganzen Raume in zwo Secunden u. ſ. f. Dieſe leere Einbildung gruͤndete ſich blos auf die chimaͤriſchen Vollkommenheiten, die man dieſer Art von Theilung der Linien beylegte, von welcher einige Geometer eigne Buͤcher geſchrieben haben.
Galilei hingegen kam auf den gluͤcklichen und richtigen Gedanken, daß die Geſchwindigkeit beym Falle im Verhaͤltniſſe der verfloßnen Zeit zunehmen muͤſſe. Ohne Zweifel ward er hierauf durch Nachdenken geleitet. Da die Koͤrper von der Schwere nie verlaſſen werden, und alſo in jedem Zeittheile einen neuen Eindruck von derſelben erhalten, der ſich mit der Wirkung der vorigen verbindet, ſo folgert man hieraus bald, daß die Geſchwindigkeit, welche die Schwere mittheilt, im erſten Zeittheile einfach, im zweyten doppelt, im dritten dreyfach u. ſ. f. ſey, daß ſie ſich alſo uͤberhaupt, wie die vom Anfange des Falls verfloßne Zeit verhalten werde. Inzwiſchen waͤhlte Galilei beym Vortrage der Sache einen andern Weg. Er nimmt den Satz anfaͤnglich blos als Hypotheſe an, unterſucht dann geometriſch, was fuͤr Geſetze des Falls der Koͤrper daraus folgen, zeigt nun aus Erfahrungen, daß dieſe Geſetze wirklich beym Falle ſtatt finden, und ſchließt endlich daraus, daß der angenommene Satz nicht blos Hypotheſe, ſondern ein wirkliches Naturgeſetz ſey.
So traͤgt Galilei dieſe von ihm ſchon um das Jahr 1602 erfundenen Wahrheiten in ſeinen Geſpraͤchen uͤber die Bewegung vor. (Diſcorſi e dimoſtrazione matematiche intorno a due nuove ſcienze attenenti alla Mecanica ed i muovimenti locali. Leid. 1638. 4. und in den Opere di Galileo Galilei. Firenze, 1718, To. I. III. gr. 4. To. II. p.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/126>, abgerufen am 24.11.2024.
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