Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.Kepler war inzwischen auf den Gedanken gekommen, daß es zwischen allen Weltkörpern eine allgemeine und gegegenseitige Anziehung gebe. Er sagt ausdrücklich (Astron. nova tradita Comment. de motu stellae Martis, Prag. 1609. praef.), daß sich der Mond und die Erde, wenn sie nicht in Bewegung wären, einander nähern, und sich in ihrem gemeinschaftlichen Schwerpunkte begegnen würden, und daß die Wirkung des Mondes die Ebbe und Fluth verursache. Das ganze Wasser des Weltmeers würde sich gegen den Mond erheben, wenn die Erde aufhörte, es an sich zu ziehen. Doch hat es dieser große Astronom in dieser merkwürdigen Stelle bey einer bloßen Muthmaßung bewenden lassen, und an andern Stellen seiner Gewohnheit nach in sehr dichterischen Tropen von der Ebbe und Fluth gesprochen. Euler (Lettres a une princesse d'Allemagne, lettr. 63.) der diese Ausdrücke zu buchstäblich nimmt, giebt ihm sogar Schuld, er habe die Erde für ein lebendiges Thier und die Ebbe und Fluth für eine Wirkung ihres Athmens erklärt. Newton drang auf dem von Keplern angegebnen Wege weit tiefer in die Geheimnisse der Natur, und sahe nach der Entdeckung des Gesetzes der Anziehung leicht die Wirkungen ein, welche die Sonne und der Mond auf das Wasser der Erdfläche hervorbringen müsten. Er hat hievon (Princip. L. III. prop. 24. 36. 37.) mit der gewöhnlichen seiner Größe würdigen Art gehandlet, ohne jedoch seine Berechnungen vollständig bis auf alle Phänomene der Ebbe und Fluth zu erstrecken. Halley (Philos. Trans. n. 226.) hat hieraus einen mit mehreren Beobachtungen verglichenen Auszug geliefert. Die Pariser Akademie der Wissenschaften veranlassete, durch den im Jahre 1740 ausgesetzten Preiß auf die beste Abhandlung über diesen Gegenstand, die drey vortreflichen Schriften der Herren Daniel Bernoulli, Mac-Laurin und Euler, welche der Genfer Ausgabe von Newtons Principien (Philos. nat. princ. math. aut Is. Newtono cum comm. PP. Le Sueur et Jacquier, To. III. 1760. gr. 4.) beygefügt worden sind, und fast alles, was sich über die Ursachen der Ebbe Kepler war inzwiſchen auf den Gedanken gekommen, daß es zwiſchen allen Weltkoͤrpern eine allgemeine und gegegenſeitige Anziehung gebe. Er ſagt ausdruͤcklich (Aſtron. nova tradita Comment. de motu ſtellae Martis, Prag. 1609. praef.), daß ſich der Mond und die Erde, wenn ſie nicht in Bewegung waͤren, einander naͤhern, und ſich in ihrem gemeinſchaftlichen Schwerpunkte begegnen wuͤrden, und daß die Wirkung des Mondes die Ebbe und Fluth verurſache. Das ganze Waſſer des Weltmeers wuͤrde ſich gegen den Mond erheben, wenn die Erde aufhoͤrte, es an ſich zu ziehen. Doch hat es dieſer große Aſtronom in dieſer merkwuͤrdigen Stelle bey einer bloßen Muthmaßung bewenden laſſen, und an andern Stellen ſeiner Gewohnheit nach in ſehr dichteriſchen Tropen von der Ebbe und Fluth geſprochen. Euler (Lettres à une princeſſe d'Allemagne, lettr. 63.) der dieſe Ausdruͤcke zu buchſtaͤblich nimmt, giebt ihm ſogar Schuld, er habe die Erde fuͤr ein lebendiges Thier und die Ebbe und Fluth fuͤr eine Wirkung ihres Athmens erklaͤrt. Newton drang auf dem von Keplern angegebnen Wege weit tiefer in die Geheimniſſe der Natur, und ſahe nach der Entdeckung des Geſetzes der Anziehung leicht die Wirkungen ein, welche die Sonne und der Mond auf das Waſſer der Erdflaͤche hervorbringen muͤſten. Er hat hievon (Princip. L. III. prop. 24. 36. 37.) mit der gewoͤhnlichen ſeiner Groͤße wuͤrdigen Art gehandlet, ohne jedoch ſeine Berechnungen vollſtaͤndig bis auf alle Phaͤnomene der Ebbe und Fluth zu erſtrecken. Halley (Philoſ. Trans. n. 226.) hat hieraus einen mit mehreren Beobachtungen verglichenen Auszug geliefert. Die Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften veranlaſſete, durch den im Jahre 1740 ausgeſetzten Preiß auf die beſte Abhandlung uͤber dieſen Gegenſtand, die drey vortreflichen Schriften der Herren Daniel Bernoulli, Mac-Laurin und Euler, welche der Genfer Ausgabe von Newtons Principien (Philoſ. nat. princ. math. aut Iſ. Newtono cum comm. PP. Le Sueur et Jacquier, To. 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Newton drang auf dem von Keplern angegebnen Wege weit tiefer in die Geheimniſſe der Natur, und ſahe nach der Entdeckung des Geſetzes der Anziehung leicht die Wirkungen ein, welche die Sonne und der Mond auf das Waſſer der Erdflaͤche hervorbringen muͤſten. Er hat hievon (Princip. L. III. prop. 24. 36. 37.) mit der gewoͤhnlichen ſeiner Groͤße wuͤrdigen Art gehandlet, ohne jedoch ſeine Berechnungen vollſtaͤndig bis auf alle Phaͤnomene der Ebbe und Fluth zu erſtrecken. Halley (Philoſ. Trans. n. 226.) hat hieraus einen mit mehreren Beobachtungen verglichenen Auszug geliefert. Die Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften veranlaſſete, durch den im Jahre 1740 ausgeſetzten Preiß auf die beſte Abhandlung uͤber dieſen Gegenſtand, die drey vortreflichen Schriften der Herren Daniel Bernoulli, Mac-Laurin und Euler, welche der Genfer Ausgabe von Newtons Principien (Philoſ. nat. princ. math. aut Iſ. Newtono cum comm. PP. Le Sueur et Jacquier, To. III. 1760. gr. 4.) beygefuͤgt worden ſind, und faſt alles, was ſich uͤber die Urſachen der Ebbe
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