Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Wenn eine Kugel von beträchtlicher Größe, die mit einer dünnen Lage eines flüßigen Wesens umgeben ist, in allen ihren Theilen gegen einen äußern Punkt oder Körper gravitirt, so muß dieses Flüßige die Kugelgestalt verlassen, und die Form eines elliptischen Sphäroids annehmen, dessen große Axe gegen den anziehenden Körper gerichtet ist. Mac-Laurin, Clairaut (Theorie de la figure de la terre, Paris 1743. 8.) und de la Lande haben dies aus dem Gesetze der Gravitation sehr scharfsinnig erwiesen. Um die Ursache hievon im Allgemeinen zu übersehen, stelle man sich DaEb (Taf. VI. Fig. 104.) als eine ruhende feste Kugel vor, die bis auf eine gewisse Höhe mit einer gleichförmigen, dünnen und nicht elastischen flüßigen Materie umgeben ist, deren Theile nach dem Mittelpunkte C gravitiren, und also, wenn keine äußern Einwirkungen statt finden, eine völlige Kugelgestalt, wie der feste Körper, den sie bedecken, annehmen werden. Wären nun alle Theile der flüßigen Materie und der festen Kugel gegen einen in L stehenden Körper gleich schwer, und würden sie nach parallelen Richtungen gegen ihn gezogen, so würde diese Schwere jeden Theil mit gleicher Geschwindigkeit gegen L führen, und so die ganze Masse bewegen, ohne die Lage ihrer Theile gegen einander, d. i. die Gestalt des Ganzen, im mindesten zu verändern. Wenn aber die Kugel DCE eine beträchtliche Größe hat, und also C beträchtlich weiter, als a, und b weiter, als C, von L entfernt ist, so werden, den Gesetzen der Gravitation gemäß, die nähern Theile bey a stärker gegen L gravitiren, und daher mit mehr Geschwindigkeit nach L zu bewegt werden, als der Mittelpunkt C; hingegen werden die entferntern Theile bey b weniger, als der Mittelpunkt C, nach L gravitiren, und also langsamer, als C, gegen L bewegt werden. Was die feste Kugel betrift, so kann dieser Unterschied der Geschwindigkeiten wegen des Zusammenhangs ihrer Theile keine Wirkungen äußern; in Absicht der flüßigen Bedeckung aber
Wenn eine Kugel von betraͤchtlicher Groͤße, die mit einer duͤnnen Lage eines fluͤßigen Weſens umgeben iſt, in allen ihren Theilen gegen einen aͤußern Punkt oder Koͤrper gravitirt, ſo muß dieſes Fluͤßige die Kugelgeſtalt verlaſſen, und die Form eines elliptiſchen Sphaͤroids annehmen, deſſen große Axe gegen den anziehenden Koͤrper gerichtet iſt. Mac-Laurin, Clairaut (Theorie de la figure de la terre, Paris 1743. 8.) und de la Lande haben dies aus dem Geſetze der Gravitation ſehr ſcharfſinnig erwieſen. Um die Urſache hievon im Allgemeinen zu uͤberſehen, ſtelle man ſich DaEb (Taf. VI. Fig. 104.) als eine ruhende feſte Kugel vor, die bis auf eine gewiſſe Hoͤhe mit einer gleichfoͤrmigen, duͤnnen und nicht elaſtiſchen fluͤßigen Materie umgeben iſt, deren Theile nach dem Mittelpunkte C gravitiren, und alſo, wenn keine aͤußern Einwirkungen ſtatt finden, eine voͤllige Kugelgeſtalt, wie der feſte Koͤrper, den ſie bedecken, annehmen werden. Waͤren nun alle Theile der fluͤßigen Materie und der feſten Kugel gegen einen in L ſtehenden Koͤrper gleich ſchwer, und wuͤrden ſie nach parallelen Richtungen gegen ihn gezogen, ſo wuͤrde dieſe Schwere jeden Theil mit gleicher Geſchwindigkeit gegen L fuͤhren, und ſo die ganze Maſſe bewegen, ohne die Lage ihrer Theile gegen einander, d. i. die Geſtalt des Ganzen, im mindeſten zu veraͤndern. Wenn aber die Kugel DCE eine betraͤchtliche Groͤße hat, und alſo C betraͤchtlich weiter, als a, und b weiter, als C, von L entfernt iſt, ſo werden, den Geſetzen der Gravitation gemaͤß, die naͤhern Theile bey a ſtaͤrker gegen L gravitiren, und daher mit mehr Geſchwindigkeit nach L zu bewegt werden, als der Mittelpunkt C; hingegen werden die entferntern Theile bey b weniger, als der Mittelpunkt C, nach L gravitiren, und alſo langſamer, als C, gegen L bewegt werden. Was die feſte Kugel betrift, ſo kann dieſer Unterſchied der Geſchwindigkeiten wegen des Zuſammenhangs ihrer Theile keine Wirkungen aͤußern; in Abſicht der fluͤßigen Bedeckung aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0666" xml:id="P.1.652" n="652"/><lb/> und Fluth ſagen laͤſt, erſchoͤpfen. Endlich hat auch <hi rendition="#b">de la Lande</hi> <hi rendition="#aq">(Aſtronomie liv. XXII.)</hi> dieſe Materie ſehr umſtaͤndlich und ſchoͤn abgehandlet.</p> <p>Wenn eine Kugel von betraͤchtlicher Groͤße, die mit einer duͤnnen Lage eines fluͤßigen Weſens umgeben iſt, in allen ihren Theilen gegen einen aͤußern Punkt oder Koͤrper gravitirt, ſo muß dieſes Fluͤßige die Kugelgeſtalt verlaſſen, und die Form eines elliptiſchen Sphaͤroids annehmen, deſſen große Axe gegen den anziehenden Koͤrper gerichtet iſt. <hi rendition="#b">Mac-Laurin, Clairaut</hi> <hi rendition="#aq">(Theorie de la figure de la terre, Paris 1743. 8.)</hi> und <hi rendition="#b">de la Lande</hi> haben dies aus dem Geſetze der Gravitation ſehr ſcharfſinnig erwieſen.</p> <p>Um die Urſache hievon im Allgemeinen zu uͤberſehen, ſtelle man ſich <hi rendition="#aq">DaEb</hi> (Taf. <hi rendition="#aq">VI.</hi> Fig. 104.) als eine ruhende feſte Kugel vor, die bis auf eine gewiſſe Hoͤhe mit einer gleichfoͤrmigen, duͤnnen und nicht elaſtiſchen fluͤßigen Materie umgeben iſt, deren Theile nach dem Mittelpunkte <hi rendition="#aq">C</hi> gravitiren, und alſo, wenn keine aͤußern Einwirkungen ſtatt finden, eine voͤllige Kugelgeſtalt, wie der feſte Koͤrper, den ſie bedecken, annehmen werden. Waͤren nun alle Theile der fluͤßigen Materie und der feſten Kugel gegen einen in <hi rendition="#aq">L</hi> ſtehenden Koͤrper gleich ſchwer, und wuͤrden ſie nach parallelen Richtungen gegen ihn gezogen, ſo wuͤrde dieſe Schwere jeden Theil mit gleicher Geſchwindigkeit gegen <hi rendition="#aq">L</hi> fuͤhren, und ſo die ganze Maſſe bewegen, ohne die Lage ihrer Theile gegen einander, d. i. die Geſtalt des Ganzen, im mindeſten zu veraͤndern. Wenn aber die Kugel <hi rendition="#aq">DCE</hi> eine betraͤchtliche Groͤße hat, und alſo <hi rendition="#aq">C</hi> betraͤchtlich weiter, als <hi rendition="#aq">a,</hi> und <hi rendition="#aq">b</hi> weiter, als <hi rendition="#aq">C,</hi> von <hi rendition="#aq">L</hi> entfernt iſt, ſo werden, den Geſetzen der Gravitation gemaͤß, die naͤhern Theile bey <hi rendition="#aq">a</hi> ſtaͤrker gegen <hi rendition="#aq">L</hi> gravitiren, und daher mit mehr Geſchwindigkeit nach <hi rendition="#aq">L</hi> zu bewegt werden, als der Mittelpunkt <hi rendition="#aq">C;</hi> hingegen werden die entferntern Theile bey <hi rendition="#aq">b</hi> weniger, als der Mittelpunkt <hi rendition="#aq">C,</hi> nach <hi rendition="#aq">L</hi> gravitiren, und alſo langſamer, als <hi rendition="#aq">C,</hi> gegen <hi rendition="#aq">L</hi> bewegt werden. Was die feſte Kugel betrift, ſo kann dieſer Unterſchied der Geſchwindigkeiten wegen des Zuſammenhangs ihrer Theile keine Wirkungen aͤußern; in Abſicht der fluͤßigen Bedeckung aber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [652/0666]
und Fluth ſagen laͤſt, erſchoͤpfen. Endlich hat auch de la Lande (Aſtronomie liv. XXII.) dieſe Materie ſehr umſtaͤndlich und ſchoͤn abgehandlet.
Wenn eine Kugel von betraͤchtlicher Groͤße, die mit einer duͤnnen Lage eines fluͤßigen Weſens umgeben iſt, in allen ihren Theilen gegen einen aͤußern Punkt oder Koͤrper gravitirt, ſo muß dieſes Fluͤßige die Kugelgeſtalt verlaſſen, und die Form eines elliptiſchen Sphaͤroids annehmen, deſſen große Axe gegen den anziehenden Koͤrper gerichtet iſt. Mac-Laurin, Clairaut (Theorie de la figure de la terre, Paris 1743. 8.) und de la Lande haben dies aus dem Geſetze der Gravitation ſehr ſcharfſinnig erwieſen.
Um die Urſache hievon im Allgemeinen zu uͤberſehen, ſtelle man ſich DaEb (Taf. VI. Fig. 104.) als eine ruhende feſte Kugel vor, die bis auf eine gewiſſe Hoͤhe mit einer gleichfoͤrmigen, duͤnnen und nicht elaſtiſchen fluͤßigen Materie umgeben iſt, deren Theile nach dem Mittelpunkte C gravitiren, und alſo, wenn keine aͤußern Einwirkungen ſtatt finden, eine voͤllige Kugelgeſtalt, wie der feſte Koͤrper, den ſie bedecken, annehmen werden. Waͤren nun alle Theile der fluͤßigen Materie und der feſten Kugel gegen einen in L ſtehenden Koͤrper gleich ſchwer, und wuͤrden ſie nach parallelen Richtungen gegen ihn gezogen, ſo wuͤrde dieſe Schwere jeden Theil mit gleicher Geſchwindigkeit gegen L fuͤhren, und ſo die ganze Maſſe bewegen, ohne die Lage ihrer Theile gegen einander, d. i. die Geſtalt des Ganzen, im mindeſten zu veraͤndern. Wenn aber die Kugel DCE eine betraͤchtliche Groͤße hat, und alſo C betraͤchtlich weiter, als a, und b weiter, als C, von L entfernt iſt, ſo werden, den Geſetzen der Gravitation gemaͤß, die naͤhern Theile bey a ſtaͤrker gegen L gravitiren, und daher mit mehr Geſchwindigkeit nach L zu bewegt werden, als der Mittelpunkt C; hingegen werden die entferntern Theile bey b weniger, als der Mittelpunkt C, nach L gravitiren, und alſo langſamer, als C, gegen L bewegt werden. Was die feſte Kugel betrift, ſo kann dieſer Unterſchied der Geſchwindigkeiten wegen des Zuſammenhangs ihrer Theile keine Wirkungen aͤußern; in Abſicht der fluͤßigen Bedeckung aber
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