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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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hat, verdient Glauben; auch führt Priestley aus dem Vossius (De natura lucis, Amst. 1662. 4.) an, daß diese Entdeckung von dem Professor Hortensius in Leiden sey vorgetragen worden, obgleich Herr Scheibel (Einl. in die mathemat. Bücherkenntniß, Th. II. S. 326.) sagt, er habe dies nicht im Vossius gefunden.

Nach Huygens Nachricht fand Snellius, daß sich (Taf. IV. Fig. 72.) bey Brechungen durch eben dieselben Mittel die Linien CK und CO (d. i. der gebrochene Stral, und die Verlängerung des einfallenden bis an die mit dem Einfallslothe RH gleichlaufende Linie KD) in einem beständigen Verhältnisse befänden, welches beym Uebergange aus Luft in Glas 3:2, bey dem aus Luft in Wasser 4:3 sey. Die Linen CK und CO stellen (wenn CD der Sinustotus ist) die Cosecanten der Winkel CKD und COD vor, von welchen der erste dem Brechungswinkel KCH, der zweyte dem Einfallswinkel SCR gleich ist; daher der Satz so viel sagt, als: Die Cosecanten des Brechungs- und des Einfallswinkels sind für einerley Mittel in einem beständigen Verhältnisse. Es fehlte nur dies noch, daß Snellius nicht daran gedacht hatte, für das Verhältniß der Cosecanten das ihm gleiche umgekehrte Verhältniß der Sinus zu substituiren, und so den Vortrag bequemer zu machen.

Mit dieser leichten Veränderung, und also völlig, wie oben bey I und II, trug es Descartes in seiner 1637 erschienenen Dioptrik vor, ohne Benennung des Erfinders, und als eine Folge aus seinen speculativen Untersuchungen über die Natur der Brechung eingekleidet, ob er gleich, wie Huygens gewiß zu wissen behauptet, des Snellius Handschriften gelesen hatte, aus welchen der Satz: Die Sinus des Einfalls- und Brechungswinkels sind für einerley Mittel in beständigem Verhältnisse, mit so leichter Mühe zu ziehen war. Montucla, der doch sonst den Descartes gern vertheidigt, wagt es nicht, den Verdacht dieses Plagiats von ihm abzulehnen; er führt nur an, Huygens erkläre doch die Sache nicht geradehin


hat, verdient Glauben; auch fuͤhrt Prieſtley aus dem Voſſius (De natura lucis, Amſt. 1662. 4.) an, daß dieſe Entdeckung von dem Profeſſor Hortenſius in Leiden ſey vorgetragen worden, obgleich Herr Scheibel (Einl. in die mathemat. Buͤcherkenntniß, Th. II. S. 326.) ſagt, er habe dies nicht im Voſſius gefunden.

Nach Huygens Nachricht fand Snellius, daß ſich (Taf. IV. Fig. 72.) bey Brechungen durch eben dieſelben Mittel die Linien CK und CO (d. i. der gebrochene Stral, und die Verlaͤngerung des einfallenden bis an die mit dem Einfallslothe RH gleichlaufende Linie KD) in einem beſtaͤndigen Verhaͤltniſſe befaͤnden, welches beym Uebergange aus Luft in Glas 3:2, bey dem aus Luft in Waſſer 4:3 ſey. Die Linen CK und CO ſtellen (wenn CD der Sinustotus iſt) die Coſecanten der Winkel CKD und COD vor, von welchen der erſte dem Brechungswinkel KCH, der zweyte dem Einfallswinkel SCR gleich iſt; daher der Satz ſo viel ſagt, als: Die Coſecanten des Brechungs- und des Einfallswinkels ſind fuͤr einerley Mittel in einem beſtaͤndigen Verhaͤltniſſe. Es fehlte nur dies noch, daß Snellius nicht daran gedacht hatte, fuͤr das Verhaͤltniß der Coſecanten das ihm gleiche umgekehrte Verhaͤltniß der Sinus zu ſubſtituiren, und ſo den Vortrag bequemer zu machen.

Mit dieſer leichten Veraͤnderung, und alſo voͤllig, wie oben bey I und II, trug es Descartes in ſeiner 1637 erſchienenen Dioptrik vor, ohne Benennung des Erfinders, und als eine Folge aus ſeinen ſpeculativen Unterſuchungen uͤber die Natur der Brechung eingekleidet, ob er gleich, wie Huygens gewiß zu wiſſen behauptet, des Snellius Handſchriften geleſen hatte, aus welchen der Satz: Die Sinus des Einfalls- und Brechungswinkels ſind fuͤr einerley Mittel in beſtaͤndigem Verhaͤltniſſe, mit ſo leichter Muͤhe zu ziehen war. Montucla, der doch ſonſt den Descartes gern vertheidigt, wagt es nicht, den Verdacht dieſes Plagiats von ihm abzulehnen; er fuͤhrt nur an, Huygens erklaͤre doch die Sache nicht geradehin

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[417/0431] hat, verdient Glauben; auch fuͤhrt Prieſtley aus dem Voſſius (De natura lucis, Amſt. 1662. 4.) an, daß dieſe Entdeckung von dem Profeſſor Hortenſius in Leiden ſey vorgetragen worden, obgleich Herr Scheibel (Einl. in die mathemat. Buͤcherkenntniß, Th. II. S. 326.) ſagt, er habe dies nicht im Voſſius gefunden. Nach Huygens Nachricht fand Snellius, daß ſich (Taf. IV. Fig. 72.) bey Brechungen durch eben dieſelben Mittel die Linien CK und CO (d. i. der gebrochene Stral, und die Verlaͤngerung des einfallenden bis an die mit dem Einfallslothe RH gleichlaufende Linie KD) in einem beſtaͤndigen Verhaͤltniſſe befaͤnden, welches beym Uebergange aus Luft in Glas 3:2, bey dem aus Luft in Waſſer 4:3 ſey. Die Linen CK und CO ſtellen (wenn CD der Sinustotus iſt) die Coſecanten der Winkel CKD und COD vor, von welchen der erſte dem Brechungswinkel KCH, der zweyte dem Einfallswinkel SCR gleich iſt; daher der Satz ſo viel ſagt, als: Die Coſecanten des Brechungs- und des Einfallswinkels ſind fuͤr einerley Mittel in einem beſtaͤndigen Verhaͤltniſſe. Es fehlte nur dies noch, daß Snellius nicht daran gedacht hatte, fuͤr das Verhaͤltniß der Coſecanten das ihm gleiche umgekehrte Verhaͤltniß der Sinus zu ſubſtituiren, und ſo den Vortrag bequemer zu machen. Mit dieſer leichten Veraͤnderung, und alſo voͤllig, wie oben bey I und II, trug es Descartes in ſeiner 1637 erſchienenen Dioptrik vor, ohne Benennung des Erfinders, und als eine Folge aus ſeinen ſpeculativen Unterſuchungen uͤber die Natur der Brechung eingekleidet, ob er gleich, wie Huygens gewiß zu wiſſen behauptet, des Snellius Handſchriften geleſen hatte, aus welchen der Satz: Die Sinus des Einfalls- und Brechungswinkels ſind fuͤr einerley Mittel in beſtaͤndigem Verhaͤltniſſe, mit ſo leichter Muͤhe zu ziehen war. Montucla, der doch ſonſt den Descartes gern vertheidigt, wagt es nicht, den Verdacht dieſes Plagiats von ihm abzulehnen; er fuͤhrt nur an, Huygens erklaͤre doch die Sache nicht geradehin

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/431>, abgerufen am 17.05.2024.