Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


behauptet. In seiner Abhandlung von der Stärke der elektrischen Kraft des Wassers in gläsernen Gefäßen (Leipz. 1746. 8.) untersucht er in einem eignen Capitel die Frage, ob Schlag und Funken der verstärkten Elektricität für eine Art des Donners und Blitzes zu halten sind? Er vergleicht die Erscheinungen und Wirkungen beyder, und schließt aus denselben auf eine vollkommene und wesentliche Gleichheit, wobey der einzige Unterschied in den Grad der Stärke zu setzen sey. Mir wenigstens ist keine ältere Schrift bekannt, in welcher diese für die Physik und das Wohl der Menschen wichtige Entdeckung mit einer so unbedingten Gewißheit vorgetragen wäre. Ich glaube dies zur Ehre der Deutschen und aus Dankbarkeit gegen meinen Lehrer bemerken zu müssen, da es allgemein eingeführt ist, Franklin als den ersten Urheber dieser Entdeckung zu nennen. Winkler selbst (Progr. de avertendi fulminis artificio, Lips. 1753.) führt seine Behauptung auch als die ältere und erste an. Allein er war zu bescheiden, um sein Recht darauf gegen Franklin mit Nachdruck geltend zu machen, zumal da er wohl einsahe, daß dieser große Mann sie nicht von ihm entlehnt, auch viel weiter als er verfolgt, zuverläßiger erwiesen, und früher zum praktischen Nutzen angewendet hatte. Es ist oft das Schicksal der Deutschen gewesen, daß eine ähnliche Bescheidenheit ihnen verdienten Ruhm entzogen hat.

D. Franklin in Philadelphia war um das Jahr 1747, so wie Nollet und Winkler, auf die große Aehnlichkeit des Blitzes mit den Erscheinungen des elektrischen Funkens aufmerksam geworden, und schlug bald nachher ein kühnes Mittel vor, die Meinung von der Gleichheit beyder durch Versuche zu prüfen. Da er es zur Gewißheit gebracht hatte, daß spitzige Körper die Elektricität weit mehr und aus größern Entfernungen, als stumpfe, anzögen (s. Spitzen), so verfiel er auf den großen Gedanken, durch spitzige metallische Stangen den Blitz vom Himmel herab zu locken. Er machte die Erklärungen und Vorschlägehierüber in seinen Briefen an Collinson bekannt (New exp. and obs. on electricity in several letters to


behauptet. In ſeiner Abhandlung von der Staͤrke der elektriſchen Kraft des Waſſers in glaͤſernen Gefaͤßen (Leipz. 1746. 8.) unterſucht er in einem eignen Capitel die Frage, ob Schlag und Funken der verſtaͤrkten Elektricitaͤt fuͤr eine Art des Donners und Blitzes zu halten ſind? Er vergleicht die Erſcheinungen und Wirkungen beyder, und ſchließt aus denſelben auf eine vollkommene und weſentliche Gleichheit, wobey der einzige Unterſchied in den Grad der Staͤrke zu ſetzen ſey. Mir wenigſtens iſt keine aͤltere Schrift bekannt, in welcher dieſe fuͤr die Phyſik und das Wohl der Menſchen wichtige Entdeckung mit einer ſo unbedingten Gewißheit vorgetragen waͤre. Ich glaube dies zur Ehre der Deutſchen und aus Dankbarkeit gegen meinen Lehrer bemerken zu muͤſſen, da es allgemein eingefuͤhrt iſt, Franklin als den erſten Urheber dieſer Entdeckung zu nennen. Winkler ſelbſt (Progr. de avertendi fulminis artificio, Lipſ. 1753.) fuͤhrt ſeine Behauptung auch als die aͤltere und erſte an. Allein er war zu beſcheiden, um ſein Recht darauf gegen Franklin mit Nachdruck geltend zu machen, zumal da er wohl einſahe, daß dieſer große Mann ſie nicht von ihm entlehnt, auch viel weiter als er verfolgt, zuverlaͤßiger erwieſen, und fruͤher zum praktiſchen Nutzen angewendet hatte. Es iſt oft das Schickſal der Deutſchen geweſen, daß eine aͤhnliche Beſcheidenheit ihnen verdienten Ruhm entzogen hat.

D. Franklin in Philadelphia war um das Jahr 1747, ſo wie Nollet und Winkler, auf die große Aehnlichkeit des Blitzes mit den Erſcheinungen des elektriſchen Funkens aufmerkſam geworden, und ſchlug bald nachher ein kuͤhnes Mittel vor, die Meinung von der Gleichheit beyder durch Verſuche zu pruͤfen. Da er es zur Gewißheit gebracht hatte, daß ſpitzige Koͤrper die Elektricitaͤt weit mehr und aus groͤßern Entfernungen, als ſtumpfe, anzoͤgen (ſ. Spitzen), ſo verfiel er auf den großen Gedanken, durch ſpitzige metalliſche Stangen den Blitz vom Himmel herab zu locken. Er machte die Erklaͤrungen und Vorſchlaͤgehieruͤber in ſeinen Briefen an Collinſon bekannt (New exp. and obſ. on electricity in ſeveral letters to

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0383" xml:id="P.1.369" n="369"/><lb/>
behauptet. In &#x017F;einer Abhandlung von der Sta&#x0364;rke der elektri&#x017F;chen Kraft des Wa&#x017F;&#x017F;ers in gla&#x0364;&#x017F;ernen Gefa&#x0364;ßen (Leipz. 1746. 8.) unter&#x017F;ucht er in einem eignen Capitel die Frage, ob Schlag und Funken der ver&#x017F;ta&#x0364;rkten Elektricita&#x0364;t fu&#x0364;r eine Art des Donners und Blitzes zu halten &#x017F;ind? Er vergleicht die Er&#x017F;cheinungen und Wirkungen beyder, und &#x017F;chließt aus den&#x017F;elben auf eine vollkommene und we&#x017F;entliche Gleichheit, wobey der <hi rendition="#b">einzige</hi> Unter&#x017F;chied in den Grad der Sta&#x0364;rke zu &#x017F;etzen &#x017F;ey. Mir wenig&#x017F;tens i&#x017F;t keine a&#x0364;ltere Schrift bekannt, in welcher die&#x017F;e fu&#x0364;r die Phy&#x017F;ik und das Wohl der Men&#x017F;chen wichtige Entdeckung mit einer &#x017F;o unbedingten Gewißheit vorgetragen wa&#x0364;re. Ich glaube dies zur Ehre der Deut&#x017F;chen und aus Dankbarkeit gegen meinen Lehrer bemerken zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, da es allgemein eingefu&#x0364;hrt i&#x017F;t, <hi rendition="#b">Franklin</hi> als den er&#x017F;ten Urheber die&#x017F;er Entdeckung zu nennen. Winkler &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#aq">(Progr. de avertendi fulminis artificio, Lip&#x017F;. 1753.)</hi> fu&#x0364;hrt &#x017F;eine Behauptung auch als die a&#x0364;ltere und er&#x017F;te an. Allein er war zu be&#x017F;cheiden, um &#x017F;ein Recht darauf gegen Franklin mit Nachdruck geltend zu machen, zumal da er wohl ein&#x017F;ahe, daß die&#x017F;er große Mann &#x017F;ie nicht von ihm entlehnt, auch viel weiter als er verfolgt, zuverla&#x0364;ßiger erwie&#x017F;en, und fru&#x0364;her zum prakti&#x017F;chen Nutzen angewendet hatte. Es i&#x017F;t oft das Schick&#x017F;al der Deut&#x017F;chen gewe&#x017F;en, daß eine a&#x0364;hnliche Be&#x017F;cheidenheit ihnen <hi rendition="#b">verdienten</hi> Ruhm entzogen hat.</p>
          <p>D. <hi rendition="#b">Franklin</hi> in Philadelphia war um das Jahr 1747, &#x017F;o wie <hi rendition="#b">Nollet</hi> und <hi rendition="#b">Winkler,</hi> auf die große Aehnlichkeit des Blitzes mit den Er&#x017F;cheinungen des elektri&#x017F;chen Funkens aufmerk&#x017F;am geworden, und &#x017F;chlug bald nachher ein ku&#x0364;hnes Mittel vor, die Meinung von der Gleichheit beyder durch Ver&#x017F;uche zu pru&#x0364;fen. Da er es zur Gewißheit gebracht hatte, daß &#x017F;pitzige Ko&#x0364;rper die Elektricita&#x0364;t weit mehr und aus gro&#x0364;ßern Entfernungen, als &#x017F;tumpfe, anzo&#x0364;gen (<hi rendition="#b">&#x017F;. Spitzen</hi>), &#x017F;o verfiel er auf den großen Gedanken, durch &#x017F;pitzige metalli&#x017F;che Stangen den Blitz vom Himmel herab zu locken. Er machte die Erkla&#x0364;rungen und Vor&#x017F;chla&#x0364;gehieru&#x0364;ber in &#x017F;einen Briefen an Collin&#x017F;on bekannt (<hi rendition="#aq">New exp. and ob&#x017F;. on electricity in &#x017F;everal letters to<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0383] behauptet. In ſeiner Abhandlung von der Staͤrke der elektriſchen Kraft des Waſſers in glaͤſernen Gefaͤßen (Leipz. 1746. 8.) unterſucht er in einem eignen Capitel die Frage, ob Schlag und Funken der verſtaͤrkten Elektricitaͤt fuͤr eine Art des Donners und Blitzes zu halten ſind? Er vergleicht die Erſcheinungen und Wirkungen beyder, und ſchließt aus denſelben auf eine vollkommene und weſentliche Gleichheit, wobey der einzige Unterſchied in den Grad der Staͤrke zu ſetzen ſey. Mir wenigſtens iſt keine aͤltere Schrift bekannt, in welcher dieſe fuͤr die Phyſik und das Wohl der Menſchen wichtige Entdeckung mit einer ſo unbedingten Gewißheit vorgetragen waͤre. Ich glaube dies zur Ehre der Deutſchen und aus Dankbarkeit gegen meinen Lehrer bemerken zu muͤſſen, da es allgemein eingefuͤhrt iſt, Franklin als den erſten Urheber dieſer Entdeckung zu nennen. Winkler ſelbſt (Progr. de avertendi fulminis artificio, Lipſ. 1753.) fuͤhrt ſeine Behauptung auch als die aͤltere und erſte an. Allein er war zu beſcheiden, um ſein Recht darauf gegen Franklin mit Nachdruck geltend zu machen, zumal da er wohl einſahe, daß dieſer große Mann ſie nicht von ihm entlehnt, auch viel weiter als er verfolgt, zuverlaͤßiger erwieſen, und fruͤher zum praktiſchen Nutzen angewendet hatte. Es iſt oft das Schickſal der Deutſchen geweſen, daß eine aͤhnliche Beſcheidenheit ihnen verdienten Ruhm entzogen hat. D. Franklin in Philadelphia war um das Jahr 1747, ſo wie Nollet und Winkler, auf die große Aehnlichkeit des Blitzes mit den Erſcheinungen des elektriſchen Funkens aufmerkſam geworden, und ſchlug bald nachher ein kuͤhnes Mittel vor, die Meinung von der Gleichheit beyder durch Verſuche zu pruͤfen. Da er es zur Gewißheit gebracht hatte, daß ſpitzige Koͤrper die Elektricitaͤt weit mehr und aus groͤßern Entfernungen, als ſtumpfe, anzoͤgen (ſ. Spitzen), ſo verfiel er auf den großen Gedanken, durch ſpitzige metalliſche Stangen den Blitz vom Himmel herab zu locken. Er machte die Erklaͤrungen und Vorſchlaͤgehieruͤber in ſeinen Briefen an Collinſon bekannt (New exp. and obſ. on electricity in ſeveral letters to

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/383
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/383>, abgerufen am 08.09.2024.