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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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in unendlich nahen Stellen des Weges sind unendlich wenig unterschieden, d. h. durch unendlich kleine Theile des Raums ist die Bewegung stets gleichförmig, wobey natürlich auch die Zeit, in welcher ein unendlich kleiner Theil des Raums durchlaufen wird, unendlich klein gesetzt werden muß.

Bey einer veränderten Bewegung heiße nun die Geschwindigkeit an irgend einer Stelle v, der zurückgelegte Raum s, die darauf verwendete Zeit t; so wird sich (nach den bey uns gewöhnlichen Bezeichnungen) der Raum um das Element ds äudern, indem die Zeit um das Element dt zunimmt. Da nun der unendlich kleine Raum ds in dem Zeittheile dt mit der an dieser Stelle statt findenden Geschwindigkeit v gleichförmig beschrieben wird, so ist auf welche Formel sich alle Betrachtungen veränderter Bewegung gründen. Die Formel selbst ist allgemein, und auch für gleichförmige Bewegung wahr; sie giebt, wenn man statt v eine beständige Geschwindigkeit=c setzt, durch Integration die obige Formel s=ct wieder.

Schriftsteller, welche hier der Rechnung des Unendlichen auszuweichen suchen, wie Musschenbroek (Introd. ad phil. nat. §. 343.) u. a., bedienen sich der Merhode der Grenzen der Verhältnisse und der Zeichnung. Da bey gleichförmigen Bewegungen der Raum dem Producte der Zeit in die Geschwindigkeit gleich ist, so zeichnen sie für diesen Raum ein Rechteck ABCZ (Taf. IV. Fig. 56.), dessen eine Seite AB die Zeit, die andere BC die Geschwindigkeit darstellet. Bey veränderten Bewegungen nehmen sie die Seite, welche die Zeit ausdrückt, in viele kleine Theile, gleichsam Zeitelemente, wie AD, DM rc. getheilt an, und setzen an jeden Theil eine senkrechte Linie, welche der demselben Zeittheile zukommenden Geschwindigkeit proportional ist, wie DE, MF rc. Diese Linien sollten eigentlich Elemente des Flächenraums, oder kleine Rechtecke, wie DdeE, seyn, welche ein Product der Geschwindigkeit DE in das Zeitelement Dd ausdrückten, wenn dadurch die Differentialformel ds=vdt, d.i. DdeE=DEXDd


in unendlich nahen Stellen des Weges ſind unendlich wenig unterſchieden, d. h. durch unendlich kleine Theile des Raums iſt die Bewegung ſtets gleichfoͤrmig, wobey natuͤrlich auch die Zeit, in welcher ein unendlich kleiner Theil des Raums durchlaufen wird, unendlich klein geſetzt werden muß.

Bey einer veraͤnderten Bewegung heiße nun die Geſchwindigkeit an irgend einer Stelle v, der zuruͤckgelegte Raum s, die darauf verwendete Zeit t; ſo wird ſich (nach den bey uns gewoͤhnlichen Bezeichnungen) der Raum um das Element ds aͤudern, indem die Zeit um das Element dt zunimmt. Da nun der unendlich kleine Raum ds in dem Zeittheile dt mit der an dieſer Stelle ſtatt findenden Geſchwindigkeit v gleichfoͤrmig beſchrieben wird, ſo iſt auf welche Formel ſich alle Betrachtungen veraͤnderter Bewegung gruͤnden. Die Formel ſelbſt iſt allgemein, und auch fuͤr gleichfoͤrmige Bewegung wahr; ſie giebt, wenn man ſtatt v eine beſtaͤndige Geſchwindigkeit=c ſetzt, durch Integration die obige Formel s=ct wieder.

Schriftſteller, welche hier der Rechnung des Unendlichen auszuweichen ſuchen, wie Muſſchenbroek (Introd. ad phil. nat. §. 343.) u. a., bedienen ſich der Merhode der Grenzen der Verhaͤltniſſe und der Zeichnung. Da bey gleichfoͤrmigen Bewegungen der Raum dem Producte der Zeit in die Geſchwindigkeit gleich iſt, ſo zeichnen ſie fuͤr dieſen Raum ein Rechteck ABCZ (Taf. IV. Fig. 56.), deſſen eine Seite AB die Zeit, die andere BC die Geſchwindigkeit darſtellet. Bey veraͤnderten Bewegungen nehmen ſie die Seite, welche die Zeit ausdruͤckt, in viele kleine Theile, gleichſam Zeitelemente, wie AD, DM rc. getheilt an, und ſetzen an jeden Theil eine ſenkrechte Linie, welche der demſelben Zeittheile zukommenden Geſchwindigkeit proportional iſt, wie DE, MF rc. Dieſe Linien ſollten eigentlich Elemente des Flaͤchenraums, oder kleine Rechtecke, wie DdeE, ſeyn, welche ein Product der Geſchwindigkeit DE in das Zeitelement Dd ausdruͤckten, wenn dadurch die Differentialformel ds=vdt, d.i. DdeE=DEXDd

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[335/0349] in unendlich nahen Stellen des Weges ſind unendlich wenig unterſchieden, d. h. durch unendlich kleine Theile des Raums iſt die Bewegung ſtets gleichfoͤrmig, wobey natuͤrlich auch die Zeit, in welcher ein unendlich kleiner Theil des Raums durchlaufen wird, unendlich klein geſetzt werden muß. Bey einer veraͤnderten Bewegung heiße nun die Geſchwindigkeit an irgend einer Stelle v, der zuruͤckgelegte Raum s, die darauf verwendete Zeit t; ſo wird ſich (nach den bey uns gewoͤhnlichen Bezeichnungen) der Raum um das Element ds aͤudern, indem die Zeit um das Element dt zunimmt. Da nun der unendlich kleine Raum ds in dem Zeittheile dt mit der an dieſer Stelle ſtatt findenden Geſchwindigkeit v gleichfoͤrmig beſchrieben wird, ſo iſt auf welche Formel ſich alle Betrachtungen veraͤnderter Bewegung gruͤnden. Die Formel ſelbſt iſt allgemein, und auch fuͤr gleichfoͤrmige Bewegung wahr; ſie giebt, wenn man ſtatt v eine beſtaͤndige Geſchwindigkeit=c ſetzt, durch Integration die obige Formel s=ct wieder. Schriftſteller, welche hier der Rechnung des Unendlichen auszuweichen ſuchen, wie Muſſchenbroek (Introd. ad phil. nat. §. 343.) u. a., bedienen ſich der Merhode der Grenzen der Verhaͤltniſſe und der Zeichnung. Da bey gleichfoͤrmigen Bewegungen der Raum dem Producte der Zeit in die Geſchwindigkeit gleich iſt, ſo zeichnen ſie fuͤr dieſen Raum ein Rechteck ABCZ (Taf. IV. Fig. 56.), deſſen eine Seite AB die Zeit, die andere BC die Geſchwindigkeit darſtellet. Bey veraͤnderten Bewegungen nehmen ſie die Seite, welche die Zeit ausdruͤckt, in viele kleine Theile, gleichſam Zeitelemente, wie AD, DM rc. getheilt an, und ſetzen an jeden Theil eine ſenkrechte Linie, welche der demſelben Zeittheile zukommenden Geſchwindigkeit proportional iſt, wie DE, MF rc. Dieſe Linien ſollten eigentlich Elemente des Flaͤchenraums, oder kleine Rechtecke, wie DdeE, ſeyn, welche ein Product der Geſchwindigkeit DE in das Zeitelement Dd ausdruͤckten, wenn dadurch die Differentialformel ds=vdt, d.i. DdeE=DEXDd

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/349>, abgerufen am 17.05.2024.