Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Oft heißt aber auch ein Theil eines Körpers beweglich (mobilitas respectiva), wenn man ihn mit geringer Kraft in andere Lagen gegen die übrigen Theile bringen kan, z. B. das bewegliche Fernrohr am Quadranten. Bewegung, Motus, Mouvement. Bewegung ist Veränderung des Orts, oder der Zustand eines Körpers, in dem er seinen Ort ändert. Es gehört nicht hieher, die metaphysischen Begriffe von Raum, Ort und Bewegung aus einander zu setzen, oder die Zweifel zu heben, welche die Sceptiker der Wirklichkeit der Bewegungen entgegengesetzt haben. Uns ist genug, daß wir durch alle unsere Sinne an den Körpern unzählbare Veränderungen ihres Orts wahrnehmen, daher der Ausdruck: Ein Ding bewegt sich, auch dem gemeinsten Menschen verständlich ist. Alle Veränderungen der Körperwelt geschehen durch Bewegung, ohne welche die ganze Natur todt und unwirksam seyn würde. Daher kan der Naturforscher die Bewegung als ein unstreitiges, durch unzählbare Beobachtungen erwiesenes, Phänomen annehmen, ohne sich in metaphysische Labyrinthe zu verirren, in welchen er wenig für das Wohl seiner Mitmenschen Brauchbares zu finden hoffen darf. Und wenn er seine Unwissenheit über die Natur und den Ursprung der Bewegungen offenherzig gestehen muß, so kan er sich dagegen rühmen, das eigentlich Brauchbare -- die Gesetze der Bewegung -- ziemlich genau zu kennen. Wir bestimmen das Wo oder den Ort, in dem sich ein Körper befindet, durch seine Lage gegen andere Gegenstände, und nehmen also da Bewegung an, wo sich eines Körpers Lage gegen andere ändert. Abwesenheit der Bewegung, oder Beharren in ebenderselben Lage gegen andere Körper, heißt für uns Ruhe. So scheint uns der Horizont zu ruhen, weil er gegen uns selbst und gegen die irdischen Gegenstände immer einerley Lage behält. Aendert
Oft heißt aber auch ein Theil eines Koͤrpers beweglich (mobilitas reſpectiva), wenn man ihn mit geringer Kraft in andere Lagen gegen die uͤbrigen Theile bringen kan, z. B. das bewegliche Fernrohr am Quadranten. Bewegung, Motus, Mouvement. Bewegung iſt Veraͤnderung des Orts, oder der Zuſtand eines Koͤrpers, in dem er ſeinen Ort aͤndert. Es gehoͤrt nicht hieher, die metaphyſiſchen Begriffe von Raum, Ort und Bewegung aus einander zu ſetzen, oder die Zweifel zu heben, welche die Sceptiker der Wirklichkeit der Bewegungen entgegengeſetzt haben. Uns iſt genug, daß wir durch alle unſere Sinne an den Koͤrpern unzaͤhlbare Veraͤnderungen ihres Orts wahrnehmen, daher der Ausdruck: Ein Ding bewegt ſich, auch dem gemeinſten Menſchen verſtaͤndlich iſt. Alle Veraͤnderungen der Koͤrperwelt geſchehen durch Bewegung, ohne welche die ganze Natur todt und unwirkſam ſeyn wuͤrde. Daher kan der Naturforſcher die Bewegung als ein unſtreitiges, durch unzaͤhlbare Beobachtungen erwieſenes, Phaͤnomen annehmen, ohne ſich in metaphyſiſche Labyrinthe zu verirren, in welchen er wenig fuͤr das Wohl ſeiner Mitmenſchen Brauchbares zu finden hoffen darf. Und wenn er ſeine Unwiſſenheit uͤber die Natur und den Urſprung der Bewegungen offenherzig geſtehen muß, ſo kan er ſich dagegen ruͤhmen, das eigentlich Brauchbare — die Geſetze der Bewegung — ziemlich genau zu kennen. Wir beſtimmen das Wo oder den Ort, in dem ſich ein Koͤrper befindet, durch ſeine Lage gegen andere Gegenſtaͤnde, und nehmen alſo da Bewegung an, wo ſich eines Koͤrpers Lage gegen andere aͤndert. Abweſenheit der Bewegung, oder Beharren in ebenderſelben Lage gegen andere Koͤrper, heißt fuͤr uns Ruhe. So ſcheint uns der Horizont zu ruhen, weil er gegen uns ſelbſt und gegen die irdiſchen Gegenſtaͤnde immer einerley Lage behaͤlt. Aendert <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0334" xml:id="P.1.320" n="320"/><lb/> oder fuͤr ein allgemeines Phaͤnomen der Koͤrper an; in dieſer Bedeutung des Worts iſt alle Materie beweglich <hi rendition="#aq">(mobilitas abſoluta).</hi></p> <p>Oft heißt aber auch <hi rendition="#b">ein Theil</hi> eines Koͤrpers beweglich <hi rendition="#aq">(mobilitas reſpectiva),</hi> wenn man ihn mit geringer Kraft in andere Lagen gegen die uͤbrigen Theile bringen kan, z. B. das bewegliche Fernrohr am Quadranten.</p> </div> <div n="2"> <head>Bewegung, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Motus</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Mouvement</hi></foreign></name>.</head><lb/> <p>Bewegung iſt Veraͤnderung des Orts, oder der Zuſtand eines Koͤrpers, in dem er ſeinen Ort aͤndert. Es gehoͤrt nicht hieher, die metaphyſiſchen Begriffe von Raum, Ort und Bewegung aus einander zu ſetzen, oder die Zweifel zu heben, welche die Sceptiker der Wirklichkeit der Bewegungen entgegengeſetzt haben. Uns iſt genug, daß wir durch alle unſere Sinne an den Koͤrpern unzaͤhlbare Veraͤnderungen ihres Orts wahrnehmen, daher der Ausdruck: Ein Ding bewegt ſich, auch dem gemeinſten Menſchen verſtaͤndlich iſt. Alle Veraͤnderungen der Koͤrperwelt geſchehen durch Bewegung, ohne welche die ganze Natur todt und unwirkſam ſeyn wuͤrde. Daher kan der Naturforſcher die Bewegung als ein unſtreitiges, durch unzaͤhlbare Beobachtungen erwieſenes, <hi rendition="#b">Phaͤnomen</hi> annehmen, ohne ſich in metaphyſiſche Labyrinthe zu verirren, in welchen er wenig fuͤr das Wohl ſeiner Mitmenſchen Brauchbares zu finden hoffen darf. Und wenn er ſeine Unwiſſenheit uͤber die Natur und den Urſprung der Bewegungen offenherzig geſtehen muß, ſo kan er ſich dagegen ruͤhmen, das eigentlich Brauchbare — die Geſetze der Bewegung — ziemlich genau zu kennen.</p> <p>Wir beſtimmen das <hi rendition="#b">Wo</hi> oder den Ort, in dem ſich ein Koͤrper befindet, durch ſeine Lage gegen andere Gegenſtaͤnde, und nehmen alſo da Bewegung an, wo ſich eines Koͤrpers Lage gegen andere aͤndert. Abweſenheit der Bewegung, oder Beharren in ebenderſelben Lage gegen andere Koͤrper, heißt fuͤr uns <hi rendition="#b">Ruhe.</hi> So ſcheint uns der Horizont zu ruhen, weil er gegen uns ſelbſt und gegen die irdiſchen Gegenſtaͤnde immer einerley Lage behaͤlt. Aendert<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0334]
oder fuͤr ein allgemeines Phaͤnomen der Koͤrper an; in dieſer Bedeutung des Worts iſt alle Materie beweglich (mobilitas abſoluta).
Oft heißt aber auch ein Theil eines Koͤrpers beweglich (mobilitas reſpectiva), wenn man ihn mit geringer Kraft in andere Lagen gegen die uͤbrigen Theile bringen kan, z. B. das bewegliche Fernrohr am Quadranten.
Bewegung, Motus, Mouvement.
Bewegung iſt Veraͤnderung des Orts, oder der Zuſtand eines Koͤrpers, in dem er ſeinen Ort aͤndert. Es gehoͤrt nicht hieher, die metaphyſiſchen Begriffe von Raum, Ort und Bewegung aus einander zu ſetzen, oder die Zweifel zu heben, welche die Sceptiker der Wirklichkeit der Bewegungen entgegengeſetzt haben. Uns iſt genug, daß wir durch alle unſere Sinne an den Koͤrpern unzaͤhlbare Veraͤnderungen ihres Orts wahrnehmen, daher der Ausdruck: Ein Ding bewegt ſich, auch dem gemeinſten Menſchen verſtaͤndlich iſt. Alle Veraͤnderungen der Koͤrperwelt geſchehen durch Bewegung, ohne welche die ganze Natur todt und unwirkſam ſeyn wuͤrde. Daher kan der Naturforſcher die Bewegung als ein unſtreitiges, durch unzaͤhlbare Beobachtungen erwieſenes, Phaͤnomen annehmen, ohne ſich in metaphyſiſche Labyrinthe zu verirren, in welchen er wenig fuͤr das Wohl ſeiner Mitmenſchen Brauchbares zu finden hoffen darf. Und wenn er ſeine Unwiſſenheit uͤber die Natur und den Urſprung der Bewegungen offenherzig geſtehen muß, ſo kan er ſich dagegen ruͤhmen, das eigentlich Brauchbare — die Geſetze der Bewegung — ziemlich genau zu kennen.
Wir beſtimmen das Wo oder den Ort, in dem ſich ein Koͤrper befindet, durch ſeine Lage gegen andere Gegenſtaͤnde, und nehmen alſo da Bewegung an, wo ſich eines Koͤrpers Lage gegen andere aͤndert. Abweſenheit der Bewegung, oder Beharren in ebenderſelben Lage gegen andere Koͤrper, heißt fuͤr uns Ruhe. So ſcheint uns der Horizont zu ruhen, weil er gegen uns ſelbſt und gegen die irdiſchen Gegenſtaͤnde immer einerley Lage behaͤlt. Aendert
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