Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Grimaldi ließ durch ein kleines Loch in ein verfinstertes Zimmer einen Stral fallen, der darinn einen Lichtkegel bildete. Hielt er nun einen dunkeln Körper in beträchtlicher Entfernung vom Loche in diesen Lichtkegel, so fand er den Schatten desselben viel breiter, als er der Berechnung nach bey geradem Fortgange der Lichtstralen hätte seyn können. Auch sahe er um den Schatten herum mehrere farbichte Lichtstreifen, nach dem Schatten zu durch Blau, vom Schatten ab durch Roth begrenzt. Solche farbichte Streifen zeigten sich auch innerhalb des Schattens. Sie nahmen nach den verschiedenen Winkeln des dunkeln Körpers verschiedene Krümmungen an. Grimaldi wendet übrigens diese wichtige Entdeckung blos auf die Entscheidung der sehr unwichtigen Frage an, ob das Licht eine Substanz oder Qualität sey, und entscheidet endlich für die Aristoteliker dahin, es sey eine qualitas, aber nicht substantialis, sondern accidentalis.

Newton hat diese Versuche des Grimaldi und Hook viel weiter getrieben, und im dritten Buche seiner Optik weitläuftig davon gehandelt. Er fand im verfinsterten Zimmer den Schatten eines Haares viel breiter, als ihn gerade fortgehende Stralen machen konnten. Er schloß aus den Phänomenen, daß das Haar in eine ziemliche Entfernung auf die Lichtstralen wirke, und die nächsten am stärksten, entferntere immer weniger, von sich ablenke. Eben diese Erscheinungen zeigten Ritze auf polirten Glasplatten, und Haare, zwischen solche Platten gelegt. Die Schatten aller Körper fand er mit drey farbigen Lichtsäumen umgeben, deren Breiten und Zwischenräume sich wie die Zahlen 1, sqrt1/2, sqrt1/3, sqrt1/4, sqrt1/5 verhielten.

Er ließ einen Lichtstral zwischen zwoen scharfen etwa (1/400) Zoll von einander entfernten Messerschneiden durchgehen. Dieser theilte sich in zween Theile, und ließ zwischen beyden einen dunkeln schwarzen Schatten, welcher desto breiter ward, je näher er die Schneiden zusammenrückte, bis endlich bey der Berührung derselben alles Licht verschwand. Dasjenige Licht nemlich, welches zunächst an


Grimaldi ließ durch ein kleines Loch in ein verfinſtertes Zimmer einen Stral fallen, der darinn einen Lichtkegel bildete. Hielt er nun einen dunkeln Koͤrper in betraͤchtlicher Entfernung vom Loche in dieſen Lichtkegel, ſo fand er den Schatten deſſelben viel breiter, als er der Berechnung nach bey geradem Fortgange der Lichtſtralen haͤtte ſeyn koͤnnen. Auch ſahe er um den Schatten herum mehrere farbichte Lichtſtreifen, nach dem Schatten zu durch Blau, vom Schatten ab durch Roth begrenzt. Solche farbichte Streifen zeigten ſich auch innerhalb des Schattens. Sie nahmen nach den verſchiedenen Winkeln des dunkeln Koͤrpers verſchiedene Kruͤmmungen an. Grimaldi wendet uͤbrigens dieſe wichtige Entdeckung blos auf die Entſcheidung der ſehr unwichtigen Frage an, ob das Licht eine Subſtanz oder Qualitaͤt ſey, und entſcheidet endlich fuͤr die Ariſtoteliker dahin, es ſey eine qualitas, aber nicht ſubſtantialis, ſondern accidentalis.

Newton hat dieſe Verſuche des Grimaldi und Hook viel weiter getrieben, und im dritten Buche ſeiner Optik weitlaͤuftig davon gehandelt. Er fand im verfinſterten Zimmer den Schatten eines Haares viel breiter, als ihn gerade fortgehende Stralen machen konnten. Er ſchloß aus den Phaͤnomenen, daß das Haar in eine ziemliche Entfernung auf die Lichtſtralen wirke, und die naͤchſten am ſtaͤrkſten, entferntere immer weniger, von ſich ablenke. Eben dieſe Erſcheinungen zeigten Ritze auf polirten Glasplatten, und Haare, zwiſchen ſolche Platten gelegt. Die Schatten aller Koͤrper fand er mit drey farbigen Lichtſaͤumen umgeben, deren Breiten und Zwiſchenraͤume ſich wie die Zahlen 1, √1/2, √1/3, √1/4, √1/5 verhielten.

Er ließ einen Lichtſtral zwiſchen zwoen ſcharfen etwa (1/400) Zoll von einander entfernten Meſſerſchneiden durchgehen. Dieſer theilte ſich in zween Theile, und ließ zwiſchen beyden einen dunkeln ſchwarzen Schatten, welcher deſto breiter ward, je naͤher er die Schneiden zuſammenruͤckte, bis endlich bey der Beruͤhrung derſelben alles Licht verſchwand. Dasjenige Licht nemlich, welches zunaͤchſt an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0330" xml:id="P.1.316" n="316"/><lb/>
          </p>
          <p><hi rendition="#b">Grimaldi</hi> ließ durch ein kleines Loch in ein verfin&#x017F;tertes Zimmer einen Stral fallen, der darinn einen Lichtkegel bildete. Hielt er nun einen dunkeln Ko&#x0364;rper in betra&#x0364;chtlicher Entfernung vom Loche in die&#x017F;en Lichtkegel, &#x017F;o fand er den Schatten de&#x017F;&#x017F;elben viel breiter, als er der Berechnung nach bey geradem Fortgange der Licht&#x017F;tralen ha&#x0364;tte &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen. Auch &#x017F;ahe er um den Schatten herum mehrere farbichte Licht&#x017F;treifen, nach dem Schatten zu durch Blau, vom Schatten ab durch Roth begrenzt. Solche farbichte Streifen zeigten &#x017F;ich auch innerhalb des Schattens. Sie nahmen nach den ver&#x017F;chiedenen Winkeln des dunkeln Ko&#x0364;rpers ver&#x017F;chiedene Kru&#x0364;mmungen an. Grimaldi wendet u&#x0364;brigens die&#x017F;e wichtige Entdeckung blos auf die Ent&#x017F;cheidung der &#x017F;ehr unwichtigen Frage an, ob das Licht eine Sub&#x017F;tanz oder Qualita&#x0364;t &#x017F;ey, und ent&#x017F;cheidet endlich fu&#x0364;r die Ari&#x017F;toteliker dahin, es &#x017F;ey eine <hi rendition="#aq">qualitas,</hi> aber nicht <hi rendition="#aq">&#x017F;ub&#x017F;tantialis,</hi> &#x017F;ondern <hi rendition="#aq">accidentalis.</hi></p>
          <p><hi rendition="#b">Newton</hi> hat die&#x017F;e Ver&#x017F;uche des Grimaldi und Hook viel weiter getrieben, und im dritten Buche &#x017F;einer Optik weitla&#x0364;uftig davon gehandelt. Er fand im verfin&#x017F;terten Zimmer den Schatten eines Haares viel breiter, als ihn gerade fortgehende Stralen machen konnten. Er &#x017F;chloß aus den Pha&#x0364;nomenen, daß das Haar in eine ziemliche Entfernung auf die Licht&#x017F;tralen wirke, und die na&#x0364;ch&#x017F;ten am &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten, entferntere immer weniger, von &#x017F;ich ablenke. Eben die&#x017F;e Er&#x017F;cheinungen zeigten Ritze auf polirten Glasplatten, und Haare, zwi&#x017F;chen &#x017F;olche Platten gelegt. Die Schatten aller Ko&#x0364;rper fand er mit drey farbigen Licht&#x017F;a&#x0364;umen umgeben, deren Breiten und Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume &#x017F;ich wie die Zahlen 1, &#x221A;1/2, &#x221A;1/3, &#x221A;1/4, &#x221A;1/5 verhielten.</p>
          <p>Er ließ einen Licht&#x017F;tral zwi&#x017F;chen zwoen &#x017F;charfen etwa (1/400) Zoll von einander entfernten Me&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chneiden durchgehen. Die&#x017F;er theilte &#x017F;ich in zween Theile, und ließ zwi&#x017F;chen beyden einen dunkeln &#x017F;chwarzen Schatten, welcher de&#x017F;to breiter ward, je na&#x0364;her er die Schneiden zu&#x017F;ammenru&#x0364;ckte, bis endlich bey der Beru&#x0364;hrung der&#x017F;elben alles Licht ver&#x017F;chwand. Dasjenige Licht nemlich, welches zuna&#x0364;ch&#x017F;t an<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0330] Grimaldi ließ durch ein kleines Loch in ein verfinſtertes Zimmer einen Stral fallen, der darinn einen Lichtkegel bildete. Hielt er nun einen dunkeln Koͤrper in betraͤchtlicher Entfernung vom Loche in dieſen Lichtkegel, ſo fand er den Schatten deſſelben viel breiter, als er der Berechnung nach bey geradem Fortgange der Lichtſtralen haͤtte ſeyn koͤnnen. Auch ſahe er um den Schatten herum mehrere farbichte Lichtſtreifen, nach dem Schatten zu durch Blau, vom Schatten ab durch Roth begrenzt. Solche farbichte Streifen zeigten ſich auch innerhalb des Schattens. Sie nahmen nach den verſchiedenen Winkeln des dunkeln Koͤrpers verſchiedene Kruͤmmungen an. Grimaldi wendet uͤbrigens dieſe wichtige Entdeckung blos auf die Entſcheidung der ſehr unwichtigen Frage an, ob das Licht eine Subſtanz oder Qualitaͤt ſey, und entſcheidet endlich fuͤr die Ariſtoteliker dahin, es ſey eine qualitas, aber nicht ſubſtantialis, ſondern accidentalis. Newton hat dieſe Verſuche des Grimaldi und Hook viel weiter getrieben, und im dritten Buche ſeiner Optik weitlaͤuftig davon gehandelt. Er fand im verfinſterten Zimmer den Schatten eines Haares viel breiter, als ihn gerade fortgehende Stralen machen konnten. Er ſchloß aus den Phaͤnomenen, daß das Haar in eine ziemliche Entfernung auf die Lichtſtralen wirke, und die naͤchſten am ſtaͤrkſten, entferntere immer weniger, von ſich ablenke. Eben dieſe Erſcheinungen zeigten Ritze auf polirten Glasplatten, und Haare, zwiſchen ſolche Platten gelegt. Die Schatten aller Koͤrper fand er mit drey farbigen Lichtſaͤumen umgeben, deren Breiten und Zwiſchenraͤume ſich wie die Zahlen 1, √1/2, √1/3, √1/4, √1/5 verhielten. Er ließ einen Lichtſtral zwiſchen zwoen ſcharfen etwa (1/400) Zoll von einander entfernten Meſſerſchneiden durchgehen. Dieſer theilte ſich in zween Theile, und ließ zwiſchen beyden einen dunkeln ſchwarzen Schatten, welcher deſto breiter ward, je naͤher er die Schneiden zuſammenruͤckte, bis endlich bey der Beruͤhrung derſelben alles Licht verſchwand. Dasjenige Licht nemlich, welches zunaͤchſt an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/330
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/330>, abgerufen am 25.11.2024.