Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.Beobachtung, Observatio, Observation. Erfahrungen, welche wir vermittelst unserer Sinne an den Körpern anstellen, heißen Beobachtungen, wenn wir dabey die Körper nur blos in dem Zustande betrachten, in welchem sie sich von selbst und ohne unser Zuthun befinden. Versetzen wir sie in einen andern Zustand, um zu sehen, wie sie sich dabey verhalten werden, so heißen solche Unternehmungen Versuche. So ist die Wahrnehmung, daß die Körper drücken oder schwer sind, eine Beobachtung; die Wahrnehmung, daß sie, unter Wasser versenkt, weniger drücken, ein Versuch. Auf unsern Erfahrungen über die Körper, also auf Beobachtungen und Versuchen beruht alles, was wir von ihnen wissen, s. Erfahrung. Die Kunst, Beobachtungen anzustellen, zu beschreiben und gehörig zu gebrauchen, ist daher für den Naturforscher äußerst wichtig. Sie hat zum Endzwecke, die Eigenschaften und Wirkungen der Körper, so wie sie sich in der Natur selbst darstellen, genau zu bemerken, und ihre Verhältnisse zu erfahren, damit man nachher von dem Verhältnisse und der Beschaffenheit der Wirkungen auf das Verhältniß und die Natur der Ursachen so sicher, als möglich, schließen könne. Obgleich dem Experimentator ein unendlich weiteres Feld, als dem bloßen Beobachter, offen steht, so ist doch nicht zu läugnen, daß die Beobachtungen in vielen Stükken entschiedne Vorzüge vor den Versuchen voraus haben. Der Beobachter sieht die Wirkungen der Natur selbst, der Experimentator nur das Resultat seiner Verbindungen; die Beobachtung entdeckt die Wahrheit durch bekannte Mittel, der Versuch spürt ihr oft durch Mittel nach, deren Wirksamkeit unbekannt oder zweydeutig ist. Die Methode der Beobachtung ist leichter und einfacher, als die der Versuche, und oft klärt sich eine Wirkung, an sich untersucht, weit besser auf, als wenn man sie künstlich mit andern verbindet, aus welchen man sie nachher wieder herauswickeln muß. Vielleicht hätten die Physiker, wenn sie sich mehr auf einfache Beobachtung eingeschränkt hätten, weniger Beobachtung, Obſervatio, Obſervation. Erfahrungen, welche wir vermittelſt unſerer Sinne an den Koͤrpern anſtellen, heißen Beobachtungen, wenn wir dabey die Koͤrper nur blos in dem Zuſtande betrachten, in welchem ſie ſich von ſelbſt und ohne unſer Zuthun befinden. Verſetzen wir ſie in einen andern Zuſtand, um zu ſehen, wie ſie ſich dabey verhalten werden, ſo heißen ſolche Unternehmungen Verſuche. So iſt die Wahrnehmung, daß die Koͤrper druͤcken oder ſchwer ſind, eine Beobachtung; die Wahrnehmung, daß ſie, unter Waſſer verſenkt, weniger druͤcken, ein Verſuch. Auf unſern Erfahrungen uͤber die Koͤrper, alſo auf Beobachtungen und Verſuchen beruht alles, was wir von ihnen wiſſen, ſ. Erfahrung. Die Kunſt, Beobachtungen anzuſtellen, zu beſchreiben und gehoͤrig zu gebrauchen, iſt daher fuͤr den Naturforſcher aͤußerſt wichtig. Sie hat zum Endzwecke, die Eigenſchaften und Wirkungen der Koͤrper, ſo wie ſie ſich in der Natur ſelbſt darſtellen, genau zu bemerken, und ihre Verhaͤltniſſe zu erfahren, damit man nachher von dem Verhaͤltniſſe und der Beſchaffenheit der Wirkungen auf das Verhaͤltniß und die Natur der Urſachen ſo ſicher, als moͤglich, ſchließen koͤnne. Obgleich dem Experimentator ein unendlich weiteres Feld, als dem bloßen Beobachter, offen ſteht, ſo iſt doch nicht zu laͤugnen, daß die Beobachtungen in vielen Stuͤkken entſchiedne Vorzuͤge vor den Verſuchen voraus haben. Der Beobachter ſieht die Wirkungen der Natur ſelbſt, der Experimentator nur das Reſultat ſeiner Verbindungen; die Beobachtung entdeckt die Wahrheit durch bekannte Mittel, der Verſuch ſpuͤrt ihr oft durch Mittel nach, deren Wirkſamkeit unbekannt oder zweydeutig iſt. Die Methode der Beobachtung iſt leichter und einfacher, als die der Verſuche, und oft klaͤrt ſich eine Wirkung, an ſich unterſucht, weit beſſer auf, als wenn man ſie kuͤnſtlich mit andern verbindet, aus welchen man ſie nachher wieder herauswickeln muß. Vielleicht haͤtten die Phyſiker, wenn ſie ſich mehr auf einfache Beobachtung eingeſchraͤnkt haͤtten, weniger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0304" xml:id="P.1.290" n="290"/><lb/> </p> </div> <div n="2"> <head>Beobachtung, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Obſervatio</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Obſervation</hi></foreign></name>.</head><lb/> <p>Erfahrungen, welche wir vermittelſt unſerer Sinne an den Koͤrpern anſtellen, heißen <hi rendition="#b">Beobachtungen,</hi> wenn wir dabey die Koͤrper nur blos in dem Zuſtande betrachten, in welchem ſie ſich von ſelbſt und ohne unſer Zuthun befinden. 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Beobachtung, Obſervatio, Obſervation.
Erfahrungen, welche wir vermittelſt unſerer Sinne an den Koͤrpern anſtellen, heißen Beobachtungen, wenn wir dabey die Koͤrper nur blos in dem Zuſtande betrachten, in welchem ſie ſich von ſelbſt und ohne unſer Zuthun befinden. Verſetzen wir ſie in einen andern Zuſtand, um zu ſehen, wie ſie ſich dabey verhalten werden, ſo heißen ſolche Unternehmungen Verſuche. So iſt die Wahrnehmung, daß die Koͤrper druͤcken oder ſchwer ſind, eine Beobachtung; die Wahrnehmung, daß ſie, unter Waſſer verſenkt, weniger druͤcken, ein Verſuch.
Auf unſern Erfahrungen uͤber die Koͤrper, alſo auf Beobachtungen und Verſuchen beruht alles, was wir von ihnen wiſſen, ſ. Erfahrung. Die Kunſt, Beobachtungen anzuſtellen, zu beſchreiben und gehoͤrig zu gebrauchen, iſt daher fuͤr den Naturforſcher aͤußerſt wichtig. Sie hat zum Endzwecke, die Eigenſchaften und Wirkungen der Koͤrper, ſo wie ſie ſich in der Natur ſelbſt darſtellen, genau zu bemerken, und ihre Verhaͤltniſſe zu erfahren, damit man nachher von dem Verhaͤltniſſe und der Beſchaffenheit der Wirkungen auf das Verhaͤltniß und die Natur der Urſachen ſo ſicher, als moͤglich, ſchließen koͤnne.
Obgleich dem Experimentator ein unendlich weiteres Feld, als dem bloßen Beobachter, offen ſteht, ſo iſt doch nicht zu laͤugnen, daß die Beobachtungen in vielen Stuͤkken entſchiedne Vorzuͤge vor den Verſuchen voraus haben. Der Beobachter ſieht die Wirkungen der Natur ſelbſt, der Experimentator nur das Reſultat ſeiner Verbindungen; die Beobachtung entdeckt die Wahrheit durch bekannte Mittel, der Verſuch ſpuͤrt ihr oft durch Mittel nach, deren Wirkſamkeit unbekannt oder zweydeutig iſt. Die Methode der Beobachtung iſt leichter und einfacher, als die der Verſuche, und oft klaͤrt ſich eine Wirkung, an ſich unterſucht, weit beſſer auf, als wenn man ſie kuͤnſtlich mit andern verbindet, aus welchen man ſie nachher wieder herauswickeln muß. Vielleicht haͤtten die Phyſiker, wenn ſie ſich mehr auf einfache Beobachtung eingeſchraͤnkt haͤtten, weniger
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