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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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wird. Diese Veränderungen treffen flüßige und feste Theile, und es ist ausgemacht, daß wir nach Verlauf einer Anzahl von Jahren großentheils einen andern Körper statt des vorigen bekommen.

Es ist daher nicht zu läugnen, daß die Ausflüsse der Körper ein sehr wirksames Mittel sind, wodurch die Natur, ganz still und unbemerkt, manche Veränderung von großen Folgen hervorbringt. Man hat sie aber auch oft zu Erklärungen von Phänomenen und zu Theorien gemißbraucht, welche nur den Aberglauben und die Betrügerey zu nähren dienten. Ein Beyspiel hievon ist die Erklärung des Phänomens, daß der Wein in den Fässern trüb wird, wenn in den entfernten Ländern, wo dieser Wein wuchs, die Trauben reifen. Man hat behaupten wollen, daß die Ausflüsse der reifenden Trauben, die sich durch die ganze Atmosphäre verbreiteten, den Wein an den entlegensten Orten trüb machten, ohne zu bedenken, daß eine gewisse Beschaffenheit der Luft in dieser Jahrszeit zugleich die Ursache des Reifens und Trübwerdens seyn kann. So hat man die fabelhaftesten Erzählungen von sympathetischen und antipathetischen Wirkungen und Heilmitteln, von Aufsuchung der Metalle oder Entdeckung der Mörder durch die Wünschelruthe, vom Spüren oder vielmehr Fühlen des Wassers in einer großen Tiefe unter der Erde, u. dgl. durch Ausflüsse begreiflich zu machen, und viele abgeschmackte Mährchen durch ein umgehangenes Gewand einer physikalischen Erklärung ihrer verdienten Verachtung zu entreißen gesucht. Ein solches Verfahren ist der Entdeckung und Ausbreitung der Wahrheit ungemein hinderlich; es zieht von genauer Untersuchung der Thatsachen und von Entlarvung der Betrüger ab, unterhält die Leichtgläubigkeit, und verführt auch denjenigen Theil des Publikums, der sonst weise und aufgeklärt scheinen will, durch den Vorwand, daß sich gewisse Sachen doch physikalisch erklären ließen. Ich läugne nicht, daß gegen die Ausflüsse der Körper, die sich oft sehr weit verbreiten, gewisse Menschen, Thiere u. s. w. empfindlicher als andere sind; von den Hunden z. B. ist dies unläugbar;


wird. Dieſe Veraͤnderungen treffen fluͤßige und feſte Theile, und es iſt ausgemacht, daß wir nach Verlauf einer Anzahl von Jahren großentheils einen andern Koͤrper ſtatt des vorigen bekommen.

Es iſt daher nicht zu laͤugnen, daß die Ausfluͤſſe der Koͤrper ein ſehr wirkſames Mittel ſind, wodurch die Natur, ganz ſtill und unbemerkt, manche Veraͤnderung von großen Folgen hervorbringt. Man hat ſie aber auch oft zu Erklaͤrungen von Phaͤnomenen und zu Theorien gemißbraucht, welche nur den Aberglauben und die Betruͤgerey zu naͤhren dienten. Ein Beyſpiel hievon iſt die Erklaͤrung des Phaͤnomens, daß der Wein in den Faͤſſern truͤb wird, wenn in den entfernten Laͤndern, wo dieſer Wein wuchs, die Trauben reifen. Man hat behaupten wollen, daß die Ausfluͤſſe der reifenden Trauben, die ſich durch die ganze Atmoſphaͤre verbreiteten, den Wein an den entlegenſten Orten truͤb machten, ohne zu bedenken, daß eine gewiſſe Beſchaffenheit der Luft in dieſer Jahrszeit zugleich die Urſache des Reifens und Truͤbwerdens ſeyn kann. So hat man die fabelhafteſten Erzaͤhlungen von ſympathetiſchen und antipathetiſchen Wirkungen und Heilmitteln, von Aufſuchung der Metalle oder Entdeckung der Moͤrder durch die Wuͤnſchelruthe, vom Spuͤren oder vielmehr Fuͤhlen des Waſſers in einer großen Tiefe unter der Erde, u. dgl. durch Ausfluͤſſe begreiflich zu machen, und viele abgeſchmackte Maͤhrchen durch ein umgehangenes Gewand einer phyſikaliſchen Erklaͤrung ihrer verdienten Verachtung zu entreißen geſucht. Ein ſolches Verfahren iſt der Entdeckung und Ausbreitung der Wahrheit ungemein hinderlich; es zieht von genauer Unterſuchung der Thatſachen und von Entlarvung der Betruͤger ab, unterhaͤlt die Leichtglaͤubigkeit, und verfuͤhrt auch denjenigen Theil des Publikums, der ſonſt weiſe und aufgeklaͤrt ſcheinen will, durch den Vorwand, daß ſich gewiſſe Sachen doch phyſikaliſch erklaͤren ließen. Ich laͤugne nicht, daß gegen die Ausfluͤſſe der Koͤrper, die ſich oft ſehr weit verbreiten, gewiſſe Menſchen, Thiere u. ſ. w. empfindlicher als andere ſind; von den Hunden z. B. iſt dies unlaͤugbar;

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[217/0231] wird. Dieſe Veraͤnderungen treffen fluͤßige und feſte Theile, und es iſt ausgemacht, daß wir nach Verlauf einer Anzahl von Jahren großentheils einen andern Koͤrper ſtatt des vorigen bekommen. Es iſt daher nicht zu laͤugnen, daß die Ausfluͤſſe der Koͤrper ein ſehr wirkſames Mittel ſind, wodurch die Natur, ganz ſtill und unbemerkt, manche Veraͤnderung von großen Folgen hervorbringt. Man hat ſie aber auch oft zu Erklaͤrungen von Phaͤnomenen und zu Theorien gemißbraucht, welche nur den Aberglauben und die Betruͤgerey zu naͤhren dienten. Ein Beyſpiel hievon iſt die Erklaͤrung des Phaͤnomens, daß der Wein in den Faͤſſern truͤb wird, wenn in den entfernten Laͤndern, wo dieſer Wein wuchs, die Trauben reifen. Man hat behaupten wollen, daß die Ausfluͤſſe der reifenden Trauben, die ſich durch die ganze Atmoſphaͤre verbreiteten, den Wein an den entlegenſten Orten truͤb machten, ohne zu bedenken, daß eine gewiſſe Beſchaffenheit der Luft in dieſer Jahrszeit zugleich die Urſache des Reifens und Truͤbwerdens ſeyn kann. So hat man die fabelhafteſten Erzaͤhlungen von ſympathetiſchen und antipathetiſchen Wirkungen und Heilmitteln, von Aufſuchung der Metalle oder Entdeckung der Moͤrder durch die Wuͤnſchelruthe, vom Spuͤren oder vielmehr Fuͤhlen des Waſſers in einer großen Tiefe unter der Erde, u. dgl. durch Ausfluͤſſe begreiflich zu machen, und viele abgeſchmackte Maͤhrchen durch ein umgehangenes Gewand einer phyſikaliſchen Erklaͤrung ihrer verdienten Verachtung zu entreißen geſucht. Ein ſolches Verfahren iſt der Entdeckung und Ausbreitung der Wahrheit ungemein hinderlich; es zieht von genauer Unterſuchung der Thatſachen und von Entlarvung der Betruͤger ab, unterhaͤlt die Leichtglaͤubigkeit, und verfuͤhrt auch denjenigen Theil des Publikums, der ſonſt weiſe und aufgeklaͤrt ſcheinen will, durch den Vorwand, daß ſich gewiſſe Sachen doch phyſikaliſch erklaͤren ließen. Ich laͤugne nicht, daß gegen die Ausfluͤſſe der Koͤrper, die ſich oft ſehr weit verbreiten, gewiſſe Menſchen, Thiere u. ſ. w. empfindlicher als andere ſind; von den Hunden z. B. iſt dies unlaͤugbar;

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/231>, abgerufen am 22.11.2024.