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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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erfolgen soll, so muß die Anziehung zwischen den Theilen verschiedener Körper stärker seyn, als der Zusammenhang der Theile jedes Körpers, einzeln genommen, ist. Wenn die Anziehung den Zusammenhang der Theile nur im flüßigen, nicht aber im festen Körper, zu trennen vermögend ist, so erfolgt nur Adhäsion, s. Adhäsion. Die Anziehung zwischen Glas und Wasser vermag nur den Zusammenhang der Wassertheile, nicht den der Glastheile zu trennen; daher hängt Wasser dem Glase an, kan es aber nicht auflösen. So erfolgen Anhängen und Auflösung aus einerley Grunde. Auch lösen sich nie Körper auf, die nicht an einander anhängen.

Hieraus läßt sich leicht das Eindringen des flüßigen Körpers in des festen innere Theile bey den Auflösungen erklären. Des festen Zwischenräume sind eben so viele Haarröhren, in welche der flüßige vermöge des Anhängens eindringt, s. Haarröhren. Diese Erklärung der Newtonianer ist wenigstens wahrscheinlicher, als die von Descartes, welcher hier seine subtile Materie wirken, und die spitzigen Keile der Auflösungsmitel in die aufzulösenden Körper hineintreiben ließ.

Man könnte die Auflösungen in solche theilen, wobey blos der Zusammenhang der aggregirten Theile getrennt wird (superficielle Auflösung, Solution), und in solche, wobey dem einen oder beyden Körpern gewisse Theile entzogen, und mit Theilen des andern Körpers inniger verbunden werden (wesentliche Auflösung, Dissolution). Eine superficielle Auflösung giebt Salz im Wasser, eine wesentliche Metall im Scheidewasser aufgelößt. Im ersten Falle erhält man durch Abscheidung des unveränderten Auflösungsmittels den vorigen Körper wieder, im zweyten Falle sind bey veranstalteter Absonderung beyde Körper verändert. Da inzwischen beyde Arten aus einerley Grunde erfolgen, so hält Macquer für unnöthig, sie zu unterscheiden.

Daß oft ganz leichte Flüßigkeiten schwere feste Körperin sich aufgelößt halten, ist leicht begreiflich, da die Trennung der vorigen Theile auch die vorige specifische


erfolgen ſoll, ſo muß die Anziehung zwiſchen den Theilen verſchiedener Koͤrper ſtaͤrker ſeyn, als der Zuſammenhang der Theile jedes Koͤrpers, einzeln genommen, iſt. Wenn die Anziehung den Zuſammenhang der Theile nur im fluͤßigen, nicht aber im feſten Koͤrper, zu trennen vermoͤgend iſt, ſo erfolgt nur Adhaͤſion, ſ. Adhaͤſion. Die Anziehung zwiſchen Glas und Waſſer vermag nur den Zuſammenhang der Waſſertheile, nicht den der Glastheile zu trennen; daher haͤngt Waſſer dem Glaſe an, kan es aber nicht aufloͤſen. So erfolgen Anhaͤngen und Aufloͤſung aus einerley Grunde. Auch loͤſen ſich nie Koͤrper auf, die nicht an einander anhaͤngen.

Hieraus laͤßt ſich leicht das Eindringen des fluͤßigen Koͤrpers in des feſten innere Theile bey den Aufloͤſungen erklaͤren. Des feſten Zwiſchenraͤume ſind eben ſo viele Haarroͤhren, in welche der fluͤßige vermoͤge des Anhaͤngens eindringt, ſ. Haarroͤhren. Dieſe Erklaͤrung der Newtonianer iſt wenigſtens wahrſcheinlicher, als die von Descartes, welcher hier ſeine ſubtile Materie wirken, und die ſpitzigen Keile der Aufloͤſungsmitel in die aufzuloͤſenden Koͤrper hineintreiben ließ.

Man koͤnnte die Aufloͤſungen in ſolche theilen, wobey blos der Zuſammenhang der aggregirten Theile getrennt wird (ſuperficielle Aufloͤſung, Solution), und in ſolche, wobey dem einen oder beyden Koͤrpern gewiſſe Theile entzogen, und mit Theilen des andern Koͤrpers inniger verbunden werden (weſentliche Aufloͤſung, Diſſolution). Eine ſuperficielle Aufloͤſung giebt Salz im Waſſer, eine weſentliche Metall im Scheidewaſſer aufgeloͤßt. Im erſten Falle erhaͤlt man durch Abſcheidung des unveraͤnderten Aufloͤſungsmittels den vorigen Koͤrper wieder, im zweyten Falle ſind bey veranſtalteter Abſonderung beyde Koͤrper veraͤndert. Da inzwiſchen beyde Arten aus einerley Grunde erfolgen, ſo haͤlt Macquer fuͤr unnoͤthig, ſie zu unterſcheiden.

Daß oft ganz leichte Fluͤßigkeiten ſchwere feſte Koͤrperin ſich aufgeloͤßt halten, iſt leicht begreiflich, da die Trennung der vorigen Theile auch die vorige ſpecifiſche

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[180/0194] erfolgen ſoll, ſo muß die Anziehung zwiſchen den Theilen verſchiedener Koͤrper ſtaͤrker ſeyn, als der Zuſammenhang der Theile jedes Koͤrpers, einzeln genommen, iſt. Wenn die Anziehung den Zuſammenhang der Theile nur im fluͤßigen, nicht aber im feſten Koͤrper, zu trennen vermoͤgend iſt, ſo erfolgt nur Adhaͤſion, ſ. Adhaͤſion. Die Anziehung zwiſchen Glas und Waſſer vermag nur den Zuſammenhang der Waſſertheile, nicht den der Glastheile zu trennen; daher haͤngt Waſſer dem Glaſe an, kan es aber nicht aufloͤſen. So erfolgen Anhaͤngen und Aufloͤſung aus einerley Grunde. Auch loͤſen ſich nie Koͤrper auf, die nicht an einander anhaͤngen. Hieraus laͤßt ſich leicht das Eindringen des fluͤßigen Koͤrpers in des feſten innere Theile bey den Aufloͤſungen erklaͤren. Des feſten Zwiſchenraͤume ſind eben ſo viele Haarroͤhren, in welche der fluͤßige vermoͤge des Anhaͤngens eindringt, ſ. Haarroͤhren. Dieſe Erklaͤrung der Newtonianer iſt wenigſtens wahrſcheinlicher, als die von Descartes, welcher hier ſeine ſubtile Materie wirken, und die ſpitzigen Keile der Aufloͤſungsmitel in die aufzuloͤſenden Koͤrper hineintreiben ließ. Man koͤnnte die Aufloͤſungen in ſolche theilen, wobey blos der Zuſammenhang der aggregirten Theile getrennt wird (ſuperficielle Aufloͤſung, Solution), und in ſolche, wobey dem einen oder beyden Koͤrpern gewiſſe Theile entzogen, und mit Theilen des andern Koͤrpers inniger verbunden werden (weſentliche Aufloͤſung, Diſſolution). Eine ſuperficielle Aufloͤſung giebt Salz im Waſſer, eine weſentliche Metall im Scheidewaſſer aufgeloͤßt. Im erſten Falle erhaͤlt man durch Abſcheidung des unveraͤnderten Aufloͤſungsmittels den vorigen Koͤrper wieder, im zweyten Falle ſind bey veranſtalteter Abſonderung beyde Koͤrper veraͤndert. Da inzwiſchen beyde Arten aus einerley Grunde erfolgen, ſo haͤlt Macquer fuͤr unnoͤthig, ſie zu unterſcheiden. Daß oft ganz leichte Fluͤßigkeiten ſchwere feſte Koͤrperin ſich aufgeloͤßt halten, iſt leicht begreiflich, da die Trennung der vorigen Theile auch die vorige ſpecifiſche

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/194>, abgerufen am 27.11.2024.