"ich ihnen Gutes gethan habe? -- Als wenn "sie etwas von Dankbarkeit wüßten. -- Nein, "sie werden mich nicht in ihre Schiffe aufnehmen; "oder sollten sie, so werden sie mich als ihre "Sklavinn behandeln. -- Und wie sollt' ich ge- "hen? Allein, oder mit meinem Volke? O Schwe- "ster, du bist an meinem Unglücke schuld! Warum "blieb ich doch nicht meinem ersten Gemahle ge- "treu? so hätt' ich nichts von diesen Qualen em- "pfunden."
Diese Gedanken so einfältig, so ohne das Feuer des Ausdrucks und der Poesie vorgetragen, zeigen doch schon ihre Wahrheit, ihre Schicklich- keit zu den Umständen. Was für Eindruck müs- sen sie nicht alsdann machen, wenn sie in virgi- lianische Verse eingekleidet sind?
Aeneas, durch eine neue Botschaft des Mer- kurs aus dem Schlafe geweckt, segelt noch in die- ser Nacht mit der größten Eile ab.
Dido sieht des Morgens aus ihrer Burg die Ufer und den Hafen leer. Ihr Affekt kömmt aufs Aeußerste.
D d 2
uͤber das Intereſſirende.
„ich ihnen Gutes gethan habe? — Als wenn „ſie etwas von Dankbarkeit wuͤßten. — Nein, „ſie werden mich nicht in ihre Schiffe aufnehmen; „oder ſollten ſie, ſo werden ſie mich als ihre „Sklavinn behandeln. — Und wie ſollt’ ich ge- „hen? Allein, oder mit meinem Volke? O Schwe- „ſter, du biſt an meinem Ungluͤcke ſchuld! Warum „blieb ich doch nicht meinem erſten Gemahle ge- „treu? ſo haͤtt’ ich nichts von dieſen Qualen em- „pfunden.“
Dieſe Gedanken ſo einfaͤltig, ſo ohne das Feuer des Ausdrucks und der Poeſie vorgetragen, zeigen doch ſchon ihre Wahrheit, ihre Schicklich- keit zu den Umſtaͤnden. Was fuͤr Eindruck muͤſ- ſen ſie nicht alsdann machen, wenn ſie in virgi- lianiſche Verſe eingekleidet ſind?
Aeneas, durch eine neue Botſchaft des Mer- kurs aus dem Schlafe geweckt, ſegelt noch in die- ſer Nacht mit der groͤßten Eile ab.
Dido ſieht des Morgens aus ihrer Burg die Ufer und den Hafen leer. Ihr Affekt koͤmmt aufs Aeußerſte.
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uͤber das Intereſſirende.
„ich ihnen Gutes gethan habe? — Als wenn
„ſie etwas von Dankbarkeit wuͤßten. — Nein,
„ſie werden mich nicht in ihre Schiffe aufnehmen;
„oder ſollten ſie, ſo werden ſie mich als ihre
„Sklavinn behandeln. — Und wie ſollt’ ich ge-
„hen? Allein, oder mit meinem Volke? O Schwe-
„ſter, du biſt an meinem Ungluͤcke ſchuld! Warum
„blieb ich doch nicht meinem erſten Gemahle ge-
„treu? ſo haͤtt’ ich nichts von dieſen Qualen em-
„pfunden.“
Dieſe Gedanken ſo einfaͤltig, ſo ohne das
Feuer des Ausdrucks und der Poeſie vorgetragen,
zeigen doch ſchon ihre Wahrheit, ihre Schicklich-
keit zu den Umſtaͤnden. Was fuͤr Eindruck muͤſ-
ſen ſie nicht alsdann machen, wenn ſie in virgi-
lianiſche Verſe eingekleidet ſind?
Aeneas, durch eine neue Botſchaft des Mer-
kurs aus dem Schlafe geweckt, ſegelt noch in die-
ſer Nacht mit der groͤßten Eile ab.
Dido ſieht des Morgens aus ihrer Burg die
Ufer und den Hafen leer. Ihr Affekt koͤmmt aufs
Aeußerſte.
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/425>, abgerufen am 18.05.2024.
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