Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Einige Gedanken
dividuelle Naturen hervorbringen, und sie hin-
länglich abwechseln könnten: was können uns
alle diese Wesen angehen, die wir niemals um
uns herum gesehen, mit denen wir niemals in ir-
gend einem Verhältnisse gestanden haben, und
von denen wir wissen, daß wir nichts weder zu
hoffen noch zu fürchten haben? -- Wenn uns
diese Götter-Zauberer-Feyen- und Ritterwelt jetzo
noch gefallen soll: so muß es entweder dadurch
geschehen, daß unter diesen fremden Namen wirk-
liche Menschen aufgeführt werden, oder daß sie
doch zuweilen wie die uns bekannten Dinge wir-
ken und leiden; oder es müssen Anspielungen, es
muß Scherz, Satyre, mit einem Worte eine Art
von verborgenem Sinne seyn, der unter diesen
Bildern hervorleuchtet. Diese Dinge und ihre
Begebenheiten müssen nur als das Mittel ge-
braucht werden, durch welches andere, die uns
eigentlich interessiren, ins Auge fallen sollen.

Aus dieser Regel folgt, 2) daß uns nichts
mehr interessiren kann, als Schilderungen des
Menschen, seiner Sitten und seiner Vorfälle. --

Einige Gedanken
dividuelle Naturen hervorbringen, und ſie hin-
laͤnglich abwechſeln koͤnnten: was koͤnnen uns
alle dieſe Weſen angehen, die wir niemals um
uns herum geſehen, mit denen wir niemals in ir-
gend einem Verhaͤltniſſe geſtanden haben, und
von denen wir wiſſen, daß wir nichts weder zu
hoffen noch zu fuͤrchten haben? — Wenn uns
dieſe Goͤtter-Zauberer-Feyen- und Ritterwelt jetzo
noch gefallen ſoll: ſo muß es entweder dadurch
geſchehen, daß unter dieſen fremden Namen wirk-
liche Menſchen aufgefuͤhrt werden, oder daß ſie
doch zuweilen wie die uns bekannten Dinge wir-
ken und leiden; oder es muͤſſen Anſpielungen, es
muß Scherz, Satyre, mit einem Worte eine Art
von verborgenem Sinne ſeyn, der unter dieſen
Bildern hervorleuchtet. Dieſe Dinge und ihre
Begebenheiten muͤſſen nur als das Mittel ge-
braucht werden, durch welches andere, die uns
eigentlich intereſſiren, ins Auge fallen ſollen.

Aus dieſer Regel folgt, 2) daß uns nichts
mehr intereſſiren kann, als Schilderungen des
Menſchen, ſeiner Sitten und ſeiner Vorfaͤlle. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0286" n="280"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/>
dividuelle Naturen hervorbringen, und &#x017F;ie hin-<lb/>
la&#x0364;nglich abwech&#x017F;eln ko&#x0364;nnten: was ko&#x0364;nnen uns<lb/>
alle die&#x017F;e We&#x017F;en angehen, die wir niemals um<lb/>
uns herum ge&#x017F;ehen, mit denen wir niemals in ir-<lb/>
gend einem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;tanden haben, und<lb/>
von denen wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß wir nichts weder zu<lb/>
hoffen noch zu fu&#x0364;rchten haben? &#x2014; Wenn uns<lb/>
die&#x017F;e Go&#x0364;tter-Zauberer-Feyen- und Ritterwelt jetzo<lb/>
noch gefallen &#x017F;oll: &#x017F;o muß es entweder dadurch<lb/>
ge&#x017F;chehen, daß unter die&#x017F;en fremden Namen wirk-<lb/>
liche Men&#x017F;chen aufgefu&#x0364;hrt werden, oder daß &#x017F;ie<lb/>
doch zuweilen wie die uns bekannten Dinge wir-<lb/>
ken und leiden; oder es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en An&#x017F;pielungen, es<lb/>
muß Scherz, Satyre, mit einem Worte eine Art<lb/>
von verborgenem Sinne &#x017F;eyn, der unter die&#x017F;en<lb/>
Bildern hervorleuchtet. Die&#x017F;e Dinge und ihre<lb/>
Begebenheiten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nur als das Mittel ge-<lb/>
braucht werden, durch welches andere, die uns<lb/>
eigentlich intere&#x017F;&#x017F;iren, ins Auge fallen &#x017F;ollen.</p><lb/>
        <p>Aus die&#x017F;er Regel folgt, 2) daß uns nichts<lb/>
mehr intere&#x017F;&#x017F;iren kann, als Schilderungen des<lb/>
Men&#x017F;chen, &#x017F;einer Sitten und &#x017F;einer Vorfa&#x0364;lle. &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0286] Einige Gedanken dividuelle Naturen hervorbringen, und ſie hin- laͤnglich abwechſeln koͤnnten: was koͤnnen uns alle dieſe Weſen angehen, die wir niemals um uns herum geſehen, mit denen wir niemals in ir- gend einem Verhaͤltniſſe geſtanden haben, und von denen wir wiſſen, daß wir nichts weder zu hoffen noch zu fuͤrchten haben? — Wenn uns dieſe Goͤtter-Zauberer-Feyen- und Ritterwelt jetzo noch gefallen ſoll: ſo muß es entweder dadurch geſchehen, daß unter dieſen fremden Namen wirk- liche Menſchen aufgefuͤhrt werden, oder daß ſie doch zuweilen wie die uns bekannten Dinge wir- ken und leiden; oder es muͤſſen Anſpielungen, es muß Scherz, Satyre, mit einem Worte eine Art von verborgenem Sinne ſeyn, der unter dieſen Bildern hervorleuchtet. Dieſe Dinge und ihre Begebenheiten muͤſſen nur als das Mittel ge- braucht werden, durch welches andere, die uns eigentlich intereſſiren, ins Auge fallen ſollen. Aus dieſer Regel folgt, 2) daß uns nichts mehr intereſſiren kann, als Schilderungen des Menſchen, ſeiner Sitten und ſeiner Vorfaͤlle. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/286
Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/286>, abgerufen am 27.11.2024.