Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.über das Interessirende. der Gattung bleibt doch. Ueberdieß giebt es indem, was seine bestimmten Gränzen hat, unzäh- liche Grade des Mehr und des Weniger. Hinge- gen eine solche fremde Gestalt, deren ganze Exi- stenz an zwey bis drey einmal ausgemachte Züge gebunden ist, würde gar nicht wieder erkannt wer- den, wenn man nicht gerade eben dieselben Züge vorbrächte: und weil man zugleich die ganze Gattung dieser Dinge selbst aus lauter Eigen- schaften im höchsten Grade genommen zusammen- gesezt hat, so kann es zwischen den Individuen keine merkliche Verschiedenheit mehr geben, wenn sie noch zu der Gattung gehören sollen. -- Man hat es tausendmal wiederholt, daß die Natur ein- geschränkt, aber das Feld der Imagination un- endlich sey. Uns dünkt, die imaginative Welt ist gegen die wirkliche ein enges armseliges Ge- hege, wo man immer dasselbe Wild unter neuen Namen hascht, und weil man sich lange im Kreise herumbewegt hat, glaubt, daß man sehr weit fortgekommen seyn müsse. Aber gesezt, wir wä- ren so gute Schöpfer, daß wir wirklich neue in- S 4
uͤber das Intereſſirende. der Gattung bleibt doch. Ueberdieß giebt es indem, was ſeine beſtimmten Graͤnzen hat, unzaͤh- liche Grade des Mehr und des Weniger. Hinge- gen eine ſolche fremde Geſtalt, deren ganze Exi- ſtenz an zwey bis drey einmal ausgemachte Zuͤge gebunden iſt, wuͤrde gar nicht wieder erkannt wer- den, wenn man nicht gerade eben dieſelben Zuͤge vorbraͤchte: und weil man zugleich die ganze Gattung dieſer Dinge ſelbſt aus lauter Eigen- ſchaften im hoͤchſten Grade genommen zuſammen- geſezt hat, ſo kann es zwiſchen den Individuen keine merkliche Verſchiedenheit mehr geben, wenn ſie noch zu der Gattung gehoͤren ſollen. — Man hat es tauſendmal wiederholt, daß die Natur ein- geſchraͤnkt, aber das Feld der Imagination un- endlich ſey. Uns duͤnkt, die imaginative Welt iſt gegen die wirkliche ein enges armſeliges Ge- hege, wo man immer daſſelbe Wild unter neuen Namen haſcht, und weil man ſich lange im Kreiſe herumbewegt hat, glaubt, daß man ſehr weit fortgekommen ſeyn muͤſſe. Aber geſezt, wir waͤ- ren ſo gute Schoͤpfer, daß wir wirklich neue in- S 4
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uͤber das Intereſſirende.
der Gattung bleibt doch. Ueberdieß giebt es in
dem, was ſeine beſtimmten Graͤnzen hat, unzaͤh-
liche Grade des Mehr und des Weniger. Hinge-
gen eine ſolche fremde Geſtalt, deren ganze Exi-
ſtenz an zwey bis drey einmal ausgemachte Zuͤge
gebunden iſt, wuͤrde gar nicht wieder erkannt wer-
den, wenn man nicht gerade eben dieſelben Zuͤge
vorbraͤchte: und weil man zugleich die ganze
Gattung dieſer Dinge ſelbſt aus lauter Eigen-
ſchaften im hoͤchſten Grade genommen zuſammen-
geſezt hat, ſo kann es zwiſchen den Individuen
keine merkliche Verſchiedenheit mehr geben, wenn
ſie noch zu der Gattung gehoͤren ſollen. — Man
hat es tauſendmal wiederholt, daß die Natur ein-
geſchraͤnkt, aber das Feld der Imagination un-
endlich ſey. Uns duͤnkt, die imaginative Welt
iſt gegen die wirkliche ein enges armſeliges Ge-
hege, wo man immer daſſelbe Wild unter neuen
Namen haſcht, und weil man ſich lange im Kreiſe
herumbewegt hat, glaubt, daß man ſehr weit
fortgekommen ſeyn muͤſſe. Aber geſezt, wir waͤ-
ren ſo gute Schoͤpfer, daß wir wirklich neue in-
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