Schmerzen athmen und noch weniger husten. Dabey fühlte sie sich sehr kraftlos, und es stellte sich der Zeit- fluß als um die gehörige Zeit ein; dieser hörte auch wie sonst auf, ohne im geringsten gestöhrt worden zu seyn.
Den dritten Tag verordnete ihr ein Wundarzt das Doppelsalz mit Holdersulze und Kamillensaft; sie wurde alsogleich schlimmer. Nun kam ich, und fand sie gegen ihre Gewohnheit äusserst niedergeschlagen; sie sprach wimmernd, sehr geschwind und so lebhaft, daß sie nahe ans Irreseyn grenzte; sie warf sich un- ruhig im Bette herum, und bestimmte mit unmaß- geblicher Zuversicht den eilften Tag als den Tag ihres Todes. Der Kopfschmerz war heftig; vor den Au- gen alles grün, die Zunge schleimig, der Mund bit- ter, lettig; die Gesichtsfarbe roth, die Gegend um den Mund, das Kien und die Nase blaßgelb; das Athmen geschwind; Drücken und Schwere ober der Herzgrube, obschon sie die Brust weit besser hob, als es der Art des Athmens und dem Beklagen nach mög- lich schien; sie hatte Schmerzen in der rechten Seite- so, daß sie beym Anfühlen die Mundwinkel, die Augen- braunen, Augenwinkel und die Nasenflügel heftig ver- zog; es stach sie auch auf der linken Seite, und sie mußte mit dem Liegen oft abwechseln; der Bauch na- türlich; die Wärme und Feuchte der Haut gut; der Aderschlag geschwind, zusammengezogen, klein; der rechte Arm war betäubt und halb gelähmt; sie konn- te die Finger der rechten Hand weder krümmen noch ausstrecken; die Kräfte im Verhältniß der übrigen Zufälle sehr gesunken. Ich verordnete ein Loth Wun-
der-
Schmerzen athmen und noch weniger huſten. Dabey fuͤhlte ſie ſich ſehr kraftlos, und es ſtellte ſich der Zeit- fluß als um die gehoͤrige Zeit ein; dieſer hoͤrte auch wie ſonſt auf, ohne im geringſten geſtoͤhrt worden zu ſeyn.
Den dritten Tag verordnete ihr ein Wundarzt das Doppelſalz mit Holderſulze und Kamillenſaft; ſie wurde alſogleich ſchlimmer. Nun kam ich, und fand ſie gegen ihre Gewohnheit aͤuſſerſt niedergeſchlagen; ſie ſprach wimmernd, ſehr geſchwind und ſo lebhaft, daß ſie nahe ans Irreſeyn grenzte; ſie warf ſich un- ruhig im Bette herum, und beſtimmte mit unmaß- geblicher Zuverſicht den eilften Tag als den Tag ihres Todes. Der Kopfſchmerz war heftig; vor den Au- gen alles gruͤn, die Zunge ſchleimig, der Mund bit- ter, lettig; die Geſichtsfarbe roth, die Gegend um den Mund, das Kien und die Naſe blaßgelb; das Athmen geſchwind; Druͤcken und Schwere ober der Herzgrube, obſchon ſie die Bruſt weit beſſer hob, als es der Art des Athmens und dem Beklagen nach moͤg- lich ſchien; ſie hatte Schmerzen in der rechten Seite- ſo, daß ſie beym Anfuͤhlen die Mundwinkel, die Augen- braunen, Augenwinkel und die Naſenfluͤgel heftig ver- zog; es ſtach ſie auch auf der linken Seite, und ſie mußte mit dem Liegen oft abwechſeln; der Bauch na- tuͤrlich; die Waͤrme und Feuchte der Haut gut; der Aderſchlag geſchwind, zuſammengezogen, klein; der rechte Arm war betaͤubt und halb gelaͤhmt; ſie konn- te die Finger der rechten Hand weder kruͤmmen noch ausſtrecken; die Kraͤfte im Verhaͤltniß der uͤbrigen Zufaͤlle ſehr geſunken. Ich verordnete ein Loth Wun-
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Schmerzen athmen und noch weniger huſten. Dabey
fuͤhlte ſie ſich ſehr kraftlos, und es ſtellte ſich der Zeit-
fluß als um die gehoͤrige Zeit ein; dieſer hoͤrte auch
wie ſonſt auf, ohne im geringſten geſtoͤhrt worden zu ſeyn.
Den dritten Tag verordnete ihr ein Wundarzt
das Doppelſalz mit Holderſulze und Kamillenſaft; ſie
wurde alſogleich ſchlimmer. Nun kam ich, und fand
ſie gegen ihre Gewohnheit aͤuſſerſt niedergeſchlagen;
ſie ſprach wimmernd, ſehr geſchwind und ſo lebhaft,
daß ſie nahe ans Irreſeyn grenzte; ſie warf ſich un-
ruhig im Bette herum, und beſtimmte mit unmaß-
geblicher Zuverſicht den eilften Tag als den Tag ihres
Todes. Der Kopfſchmerz war heftig; vor den Au-
gen alles gruͤn, die Zunge ſchleimig, der Mund bit-
ter, lettig; die Geſichtsfarbe roth, die Gegend um
den Mund, das Kien und die Naſe blaßgelb; das
Athmen geſchwind; Druͤcken und Schwere ober der
Herzgrube, obſchon ſie die Bruſt weit beſſer hob, als
es der Art des Athmens und dem Beklagen nach moͤg-
lich ſchien; ſie hatte Schmerzen in der rechten Seite-
ſo, daß ſie beym Anfuͤhlen die Mundwinkel, die Augen-
braunen, Augenwinkel und die Naſenfluͤgel heftig ver-
zog; es ſtach ſie auch auf der linken Seite, und ſie
mußte mit dem Liegen oft abwechſeln; der Bauch na-
tuͤrlich; die Waͤrme und Feuchte der Haut gut; der
Aderſchlag geſchwind, zuſammengezogen, klein; der
rechte Arm war betaͤubt und halb gelaͤhmt; ſie konn-
te die Finger der rechten Hand weder kruͤmmen noch
ausſtrecken; die Kraͤfte im Verhaͤltniß der uͤbrigen
Zufaͤlle ſehr geſunken. Ich verordnete ein Loth Wun-
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/601>, abgerufen am 24.11.2024.
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