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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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diese traurigen Folgen beobachtet. So starb Antio-
chus der Edle
vor Betrübniß über das Uebel, das
er in Jerusalem gethan hatte.*) Und der menschen-
freundliche Syrach warnet gegen langes Trauren über
einen Verstorbenen; "denn von Trauren kömmt der
Tod; und des Herzens Traurigkeit schwächet die Kräf-
te."**) Dem ohngeachtet wußte ich auch, daß die
mürrische Frau zu Thasus S. 538. davon kam, ob-
schon des Dealkes Frau S. 577. Nro 2.gestorben war.
Es muß also, dacht ich, keine gerade Nothwendig-
keit
in der Natur liegen, daß diese Krankheiten jeder-
zeit tödlich seyen. Die vortreflichen Krankengeschich-
ten des Sim. Herz waren mir noch unbekannt.
Folgende Gelegenheit bahnte mir den Weeg zur voll-
kommenen Erkenntniß dieser Krankheit, was ich nach-
her in allen guten Krankengeschichten bestättigt fand.
Die ich hier liefere, zeigt noch manchmal meine man-
gelhafte Einsicht; aber sie ist vollständig, und ich schä-
ze sie daher einer vorzügliehen Aufmerksamkeit werth.

Nro. 4. Klara Sied, eine sonst immer ge-
sunde, starke, aber empfindsame Frau hatte schon lan-
ge Zeit her viel Verdruß und heimlichen Zorn. Nun
aber gerieth sie mit einem andern Weibe in einen leb-
haften Hader. Den 12ten July als den Tag hernach,
stund sie mit eingenommenem, schmerzhaftem Kopfe
auf, und erbrach ungefähr ein halb Pfund grüne,
bittere Galle; der Kopfschmerz nahm zu; sie spürte
eine Beklemmung auf der Brust, konnte nicht ohne

Schmer-
*) 1 Buch der Machabä. 6 Kap.
**) Das Buch Jes. Sirach 138 Kap.

dieſe traurigen Folgen beobachtet. So ſtarb Antio-
chus der Edle
vor Betruͤbniß uͤber das Uebel, das
er in Jeruſalem gethan hatte.*) Und der menſchen-
freundliche Syrach warnet gegen langes Trauren uͤber
einen Verſtorbenen; „denn von Trauren koͤmmt der
Tod; und des Herzens Traurigkeit ſchwaͤchet die Kraͤf-
te.„**) Dem ohngeachtet wußte ich auch, daß die
muͤrriſche Frau zu Thaſus S. 538. davon kam, ob-
ſchon des Dealkes Frau S. 577. Nro 2.geſtorben war.
Es muß alſo, dacht ich, keine gerade Nothwendig-
keit
in der Natur liegen, daß dieſe Krankheiten jeder-
zeit toͤdlich ſeyen. Die vortreflichen Krankengeſchich-
ten des Sim. Herz waren mir noch unbekannt.
Folgende Gelegenheit bahnte mir den Weeg zur voll-
kommenen Erkenntniß dieſer Krankheit, was ich nach-
her in allen guten Krankengeſchichten beſtaͤttigt fand.
Die ich hier liefere, zeigt noch manchmal meine man-
gelhafte Einſicht; aber ſie iſt vollſtaͤndig, und ich ſchaͤ-
ze ſie daher einer vorzuͤgliehen Aufmerkſamkeit werth.

Nro. 4. Klara Sied, eine ſonſt immer ge-
ſunde, ſtarke, aber empfindſame Frau hatte ſchon lan-
ge Zeit her viel Verdruß und heimlichen Zorn. Nun
aber gerieth ſie mit einem andern Weibe in einen leb-
haften Hader. Den 12ten July als den Tag hernach,
ſtund ſie mit eingenommenem, ſchmerzhaftem Kopfe
auf, und erbrach ungefaͤhr ein halb Pfund gruͤne,
bittere Galle; der Kopfſchmerz nahm zu; ſie ſpuͤrte
eine Beklemmung auf der Bruſt, konnte nicht ohne

Schmer-
*) 1 Buch der Machabaͤ. 6 Kap.
**) Das Buch Jeſ. Sirach 138 Kap.
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[581/0600] dieſe traurigen Folgen beobachtet. So ſtarb Antio- chus der Edle vor Betruͤbniß uͤber das Uebel, das er in Jeruſalem gethan hatte. *) Und der menſchen- freundliche Syrach warnet gegen langes Trauren uͤber einen Verſtorbenen; „denn von Trauren koͤmmt der Tod; und des Herzens Traurigkeit ſchwaͤchet die Kraͤf- te.„ **) Dem ohngeachtet wußte ich auch, daß die muͤrriſche Frau zu Thaſus S. 538. davon kam, ob- ſchon des Dealkes Frau S. 577. Nro 2.geſtorben war. Es muß alſo, dacht ich, keine gerade Nothwendig- keit in der Natur liegen, daß dieſe Krankheiten jeder- zeit toͤdlich ſeyen. Die vortreflichen Krankengeſchich- ten des Sim. Herz waren mir noch unbekannt. Folgende Gelegenheit bahnte mir den Weeg zur voll- kommenen Erkenntniß dieſer Krankheit, was ich nach- her in allen guten Krankengeſchichten beſtaͤttigt fand. Die ich hier liefere, zeigt noch manchmal meine man- gelhafte Einſicht; aber ſie iſt vollſtaͤndig, und ich ſchaͤ- ze ſie daher einer vorzuͤgliehen Aufmerkſamkeit werth. Nro. 4. Klara Sied, eine ſonſt immer ge- ſunde, ſtarke, aber empfindſame Frau hatte ſchon lan- ge Zeit her viel Verdruß und heimlichen Zorn. Nun aber gerieth ſie mit einem andern Weibe in einen leb- haften Hader. Den 12ten July als den Tag hernach, ſtund ſie mit eingenommenem, ſchmerzhaftem Kopfe auf, und erbrach ungefaͤhr ein halb Pfund gruͤne, bittere Galle; der Kopfſchmerz nahm zu; ſie ſpuͤrte eine Beklemmung auf der Bruſt, konnte nicht ohne Schmer- *) 1 Buch der Machabaͤ. 6 Kap. **) Das Buch Jeſ. Sirach 138 Kap.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/600>, abgerufen am 24.11.2024.