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Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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5. Die unglückliche Mutter.

Sechs Wochen waren verflossen, seitdem der kleine Clemens Artmann Bernhard hieß und im gräflichen Schlosse als einziges Kind von der Gräfin und der ganzen Dienerschaft gehegt und auf den Händen getragen wurde.

Bernhard und Therese waren nicht auf dem Schlosse gewesen, aber Therese hatte ihr Mädchen, die mit im Geheimnisse war, weil sie damals das Kind fortgebracht, öfter zur Wärterin geschickt, um den Knaben zu sehen, in der Frühe des Morgens, wenn die Gräfin noch schlief; und dann hatte die betrübte Mutter ihr krankes Herz gelabt an der Kunde, wie wohl und blühend ihr Liebling sei -- obgleich es auch wieder ihr Herz zerriß, als sie erfuhr, daß ihr Kind jetzt wirklich die Gräfin Agnes "Mama" nenne! Bernhard, anstatt sie zu trösten, machte ihr Vorwürfe, daß sie ihr Kind hergegeben, und erklärte ihr eines Abends, er werde die Pachtung kündigen am Schluß des Jahres, sein Inventar verkaufen und mit ihr und dem Kinde im nächsten Frühjahre nach Amerika ziehen.

Therese schwieg. Wenn sie nur ihr Kind wieder gehabt hätte! Aber nach einer Weile sagte sie entschlossen zu Bernhard:

Morgen gehe ich auf das Schloß und hole das Kind!

5. Die unglückliche Mutter.

Sechs Wochen waren verflossen, seitdem der kleine Clemens Artmann Bernhard hieß und im gräflichen Schlosse als einziges Kind von der Gräfin und der ganzen Dienerschaft gehegt und auf den Händen getragen wurde.

Bernhard und Therese waren nicht auf dem Schlosse gewesen, aber Therese hatte ihr Mädchen, die mit im Geheimnisse war, weil sie damals das Kind fortgebracht, öfter zur Wärterin geschickt, um den Knaben zu sehen, in der Frühe des Morgens, wenn die Gräfin noch schlief; und dann hatte die betrübte Mutter ihr krankes Herz gelabt an der Kunde, wie wohl und blühend ihr Liebling sei — obgleich es auch wieder ihr Herz zerriß, als sie erfuhr, daß ihr Kind jetzt wirklich die Gräfin Agnes „Mama“ nenne! Bernhard, anstatt sie zu trösten, machte ihr Vorwürfe, daß sie ihr Kind hergegeben, und erklärte ihr eines Abends, er werde die Pachtung kündigen am Schluß des Jahres, sein Inventar verkaufen und mit ihr und dem Kinde im nächsten Frühjahre nach Amerika ziehen.

Therese schwieg. Wenn sie nur ihr Kind wieder gehabt hätte! Aber nach einer Weile sagte sie entschlossen zu Bernhard:

Morgen gehe ich auf das Schloß und hole das Kind!

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[0044] 5. Die unglückliche Mutter. Sechs Wochen waren verflossen, seitdem der kleine Clemens Artmann Bernhard hieß und im gräflichen Schlosse als einziges Kind von der Gräfin und der ganzen Dienerschaft gehegt und auf den Händen getragen wurde. Bernhard und Therese waren nicht auf dem Schlosse gewesen, aber Therese hatte ihr Mädchen, die mit im Geheimnisse war, weil sie damals das Kind fortgebracht, öfter zur Wärterin geschickt, um den Knaben zu sehen, in der Frühe des Morgens, wenn die Gräfin noch schlief; und dann hatte die betrübte Mutter ihr krankes Herz gelabt an der Kunde, wie wohl und blühend ihr Liebling sei — obgleich es auch wieder ihr Herz zerriß, als sie erfuhr, daß ihr Kind jetzt wirklich die Gräfin Agnes „Mama“ nenne! Bernhard, anstatt sie zu trösten, machte ihr Vorwürfe, daß sie ihr Kind hergegeben, und erklärte ihr eines Abends, er werde die Pachtung kündigen am Schluß des Jahres, sein Inventar verkaufen und mit ihr und dem Kinde im nächsten Frühjahre nach Amerika ziehen. Therese schwieg. Wenn sie nur ihr Kind wieder gehabt hätte! Aber nach einer Weile sagte sie entschlossen zu Bernhard: Morgen gehe ich auf das Schloß und hole das Kind!

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:13:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:13:13Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/44>, abgerufen am 23.11.2024.