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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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deutsch: Küchenabfälle, Küchenkehricht -- sind jene ausge-
dehnten, bis zu 2 Millionen Cubikfuß umfassenden Anhäu-
fungen von Austern- und anderen Muschelschalen, unter-
mischt mit Knochenresten von Säugethieren, Vögeln (darun-
ter vom Auerhahn) und Fischen, sowie mit Steinwaffen,
grober Töpferwaare und anderen primitiven Geräthschaften,
die besonders häufig an den Ostküsten der dänischen Jnseln
und Jütlands auftreten, in neuester Zeit aber auch an den
Küsten Südasiens und Brasiliens beobachtet worden sind.
An der Ostsee liegen diese 3-10 Fuß mächtigen, 150-200
Fuß breiten und oft 1000 Fuß langen Bänke an den älteren
und jüngeren Strandlinien entweder zu Tage, oder in eini-
ger Tiefe unter der jetzigen Bodenfläche. Mehrere dänische
Gelehrte, unter ihnen besonders Steenstrup und Forch-
hammer
in Koppenhagen haben sich durch die sorgfältigste Un-
tersuchung dieser uralten Denkmäler menschlichen Daseins
verdient gemacht. Nach den Forschungen dieser Männer un-
terliegt es keinem Zweifel, daß wir in diesen Muschelbänken
den Wohnstätten einer rohen Bevölkerung begegnen, die von
Jagd und Fischerei lebte und nur im Laufe langer Zeit-
räume von den Resten ihrer Mahlzeiten so ungeheure Massen
anhäufen konnte; es unterliegt auch keinem Zweifel, daß diese
Bevölkerung vor mindestens 10,000 Jahren schon vorhanden
war. Dies ergiebt sich theils aus ihren rohen Geräthschaf-
ten, theils und besonders daraus, daß zur Zeit der Entstehung
der Muschelbänke die dänischen Jnseln noch mit Kieferwal-
dungen bedeckt waren, die seitdem in dem äußerst langsamen
Vegetationswechsel ganz anderen Baumarten Platz gemacht
haben, während sie in historischer Zeit, ja soweit die nor-
dische Sage reicht, den Bewohnern Dänemarks niemals be-
kannt gewesen sind.

Die eigenthümlichen Bodenverhältnisse des dänischen

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deutſch: Küchenabfälle, Küchenkehricht — ſind jene ausge-
dehnten, bis zu 2 Millionen Cubikfuß umfaſſenden Anhäu-
fungen von Auſtern- und anderen Muſchelſchalen, unter-
miſcht mit Knochenreſten von Säugethieren, Vögeln (darun-
ter vom Auerhahn) und Fiſchen, ſowie mit Steinwaffen,
grober Töpferwaare und anderen primitiven Geräthſchaften,
die beſonders häufig an den Oſtküſten der däniſchen Jnſeln
und Jütlands auftreten, in neueſter Zeit aber auch an den
Küſten Südaſiens und Braſiliens beobachtet worden ſind.
An der Oſtſee liegen dieſe 3‒10 Fuß mächtigen, 150‒200
Fuß breiten und oft 1000 Fuß langen Bänke an den älteren
und jüngeren Strandlinien entweder zu Tage, oder in eini-
ger Tiefe unter der jetzigen Bodenfläche. Mehrere däniſche
Gelehrte, unter ihnen beſonders Steenſtrup und Forch-
hammer
in Koppenhagen haben ſich durch die ſorgfältigſte Un-
terſuchung dieſer uralten Denkmäler menſchlichen Daſeins
verdient gemacht. Nach den Forſchungen dieſer Männer un-
terliegt es keinem Zweifel, daß wir in dieſen Muſchelbänken
den Wohnſtätten einer rohen Bevölkerung begegnen, die von
Jagd und Fiſcherei lebte und nur im Laufe langer Zeit-
räume von den Reſten ihrer Mahlzeiten ſo ungeheure Maſſen
anhäufen konnte; es unterliegt auch keinem Zweifel, daß dieſe
Bevölkerung vor mindeſtens 10,000 Jahren ſchon vorhanden
war. Dies ergiebt ſich theils aus ihren rohen Geräthſchaf-
ten, theils und beſonders daraus, daß zur Zeit der Entſtehung
der Muſchelbänke die däniſchen Jnſeln noch mit Kieferwal-
dungen bedeckt waren, die ſeitdem in dem äußerſt langſamen
Vegetationswechſel ganz anderen Baumarten Platz gemacht
haben, während ſie in hiſtoriſcher Zeit, ja ſoweit die nor-
diſche Sage reicht, den Bewohnern Dänemarks niemals be-
kannt geweſen ſind.

Die eigenthümlichen Bodenverhältniſſe des däniſchen

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[35/0039] deutſch: Küchenabfälle, Küchenkehricht — ſind jene ausge- dehnten, bis zu 2 Millionen Cubikfuß umfaſſenden Anhäu- fungen von Auſtern- und anderen Muſchelſchalen, unter- miſcht mit Knochenreſten von Säugethieren, Vögeln (darun- ter vom Auerhahn) und Fiſchen, ſowie mit Steinwaffen, grober Töpferwaare und anderen primitiven Geräthſchaften, die beſonders häufig an den Oſtküſten der däniſchen Jnſeln und Jütlands auftreten, in neueſter Zeit aber auch an den Küſten Südaſiens und Braſiliens beobachtet worden ſind. An der Oſtſee liegen dieſe 3‒10 Fuß mächtigen, 150‒200 Fuß breiten und oft 1000 Fuß langen Bänke an den älteren und jüngeren Strandlinien entweder zu Tage, oder in eini- ger Tiefe unter der jetzigen Bodenfläche. Mehrere däniſche Gelehrte, unter ihnen beſonders Steenſtrup und Forch- hammer in Koppenhagen haben ſich durch die ſorgfältigſte Un- terſuchung dieſer uralten Denkmäler menſchlichen Daſeins verdient gemacht. Nach den Forſchungen dieſer Männer un- terliegt es keinem Zweifel, daß wir in dieſen Muſchelbänken den Wohnſtätten einer rohen Bevölkerung begegnen, die von Jagd und Fiſcherei lebte und nur im Laufe langer Zeit- räume von den Reſten ihrer Mahlzeiten ſo ungeheure Maſſen anhäufen konnte; es unterliegt auch keinem Zweifel, daß dieſe Bevölkerung vor mindeſtens 10,000 Jahren ſchon vorhanden war. Dies ergiebt ſich theils aus ihren rohen Geräthſchaf- ten, theils und beſonders daraus, daß zur Zeit der Entſtehung der Muſchelbänke die däniſchen Jnſeln noch mit Kieferwal- dungen bedeckt waren, die ſeitdem in dem äußerſt langſamen Vegetationswechſel ganz anderen Baumarten Platz gemacht haben, während ſie in hiſtoriſcher Zeit, ja ſoweit die nor- diſche Sage reicht, den Bewohnern Dänemarks niemals be- kannt geweſen ſind. Die eigenthümlichen Bodenverhältniſſe des däniſchen 3*

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/39>, abgerufen am 24.04.2024.