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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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waren. Sie bestehen durchgängig aus Reihen von entweder
ganz rohen, oder nur wenig zugerichteten Baumstämmen --
in den ältesten Bauten bis zu 1 ' Durchmesser -- die als Pfähle
in den Boden der Seen eingelassen sind und offenbar zum
Unterbau für Platformen dienten, auf welchen die frühesten
Bewohner jener Länder ihre Wohnungen errichteten. Die
älteste historische Kunde von solchen Bauten finden wir bei
Herodot, der sie noch im Jahre 520 vor Christus bei einem
thrakischen Volksstamme im See Prasias im heutigen Ru-
melien vorgefunden und beschrieben hat. Zu Cäsars Zeiten
scheinen sie in Gallien und Helvetien längst verlassen und
vergessen gewesen zu sein.

Die ersten Spuren dieser Pfahlbauten entdeckte man
im Winter 1854 bei Meilen am Zürichersee, bei damals
sehr niedrigem Wasserstande; später aber sind sie fast in allen
Seen, welche die Alpen umgeben, aufgefunden, auch an meh-
reren anderen Orten, z. B. bei Wismar in Mecklenburg
nachgewiesen worden. Auf Neu-Guinea sollen einzelne Jn-
dianerdörfer noch heute auf solchen Pfahlbauten angelegt sein.
Die größere Sicherheit der Bewohner solcher Dörfer vor
feindlichen Ueberfällen leuchtet von selbst ein und ist ohne
Zweifel die Hauptursache ihrer frühzeitigen Erbauung gewe-
sen. Wie weit sie in die Vorzeit hinaufreichen mögen, hat
sich bis jetzt mit hinreichender Sicherheit noch nicht feststellen
lassen; man glaubt aber für die ältesten Bauten ohne Ueber-
schätzung ein Alter von 10,000 Jahren annehmen zu können.
Soviel steht fest, daß die Pfähle überall in einer mehrere
Fuß mächtigen Lehmschicht stecken, die über dem Kiesgerölle
und den gleichalterigen Schwemmgebilden der Höhlen liegt,
worin man an mehreren Stellen der Schweiz und ander-
wärts (bei Amiens) Mammuth- und Nashornknochen sowie
die früher erwähnten menschlichen Reste aufgefunden hat.

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waren. Sie beſtehen durchgängig aus Reihen von entweder
ganz rohen, oder nur wenig zugerichteten Baumſtämmen —
in den älteſten Bauten bis zu 1 ′ Durchmeſſer — die als Pfähle
in den Boden der Seen eingelaſſen ſind und offenbar zum
Unterbau für Platformen dienten, auf welchen die früheſten
Bewohner jener Länder ihre Wohnungen errichteten. Die
älteſte hiſtoriſche Kunde von ſolchen Bauten finden wir bei
Herodot, der ſie noch im Jahre 520 vor Chriſtus bei einem
thrakiſchen Volksſtamme im See Praſias im heutigen Ru-
melien vorgefunden und beſchrieben hat. Zu Cäſars Zeiten
ſcheinen ſie in Gallien und Helvetien längſt verlaſſen und
vergeſſen geweſen zu ſein.

Die erſten Spuren dieſer Pfahlbauten entdeckte man
im Winter 1854 bei Meilen am Züricherſee, bei damals
ſehr niedrigem Waſſerſtande; ſpäter aber ſind ſie faſt in allen
Seen, welche die Alpen umgeben, aufgefunden, auch an meh-
reren anderen Orten, z. B. bei Wismar in Mecklenburg
nachgewieſen worden. Auf Neu-Guinea ſollen einzelne Jn-
dianerdörfer noch heute auf ſolchen Pfahlbauten angelegt ſein.
Die größere Sicherheit der Bewohner ſolcher Dörfer vor
feindlichen Ueberfällen leuchtet von ſelbſt ein und iſt ohne
Zweifel die Haupturſache ihrer frühzeitigen Erbauung gewe-
ſen. Wie weit ſie in die Vorzeit hinaufreichen mögen, hat
ſich bis jetzt mit hinreichender Sicherheit noch nicht feſtſtellen
laſſen; man glaubt aber für die älteſten Bauten ohne Ueber-
ſchätzung ein Alter von 10,000 Jahren annehmen zu können.
Soviel ſteht feſt, daß die Pfähle überall in einer mehrere
Fuß mächtigen Lehmſchicht ſtecken, die über dem Kiesgerölle
und den gleichalterigen Schwemmgebilden der Höhlen liegt,
worin man an mehreren Stellen der Schweiz und ander-
wärts (bei Amiens) Mammuth- und Nashornknochen ſowie
die früher erwähnten menſchlichen Reſte aufgefunden hat.

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[33/0037] waren. Sie beſtehen durchgängig aus Reihen von entweder ganz rohen, oder nur wenig zugerichteten Baumſtämmen — in den älteſten Bauten bis zu 1 ′ Durchmeſſer — die als Pfähle in den Boden der Seen eingelaſſen ſind und offenbar zum Unterbau für Platformen dienten, auf welchen die früheſten Bewohner jener Länder ihre Wohnungen errichteten. Die älteſte hiſtoriſche Kunde von ſolchen Bauten finden wir bei Herodot, der ſie noch im Jahre 520 vor Chriſtus bei einem thrakiſchen Volksſtamme im See Praſias im heutigen Ru- melien vorgefunden und beſchrieben hat. Zu Cäſars Zeiten ſcheinen ſie in Gallien und Helvetien längſt verlaſſen und vergeſſen geweſen zu ſein. Die erſten Spuren dieſer Pfahlbauten entdeckte man im Winter 1854 bei Meilen am Züricherſee, bei damals ſehr niedrigem Waſſerſtande; ſpäter aber ſind ſie faſt in allen Seen, welche die Alpen umgeben, aufgefunden, auch an meh- reren anderen Orten, z. B. bei Wismar in Mecklenburg nachgewieſen worden. Auf Neu-Guinea ſollen einzelne Jn- dianerdörfer noch heute auf ſolchen Pfahlbauten angelegt ſein. Die größere Sicherheit der Bewohner ſolcher Dörfer vor feindlichen Ueberfällen leuchtet von ſelbſt ein und iſt ohne Zweifel die Haupturſache ihrer frühzeitigen Erbauung gewe- ſen. Wie weit ſie in die Vorzeit hinaufreichen mögen, hat ſich bis jetzt mit hinreichender Sicherheit noch nicht feſtſtellen laſſen; man glaubt aber für die älteſten Bauten ohne Ueber- ſchätzung ein Alter von 10,000 Jahren annehmen zu können. Soviel ſteht feſt, daß die Pfähle überall in einer mehrere Fuß mächtigen Lehmſchicht ſtecken, die über dem Kiesgerölle und den gleichalterigen Schwemmgebilden der Höhlen liegt, worin man an mehreren Stellen der Schweiz und ander- wärts (bei Amiens) Mammuth- und Nashornknochen ſowie die früher erwähnten menſchlichen Reſte aufgefunden hat. 3

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/37>, abgerufen am 23.04.2024.