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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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läontologe v. Schlotheim hatte in den Jahren 1820-24 in
der Nähe von Gera in Thüringen ganze Reihen von Men-
schenknochen, zum Theil in einer Tiefe von 30 Fuß und
selbst unter fossile Thierknochen gemischt beobachtet; aber sie
konnten nach seiner Meinung d. h. nach dem Dogma von
Cuvier, nicht gleichzeitig mit den Thierknochen dort abgela-
gert, sie mußten durch einen spätern Zufall an ihren Fund-
ort gekommen sein und der neueren Zeit angehören.

Jch übergehe ähnliche Beobachtungen, die in der sog.
Knochenbreccie des Mittelmeers gemacht wurden, um Jhre
Aufmerksamkeit auf die beiden französischen Forscher Tournal
und de Christol zu lenken, von denen der eine in der Höhle
von Bize bei Narbonne, der andere in einer Höhle des süd-
lichen Frankreichs (Gondres bei Nimes) in den Jahren 1828
und 1829 menschliche Gebeine in Gemeinschaft von unzweifel-
haft fossilen Thierknochen entdeckte. Beide Beobachter trugen
kein Bedenken, für beiderlei Reste, da sie unter ganz glei-
chen Bedingungen auftraten, auch dasselbe geologische Alter
zu behaupten.

Von den deutschen Geologen ist aus jener Zeit nur
Ch. Keferstein in Halle zu nennen, der es wahrscheinlich
fand, daß zur Zeit des Unterganges der mehr erwähnten
Thiergeschlechter auch der Mensch schon existirt habe.

Am entschiedensten jedoch wurde diese Ansicht im Jahre
1833 von Prof. Schmerling geltend gemacht, der mit großer
Ausdauer sämmtliche Höhlen in der Umgebung von Lüttich
untersucht und unter verschiedenen fossilen Thierresten mehrere
Menschenschädel und andere menschliche Knochen entdeckt
hatte. Er schrieb ein besonderes Werk: "Recherches sur les
ossements fossiles, decouverts dans les cavernes de la pro-
vince de Liege
," 1833, worin er seine wichtigen Beobach-
tungen der Welt bekannt machte. Man kann seinen Bericht

läontologe v. Schlotheim hatte in den Jahren 1820‒24 in
der Nähe von Gera in Thüringen ganze Reihen von Men-
ſchenknochen, zum Theil in einer Tiefe von 30 Fuß und
ſelbſt unter foſſile Thierknochen gemiſcht beobachtet; aber ſie
konnten nach ſeiner Meinung d. h. nach dem Dogma von
Cuvier, nicht gleichzeitig mit den Thierknochen dort abgela-
gert, ſie mußten durch einen ſpätern Zufall an ihren Fund-
ort gekommen ſein und der neueren Zeit angehören.

Jch übergehe ähnliche Beobachtungen, die in der ſog.
Knochenbreccie des Mittelmeers gemacht wurden, um Jhre
Aufmerkſamkeit auf die beiden franzöſiſchen Forſcher Tournal
und de Chriſtol zu lenken, von denen der eine in der Höhle
von Bize bei Narbonne, der andere in einer Höhle des ſüd-
lichen Frankreichs (Gondres bei Nimes) in den Jahren 1828
und 1829 menſchliche Gebeine in Gemeinſchaft von unzweifel-
haft foſſilen Thierknochen entdeckte. Beide Beobachter trugen
kein Bedenken, für beiderlei Reſte, da ſie unter ganz glei-
chen Bedingungen auftraten, auch daſſelbe geologiſche Alter
zu behaupten.

Von den deutſchen Geologen iſt aus jener Zeit nur
Ch. Keferſtein in Halle zu nennen, der es wahrſcheinlich
fand, daß zur Zeit des Unterganges der mehr erwähnten
Thiergeſchlechter auch der Menſch ſchon exiſtirt habe.

Am entſchiedenſten jedoch wurde dieſe Anſicht im Jahre
1833 von Prof. Schmerling geltend gemacht, der mit großer
Ausdauer ſämmtliche Höhlen in der Umgebung von Lüttich
unterſucht und unter verſchiedenen foſſilen Thierreſten mehrere
Menſchenſchädel und andere menſchliche Knochen entdeckt
hatte. Er ſchrieb ein beſonderes Werk: „Recherches sur les
ossementſ fossileſ, découverts dans les cavernes de la pro-
vince de Liège
,“ 1833, worin er ſeine wichtigen Beobach-
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[28/0032] läontologe v. Schlotheim hatte in den Jahren 1820‒24 in der Nähe von Gera in Thüringen ganze Reihen von Men- ſchenknochen, zum Theil in einer Tiefe von 30 Fuß und ſelbſt unter foſſile Thierknochen gemiſcht beobachtet; aber ſie konnten nach ſeiner Meinung d. h. nach dem Dogma von Cuvier, nicht gleichzeitig mit den Thierknochen dort abgela- gert, ſie mußten durch einen ſpätern Zufall an ihren Fund- ort gekommen ſein und der neueren Zeit angehören. Jch übergehe ähnliche Beobachtungen, die in der ſog. Knochenbreccie des Mittelmeers gemacht wurden, um Jhre Aufmerkſamkeit auf die beiden franzöſiſchen Forſcher Tournal und de Chriſtol zu lenken, von denen der eine in der Höhle von Bize bei Narbonne, der andere in einer Höhle des ſüd- lichen Frankreichs (Gondres bei Nimes) in den Jahren 1828 und 1829 menſchliche Gebeine in Gemeinſchaft von unzweifel- haft foſſilen Thierknochen entdeckte. Beide Beobachter trugen kein Bedenken, für beiderlei Reſte, da ſie unter ganz glei- chen Bedingungen auftraten, auch daſſelbe geologiſche Alter zu behaupten. Von den deutſchen Geologen iſt aus jener Zeit nur Ch. Keferſtein in Halle zu nennen, der es wahrſcheinlich fand, daß zur Zeit des Unterganges der mehr erwähnten Thiergeſchlechter auch der Menſch ſchon exiſtirt habe. Am entſchiedenſten jedoch wurde dieſe Anſicht im Jahre 1833 von Prof. Schmerling geltend gemacht, der mit großer Ausdauer ſämmtliche Höhlen in der Umgebung von Lüttich unterſucht und unter verſchiedenen foſſilen Thierreſten mehrere Menſchenſchädel und andere menſchliche Knochen entdeckt hatte. Er ſchrieb ein beſonderes Werk: „Recherches sur les ossementſ fossileſ, découverts dans les cavernes de la pro- vince de Liège,“ 1833, worin er ſeine wichtigen Beobach- tungen der Welt bekannt machte. Man kann ſeinen Bericht

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/32>, abgerufen am 23.04.2024.