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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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nicht ohne Theilnahme lesen; man fühlt mit ihm die Schwie-
rigkeit der Aufgabe, eine Ansicht zur Geltung zu bringen,
die gegen eingewurzelte Vorurtheile der Zeit verstößt. Und
in der That hat er weder durch die Gediegenheit seiner Be-
weisgründe, noch durch die Wärme der Ueberzeugung, womit
er dieselben unterstützt, damals Anhänger für seine Ansicht
gewinnen können.

Ein gleiches und noch schlimmeres Schicksal hatten
anfänglich die Bemühungen des französischen Archäologen
Boucher de Perthes, als er im Jahre 1838 in seinem
Buche: "De la creation, essai sur l'origine et la progression
des etres
" zuerst mit Bestimmtheit aussprach: "daß man in
Ermangelung fossiler Menschenreste früh oder spät im Diluvi-
um Spuren von vorsündfluthlichen Menschen finden würde."
Ja, als dieser unermüdliche Forscher so glücklich war, in den
Diluvialbildungen (Sand- und Kiesgerölle) des Sommetha-
les bei Amiens und Abbeville, im Vereine mit fossilen Ele-
phanten- und Nashorngebeinen zahlreiche, aus Feuerstein ge-
fertigte Werkzeuge -- Aexte, Keile -- zu entdecken und
diese Auffindungen 1847 in einem besonderen Werke: "An-
tiquites antediluviennes
" bekannt machte, da wurden seine
Berichte nicht allein mit ungläubiger Gleichgültigkeit und
Geringschätzung aufgenommen, sondern man erschöpfte sich
förmlich in Zweifeln und Vermuthungen, um den genann-
ten Feuersteinwaffen ihr vorsündfluthliches Alter streitig zu
machen. Der Streit unter den Fachmännern über die Aecht-
heit und das Alter dieser rohen Kunstproducte hatte aber
zur Folge, daß das Sommethal von den bedeutendsten fran-
zösischen und englischen Geologen, unter ihnen auch von Lyell
auf das Sorgfältigste untersucht wurde, wodurch schließlich,
wenn auch erst vor Kurzem, alle Gegner zu den Ansichten
von Boucher de Perthes bekehrt worden sind. Als aber im

nicht ohne Theilnahme leſen; man fühlt mit ihm die Schwie-
rigkeit der Aufgabe, eine Anſicht zur Geltung zu bringen,
die gegen eingewurzelte Vorurtheile der Zeit verſtößt. Und
in der That hat er weder durch die Gediegenheit ſeiner Be-
weisgründe, noch durch die Wärme der Ueberzeugung, womit
er dieſelben unterſtützt, damals Anhänger für ſeine Anſicht
gewinnen können.

Ein gleiches und noch ſchlimmeres Schickſal hatten
anfänglich die Bemühungen des franzöſiſchen Archäologen
Boucher de Perthes, als er im Jahre 1838 in ſeinem
Buche: „De la création, essai sur l'origine et la progression
des ètres
“ zuerſt mit Beſtimmtheit ausſprach: „daß man in
Ermangelung foſſiler Menſchenreſte früh oder ſpät im Diluvi-
um Spuren von vorſündfluthlichen Menſchen finden würde.“
Ja, als dieſer unermüdliche Forſcher ſo glücklich war, in den
Diluvialbildungen (Sand- und Kiesgerölle) des Sommetha-
les bei Amiens und Abbeville, im Vereine mit foſſilen Ele-
phanten- und Nashorngebeinen zahlreiche, aus Feuerſtein ge-
fertigte Werkzeuge — Aexte, Keile — zu entdecken und
dieſe Auffindungen 1847 in einem beſonderen Werke: „An-
tiquités antediluviennes
“ bekannt machte, da wurden ſeine
Berichte nicht allein mit ungläubiger Gleichgültigkeit und
Geringſchätzung aufgenommen, ſondern man erſchöpfte ſich
förmlich in Zweifeln und Vermuthungen, um den genann-
ten Feuerſteinwaffen ihr vorſündfluthliches Alter ſtreitig zu
machen. Der Streit unter den Fachmännern über die Aecht-
heit und das Alter dieſer rohen Kunſtproducte hatte aber
zur Folge, daß das Sommethal von den bedeutendſten fran-
zöſiſchen und engliſchen Geologen, unter ihnen auch von Lyell
auf das Sorgfältigſte unterſucht wurde, wodurch ſchließlich,
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[29/0033] nicht ohne Theilnahme leſen; man fühlt mit ihm die Schwie- rigkeit der Aufgabe, eine Anſicht zur Geltung zu bringen, die gegen eingewurzelte Vorurtheile der Zeit verſtößt. Und in der That hat er weder durch die Gediegenheit ſeiner Be- weisgründe, noch durch die Wärme der Ueberzeugung, womit er dieſelben unterſtützt, damals Anhänger für ſeine Anſicht gewinnen können. Ein gleiches und noch ſchlimmeres Schickſal hatten anfänglich die Bemühungen des franzöſiſchen Archäologen Boucher de Perthes, als er im Jahre 1838 in ſeinem Buche: „De la création, essai sur l'origine et la progression des ètres“ zuerſt mit Beſtimmtheit ausſprach: „daß man in Ermangelung foſſiler Menſchenreſte früh oder ſpät im Diluvi- um Spuren von vorſündfluthlichen Menſchen finden würde.“ Ja, als dieſer unermüdliche Forſcher ſo glücklich war, in den Diluvialbildungen (Sand- und Kiesgerölle) des Sommetha- les bei Amiens und Abbeville, im Vereine mit foſſilen Ele- phanten- und Nashorngebeinen zahlreiche, aus Feuerſtein ge- fertigte Werkzeuge — Aexte, Keile — zu entdecken und dieſe Auffindungen 1847 in einem beſonderen Werke: „An- tiquités antediluviennes“ bekannt machte, da wurden ſeine Berichte nicht allein mit ungläubiger Gleichgültigkeit und Geringſchätzung aufgenommen, ſondern man erſchöpfte ſich förmlich in Zweifeln und Vermuthungen, um den genann- ten Feuerſteinwaffen ihr vorſündfluthliches Alter ſtreitig zu machen. Der Streit unter den Fachmännern über die Aecht- heit und das Alter dieſer rohen Kunſtproducte hatte aber zur Folge, daß das Sommethal von den bedeutendſten fran- zöſiſchen und engliſchen Geologen, unter ihnen auch von Lyell auf das Sorgfältigſte unterſucht wurde, wodurch ſchließlich, wenn auch erſt vor Kurzem, alle Gegner zu den Anſichten von Boucher de Perthes bekehrt worden ſind. Als aber im

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/33>, abgerufen am 26.04.2024.