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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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lich sein für das Gefühl der Würde und der Vorzüge, wo-
mit sich der civilisirte Mensch ausgestattet glaubt. Das ist
aber auch Alles, was uns die zeitgemäße Erörterung unserer
Frage in der einfacheren Form derselben zumuthet. Jch
meine daher, daß so weit Jedermann ohne Bedenken dieser
Erörterung folgen kann, wenn er nicht versuchen will die
Wissenschaft zur Umkehr zu nöthigen, wobei in unseren Ta-
gen bekanntlich nicht mehr auf Erfolg zu rechnen ist.

Jn der Einleitung zu meiner Vorlesung habe ich aber
bereits angedeutet, daß die Behandlung unserer Frage in
jüngster Zeit noch ganz andere Seiten herausgekehrt und
dadurch solche Dimensionen angenommen hat, daß sie um-
gestaltend in verschiedene Gebiete des menschlichen Wissens
einzudringen und für gewisse herkömmliche Anschauungen, man
könnte sagen, für gewisse Dogmen der Naturforscher ebenso
gefährlich zu werden droht, wie für die bisher allgemein an-
genommene exceptionelle Stellung und Würde des Menschen,
den man die Krone der Schöpfung, den auserkorenen Lieb-
ling, ja, das Ebenbild Gottes zu nennen gewohnt ist. Auch
zu dieser Weiterung, oder zu dieser Ausschreitung, welche die
menschliche Eitelkeit aufs Tiefste zu erschüttern geeignet ist,
-- auch zu ihr hat die Geologie, oder vielmehr ein Zweig
derselben, die Paläontologie (Versteinerungskunde) den ersten
Anstoß gegeben, als sie zu ermitteln anfing, daß die verschie-
denen Thier- und Pflanzenspecies, die je zwei verschiedenen
geologischen Epochen angehören, die also einstens nach ein-
ander an der Erdoberfläche lebten und in langen Zwischen-
räumen einander folgten, daß diese nicht so durchgreifend
von einander abweichen, um die Annahme eines mehrfachen
völligen Untergangs aller gleichzeitig auf der Erde vorhan-
denen lebendigen Geschöpfe und eben so vieler neuen Schö-
pfungen -- eine Theorie, die längere Zeit hindurch von der

lich ſein für das Gefühl der Würde und der Vorzüge, wo-
mit ſich der civiliſirte Menſch ausgeſtattet glaubt. Das iſt
aber auch Alles, was uns die zeitgemäße Erörterung unſerer
Frage in der einfacheren Form derſelben zumuthet. Jch
meine daher, daß ſo weit Jedermann ohne Bedenken dieſer
Erörterung folgen kann, wenn er nicht verſuchen will die
Wiſſenſchaft zur Umkehr zu nöthigen, wobei in unſeren Ta-
gen bekanntlich nicht mehr auf Erfolg zu rechnen iſt.

Jn der Einleitung zu meiner Vorleſung habe ich aber
bereits angedeutet, daß die Behandlung unſerer Frage in
jüngſter Zeit noch ganz andere Seiten herausgekehrt und
dadurch ſolche Dimenſionen angenommen hat, daß ſie um-
geſtaltend in verſchiedene Gebiete des menſchlichen Wiſſens
einzudringen und für gewiſſe herkömmliche Anſchauungen, man
könnte ſagen, für gewiſſe Dogmen der Naturforſcher ebenſo
gefährlich zu werden droht, wie für die bisher allgemein an-
genommene exceptionelle Stellung und Würde des Menſchen,
den man die Krone der Schöpfung, den auserkorenen Lieb-
ling, ja, das Ebenbild Gottes zu nennen gewohnt iſt. Auch
zu dieſer Weiterung, oder zu dieſer Ausſchreitung, welche die
menſchliche Eitelkeit aufs Tiefſte zu erſchüttern geeignet iſt,
— auch zu ihr hat die Geologie, oder vielmehr ein Zweig
derſelben, die Paläontologie (Verſteinerungskunde) den erſten
Anſtoß gegeben, als ſie zu ermitteln anfing, daß die verſchie-
denen Thier- und Pflanzenſpecies, die je zwei verſchiedenen
geologiſchen Epochen angehören, die alſo einſtens nach ein-
ander an der Erdoberfläche lebten und in langen Zwiſchen-
räumen einander folgten, daß dieſe nicht ſo durchgreifend
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[13/0017] lich ſein für das Gefühl der Würde und der Vorzüge, wo- mit ſich der civiliſirte Menſch ausgeſtattet glaubt. Das iſt aber auch Alles, was uns die zeitgemäße Erörterung unſerer Frage in der einfacheren Form derſelben zumuthet. Jch meine daher, daß ſo weit Jedermann ohne Bedenken dieſer Erörterung folgen kann, wenn er nicht verſuchen will die Wiſſenſchaft zur Umkehr zu nöthigen, wobei in unſeren Ta- gen bekanntlich nicht mehr auf Erfolg zu rechnen iſt. Jn der Einleitung zu meiner Vorleſung habe ich aber bereits angedeutet, daß die Behandlung unſerer Frage in jüngſter Zeit noch ganz andere Seiten herausgekehrt und dadurch ſolche Dimenſionen angenommen hat, daß ſie um- geſtaltend in verſchiedene Gebiete des menſchlichen Wiſſens einzudringen und für gewiſſe herkömmliche Anſchauungen, man könnte ſagen, für gewiſſe Dogmen der Naturforſcher ebenſo gefährlich zu werden droht, wie für die bisher allgemein an- genommene exceptionelle Stellung und Würde des Menſchen, den man die Krone der Schöpfung, den auserkorenen Lieb- ling, ja, das Ebenbild Gottes zu nennen gewohnt iſt. Auch zu dieſer Weiterung, oder zu dieſer Ausſchreitung, welche die menſchliche Eitelkeit aufs Tiefſte zu erſchüttern geeignet iſt, — auch zu ihr hat die Geologie, oder vielmehr ein Zweig derſelben, die Paläontologie (Verſteinerungskunde) den erſten Anſtoß gegeben, als ſie zu ermitteln anfing, daß die verſchie- denen Thier- und Pflanzenſpecies, die je zwei verſchiedenen geologiſchen Epochen angehören, die alſo einſtens nach ein- ander an der Erdoberfläche lebten und in langen Zwiſchen- räumen einander folgten, daß dieſe nicht ſo durchgreifend von einander abweichen, um die Annahme eines mehrfachen völligen Untergangs aller gleichzeitig auf der Erde vorhan- denen lebendigen Geſchöpfe und eben ſo vieler neuen Schö- pfungen — eine Theorie, die längere Zeit hindurch von der

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/17>, abgerufen am 19.04.2024.