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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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in's Auge fasse, so reducirt sich nach meinem Ermessen die
ganze Neuerung derselben darauf, daß sie im Gegensatz zu
der herkömmlichen Auffassung geologischen Ursprungs ist und
für die Epochen der Schöpfung, oder für die Aufeinander-
folge der göttlichen Schöpfungsacte größere Zeitmaße statuirt,
während sie ihrem Wesen nach nur die Erweiterung, ich
möchte sagen, die nothwendige Consequenz eines Standpunktes
ist, den man, wie ich oben zeigte, auf vorliegendem Gebiete
längst für zulässig und unverfänglich erachtet hat.

So, und nicht anders, steht es mit der heutigen Dis-
cussion unseres Problems, sofern sich dasselbe ausschließlich
auf den wahrscheinlichen Zeitraum bezieht, der seit dem Ur-
sprunge des menschlichen Geschlechts abgelaufen ist. Mit den
Spuren des menschlichen Daseins, die man in den geologisch
jüngeren Schichten der fort und fort in Veränderung be-
griffenen Erdoberfläche aufgefunden hat, und die theilweise
aus sehr entlegener Vorzeit datiren, werde ich Sie später
bekannt machen. Wenn man der Geologie und Alterthums-
kunde die Befugniß nicht streitig machen kann, diese Spuren
in den Kreis ihrer Untersuchungen zu ziehen, so weiß ich
nicht, wie man, ohne selbst auf diesen Gebieten heimisch zu
sein, etwaige Zweifel gegen die daraus abgeleiteten Ergeb-
nisse rechtfertigen möchte. Die großen Zeitmaße, denen wir
darin begegnen, unterstützen zudem nur eine Annahme, die
an sich schon durchaus wahrscheinlich ist, daß nämlich die
Urgeschichte unserer Gattung sich nur sehr langsam abge-
wickelt hat und daß die primitiven Zustände derselben nicht
wesentlich von den Zuständen jener rohen Volksstämme ver-
schieden sein mochten, die in Australien und Amerika und
auf manchen Jnseln der Südsee noch heute in den Fesseln
des physischen Bedürfnisses schmachten. Die Urahnen unseres
Geschlechts in solchen Zuständen zu entdecken, kann unbehag-

in's Auge faſſe, ſo reducirt ſich nach meinem Ermeſſen die
ganze Neuerung derſelben darauf, daß ſie im Gegenſatz zu
der herkömmlichen Auffaſſung geologiſchen Urſprungs iſt und
für die Epochen der Schöpfung, oder für die Aufeinander-
folge der göttlichen Schöpfungsacte größere Zeitmaße ſtatuirt,
während ſie ihrem Weſen nach nur die Erweiterung, ich
möchte ſagen, die nothwendige Conſequenz eines Standpunktes
iſt, den man, wie ich oben zeigte, auf vorliegendem Gebiete
längſt für zuläſſig und unverfänglich erachtet hat.

So, und nicht anders, ſteht es mit der heutigen Dis-
cuſſion unſeres Problems, ſofern ſich daſſelbe ausſchließlich
auf den wahrſcheinlichen Zeitraum bezieht, der ſeit dem Ur-
ſprunge des menſchlichen Geſchlechts abgelaufen iſt. Mit den
Spuren des menſchlichen Daſeins, die man in den geologiſch
jüngeren Schichten der fort und fort in Veränderung be-
griffenen Erdoberfläche aufgefunden hat, und die theilweiſe
aus ſehr entlegener Vorzeit datiren, werde ich Sie ſpäter
bekannt machen. Wenn man der Geologie und Alterthums-
kunde die Befugniß nicht ſtreitig machen kann, dieſe Spuren
in den Kreis ihrer Unterſuchungen zu ziehen, ſo weiß ich
nicht, wie man, ohne ſelbſt auf dieſen Gebieten heimiſch zu
ſein, etwaige Zweifel gegen die daraus abgeleiteten Ergeb-
niſſe rechtfertigen möchte. Die großen Zeitmaße, denen wir
darin begegnen, unterſtützen zudem nur eine Annahme, die
an ſich ſchon durchaus wahrſcheinlich iſt, daß nämlich die
Urgeſchichte unſerer Gattung ſich nur ſehr langſam abge-
wickelt hat und daß die primitiven Zuſtände derſelben nicht
weſentlich von den Zuſtänden jener rohen Volksſtämme ver-
ſchieden ſein mochten, die in Auſtralien und Amerika und
auf manchen Jnſeln der Südſee noch heute in den Feſſeln
des phyſiſchen Bedürfniſſes ſchmachten. Die Urahnen unſeres
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[12/0016] in's Auge faſſe, ſo reducirt ſich nach meinem Ermeſſen die ganze Neuerung derſelben darauf, daß ſie im Gegenſatz zu der herkömmlichen Auffaſſung geologiſchen Urſprungs iſt und für die Epochen der Schöpfung, oder für die Aufeinander- folge der göttlichen Schöpfungsacte größere Zeitmaße ſtatuirt, während ſie ihrem Weſen nach nur die Erweiterung, ich möchte ſagen, die nothwendige Conſequenz eines Standpunktes iſt, den man, wie ich oben zeigte, auf vorliegendem Gebiete längſt für zuläſſig und unverfänglich erachtet hat. So, und nicht anders, ſteht es mit der heutigen Dis- cuſſion unſeres Problems, ſofern ſich daſſelbe ausſchließlich auf den wahrſcheinlichen Zeitraum bezieht, der ſeit dem Ur- ſprunge des menſchlichen Geſchlechts abgelaufen iſt. Mit den Spuren des menſchlichen Daſeins, die man in den geologiſch jüngeren Schichten der fort und fort in Veränderung be- griffenen Erdoberfläche aufgefunden hat, und die theilweiſe aus ſehr entlegener Vorzeit datiren, werde ich Sie ſpäter bekannt machen. Wenn man der Geologie und Alterthums- kunde die Befugniß nicht ſtreitig machen kann, dieſe Spuren in den Kreis ihrer Unterſuchungen zu ziehen, ſo weiß ich nicht, wie man, ohne ſelbſt auf dieſen Gebieten heimiſch zu ſein, etwaige Zweifel gegen die daraus abgeleiteten Ergeb- niſſe rechtfertigen möchte. Die großen Zeitmaße, denen wir darin begegnen, unterſtützen zudem nur eine Annahme, die an ſich ſchon durchaus wahrſcheinlich iſt, daß nämlich die Urgeſchichte unſerer Gattung ſich nur ſehr langſam abge- wickelt hat und daß die primitiven Zuſtände derſelben nicht weſentlich von den Zuſtänden jener rohen Volksſtämme ver- ſchieden ſein mochten, die in Auſtralien und Amerika und auf manchen Jnſeln der Südſee noch heute in den Feſſeln des phyſiſchen Bedürfniſſes ſchmachten. Die Urahnen unſeres Geſchlechts in ſolchen Zuſtänden zu entdecken, kann unbehag-

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/16>, abgerufen am 26.04.2024.