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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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einer unbekannten Bucht zu landen. Mein
Vater kaufte nach einigen Jahren die Län-
dereien eines benachtbarten Klosters, nachdem die-
ses längst aufgehoben, und feil geboten war.
Der Großvater in Aix war gestorben, und
ein Theil des Vermögens meiner Mutter konnte
nicht vortheilhafter genutzt werden. Diese fühlte
wohl anfangs einige Gewissensscrupel darüber,
doch wußte sie der Weltgeistliche unsres Kirch-
sprengels, ein konstitutioneller Priester, aber ein
eben so rechtschaffener, als aufgeklärter Mann,
zu beruhigen und zu heben.

Ueberdieß bildete sich bei meiner Mutter
der Sinn für Erwerb und Besitz mit den Jah-
ren immer mehr aus. Sie wurde eine äußerst
emsige Wirthinn, und ging in die geringsten Klei-
nigkeiten ein. Mein Vater ließ sie gewähren;
sein Glück ruhete nur auf das Ganze. Jhm war
nicht darum zu thun, was er persönlich gewann,
sondern wie viel allgemeiner Wohlstand, durch
diese oder jene Anlage, verbreitet werden konnte.
Für diese seine höheren Zwecke aber war er
rastlos thätig, und sein vergrößerter Wirkungs-
kreis ließ ihm bald nur wenig Zeit zum Unter-

richt

einer unbekannten Bucht zu landen. Mein
Vater kaufte nach einigen Jahren die Laͤn-
dereien eines benachtbarten Kloſters, nachdem die-
ſes laͤngſt aufgehoben, und feil geboten war.
Der Großvater in Aix war geſtorben, und
ein Theil des Vermoͤgens meiner Mutter konnte
nicht vortheilhafter genutzt werden. Dieſe fuͤhlte
wohl anfangs einige Gewiſſensſcrupel daruͤber,
doch wußte ſie der Weltgeiſtliche unſres Kirch-
ſprengels, ein konſtitutioneller Prieſter, aber ein
eben ſo rechtſchaffener, als aufgeklaͤrter Mann,
zu beruhigen und zu heben.

Ueberdieß bildete ſich bei meiner Mutter
der Sinn fuͤr Erwerb und Beſitz mit den Jah-
ren immer mehr aus. Sie wurde eine aͤußerſt
emſige Wirthinn, und ging in die geringſten Klei-
nigkeiten ein. Mein Vater ließ ſie gewaͤhren;
ſein Gluͤck ruhete nur auf das Ganze. Jhm war
nicht darum zu thun, was er perſoͤnlich gewann,
ſondern wie viel allgemeiner Wohlſtand, durch
dieſe oder jene Anlage, verbreitet werden konnte.
Fuͤr dieſe ſeine hoͤheren Zwecke aber war er
raſtlos thaͤtig, und ſein vergroͤßerter Wirkungs-
kreis ließ ihm bald nur wenig Zeit zum Unter-

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[64/0074] einer unbekannten Bucht zu landen. Mein Vater kaufte nach einigen Jahren die Laͤn- dereien eines benachtbarten Kloſters, nachdem die- ſes laͤngſt aufgehoben, und feil geboten war. Der Großvater in Aix war geſtorben, und ein Theil des Vermoͤgens meiner Mutter konnte nicht vortheilhafter genutzt werden. Dieſe fuͤhlte wohl anfangs einige Gewiſſensſcrupel daruͤber, doch wußte ſie der Weltgeiſtliche unſres Kirch- ſprengels, ein konſtitutioneller Prieſter, aber ein eben ſo rechtſchaffener, als aufgeklaͤrter Mann, zu beruhigen und zu heben. Ueberdieß bildete ſich bei meiner Mutter der Sinn fuͤr Erwerb und Beſitz mit den Jah- ren immer mehr aus. Sie wurde eine aͤußerſt emſige Wirthinn, und ging in die geringſten Klei- nigkeiten ein. Mein Vater ließ ſie gewaͤhren; ſein Gluͤck ruhete nur auf das Ganze. Jhm war nicht darum zu thun, was er perſoͤnlich gewann, ſondern wie viel allgemeiner Wohlſtand, durch dieſe oder jene Anlage, verbreitet werden konnte. Fuͤr dieſe ſeine hoͤheren Zwecke aber war er raſtlos thaͤtig, und ſein vergroͤßerter Wirkungs- kreis ließ ihm bald nur wenig Zeit zum Unter- richt

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/74>, abgerufen am 24.11.2024.