liche Thal. Dem Vater selbst schien ein schö- nerer Lebensmorgen aufgegangen. Jm lieblich- sten Wechsel flogen die Tage, flogen Sommer und Herbst dahin. Die Musen besuchten ihn am winterlichen Kamine, dessen Gesimse es nie an frischen Blumen gebrach. Hier ahmte er denn oft Anakreons Lieder nach beim schäu- menden Becher voll süßen, feurigen Mostes, öfter noch die heimischen Gesänge der alten Trouba- dours. So durch Einsamkeit und Dichtkunst zur Liebe vorbereitet, fanden ihn die ersten entzük- kenden Tage des neuen Frühlings. Man hatte in Paris vergebens auf seine Rückkunft gewar- tet, der Herzog hatte vergebens schriftlich dar- auf gedrungen; mein, sich zu glücklich fühlen- der Vater, hatte immer aus zu weichen gewußt, indem er seine Gegenwart als nothwendig zur Vollendung der begonnenen Bauten darstellte. Diese schilderte er so pomphaft, daß der Her- zog, von Ehrgeitz ergriffen, unaufgefordert große Summen überschickte, damit Provence und Languedoc von der Pracht seines Hau- ses reden möchten. Wie weit aber war das, was mein Vater ausführte, von diesen stolzen
liche Thal. Dem Vater ſelbſt ſchien ein ſchoͤ- nerer Lebensmorgen aufgegangen. Jm lieblich- ſten Wechſel flogen die Tage, flogen Sommer und Herbſt dahin. Die Muſen beſuchten ihn am winterlichen Kamine, deſſen Geſimſe es nie an friſchen Blumen gebrach. Hier ahmte er denn oft Anakreons Lieder nach beim ſchaͤu- menden Becher voll ſuͤßen, feurigen Moſtes, oͤfter noch die heimiſchen Geſaͤnge der alten Trouba- dours. So durch Einſamkeit und Dichtkunſt zur Liebe vorbereitet, fanden ihn die erſten entzuͤk- kenden Tage des neuen Fruͤhlings. Man hatte in Paris vergebens auf ſeine Ruͤckkunft gewar- tet, der Herzog hatte vergebens ſchriftlich dar- auf gedrungen; mein, ſich zu gluͤcklich fuͤhlen- der Vater, hatte immer aus zu weichen gewußt, indem er ſeine Gegenwart als nothwendig zur Vollendung der begonnenen Bauten darſtellte. Dieſe ſchilderte er ſo pomphaft, daß der Her- zog, von Ehrgeitz ergriffen, unaufgefordert große Summen uͤberſchickte, damit Provence und Languedoc von der Pracht ſeines Hau- ſes reden moͤchten. Wie weit aber war das, was mein Vater ausfuͤhrte, von dieſen ſtolzen
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liche Thal. Dem Vater ſelbſt ſchien ein ſchoͤ-
nerer Lebensmorgen aufgegangen. Jm lieblich-
ſten Wechſel flogen die Tage, flogen Sommer
und Herbſt dahin. Die Muſen beſuchten ihn
am winterlichen Kamine, deſſen Geſimſe es
nie an friſchen Blumen gebrach. Hier ahmte
er denn oft Anakreons Lieder nach beim ſchaͤu-
menden Becher voll ſuͤßen, feurigen Moſtes, oͤfter
noch die heimiſchen Geſaͤnge der alten Trouba-
dours. So durch Einſamkeit und Dichtkunſt zur
Liebe vorbereitet, fanden ihn die erſten entzuͤk-
kenden Tage des neuen Fruͤhlings. Man hatte
in Paris vergebens auf ſeine Ruͤckkunft gewar-
tet, der Herzog hatte vergebens ſchriftlich dar-
auf gedrungen; mein, ſich zu gluͤcklich fuͤhlen-
der Vater, hatte immer aus zu weichen gewußt,
indem er ſeine Gegenwart als nothwendig zur
Vollendung der begonnenen Bauten darſtellte.
Dieſe ſchilderte er ſo pomphaft, daß der Her-
zog, von Ehrgeitz ergriffen, unaufgefordert
große Summen uͤberſchickte, damit Provence
und Languedoc von der Pracht ſeines Hau-
ſes reden moͤchten. Wie weit aber war das,
was mein Vater ausfuͤhrte, von dieſen ſtolzen
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/36>, abgerufen am 27.07.2024.
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