freie Aufathmen gar sehr erschwerte. Jetzt sog er wieder die junge Brust voll frischer Lebens- lust und frohen Muth.
Du hast Chaumerive gesehen, am nördlichen Ufer der Durance, diesen schönen Schauplatz meiner frohen Jugend. Gewiß gedenkst Du noch des blumigen Thales, das sich, mit Reben- hügel umkränzt, längs den Ufern dahin zieht. Vor allen aber des dunklen Flusses, der vor unsrer Wohnung strömt, von zahllosen Fischer- barken bedeckt; denn gewiß ist Dir die kühne Wallfarth noch im Gedächtniß, welche wir beide eines Nachmittags, auf seinem grünen Uferwall unternahmen, um seinen Ausfluß in die Rhone zu sehn. Wir gelangten dahin; aber schon be- gann die Sonne zu sinken, als wir, gefesselt von dem großen Schauspiel, an die Rückkehr dachten, wo Dir dann Dunkelheit und Ermü- dung manche Thräne auspreßten. Hierher be- gab sich mein Vater. Freilich war es damals bei weiten nicht so reizend, als Du es gefun- den. Seit länger als zwölf Jahren von dem
freie Aufathmen gar ſehr erſchwerte. Jetzt ſog er wieder die junge Bruſt voll friſcher Lebens- luſt und frohen Muth.
Du haſt Chaumerive geſehen, am noͤrdlichen Ufer der Durance, dieſen ſchoͤnen Schauplatz meiner frohen Jugend. Gewiß gedenkſt Du noch des blumigen Thales, das ſich, mit Reben- huͤgel umkraͤnzt, laͤngs den Ufern dahin zieht. Vor allen aber des dunklen Fluſſes, der vor unſrer Wohnung ſtroͤmt, von zahlloſen Fiſcher- barken bedeckt; denn gewiß iſt Dir die kuͤhne Wallfarth noch im Gedaͤchtniß, welche wir beide eines Nachmittags, auf ſeinem gruͤnen Uferwall unternahmen, um ſeinen Ausfluß in die Rhone zu ſehn. Wir gelangten dahin; aber ſchon be- gann die Sonne zu ſinken, als wir, gefeſſelt von dem großen Schauſpiel, an die Ruͤckkehr dachten, wo Dir dann Dunkelheit und Ermuͤ- dung manche Thraͤne auspreßten. Hierher be- gab ſich mein Vater. Freilich war es damals bei weiten nicht ſo reizend, als Du es gefun- den. Seit laͤnger als zwoͤlf Jahren von dem
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freie Aufathmen gar ſehr erſchwerte. Jetzt ſog
er wieder die junge Bruſt voll friſcher Lebens-
luſt und frohen Muth.
Du haſt Chaumerive geſehen, am noͤrdlichen
Ufer der Durance, dieſen ſchoͤnen Schauplatz
meiner frohen Jugend. Gewiß gedenkſt Du
noch des blumigen Thales, das ſich, mit Reben-
huͤgel umkraͤnzt, laͤngs den Ufern dahin zieht.
Vor allen aber des dunklen Fluſſes, der vor
unſrer Wohnung ſtroͤmt, von zahlloſen Fiſcher-
barken bedeckt; denn gewiß iſt Dir die kuͤhne
Wallfarth noch im Gedaͤchtniß, welche wir beide
eines Nachmittags, auf ſeinem gruͤnen Uferwall
unternahmen, um ſeinen Ausfluß in die Rhone
zu ſehn. Wir gelangten dahin; aber ſchon be-
gann die Sonne zu ſinken, als wir, gefeſſelt
von dem großen Schauſpiel, an die Ruͤckkehr
dachten, wo Dir dann Dunkelheit und Ermuͤ-
dung manche Thraͤne auspreßten. Hierher be-
gab ſich mein Vater. Freilich war es damals
bei weiten nicht ſo reizend, als Du es gefun-
den. Seit laͤnger als zwoͤlf Jahren von dem
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/31>, abgerufen am 26.07.2024.
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