den Armen des Bruders seine große Seele aus. Nur ein einfacher, kleiner Hügel konnte über seine irdischen Reste errichtet werden, aber sein Pantheon ist der Ort, wo er fiel, und mit heiliger Ehrfurcht, wie die Spartanerinn zu dem Passe von Ther- mopylä, werde ich dahin wallen. Er kämpfte nicht den zweideutigen Kampf für Land und Besitzthum, er focht für fremdes Glück, für die Menschheit, für den Gott im Busen. Jn den Jahren des Genusses, ließ er ein glänzen- des Loos daheim, und hohe Erwartungen; trug in Wüsten alle Beschwerden und Mühseligkei- ten des Krieges, um für ein fremdes gedrück- tes Volk zu kämpfen. Jndem ich mir ihn so vergegenwärtige, fühle ich, was Ahnenstolz ist, und wie er entspringt. Ja, ich bin stolz auf ihn, auf den edlen nicht auf den adeligen Menschen. Ursprünglich waren beide Worte nur eins. Wehe! daß man in der Folge Zei- chen und Sache trennen mußte.
Nach dem Frieden kehrte mein Vater nach Frankreich zurück. Er fand den alten Herzog, seinen Oheim, tief gebeugt, über den Verlust seines Lieblings, wurde aber, als nunmehriger
den Armen des Bruders ſeine große Seele aus. Nur ein einfacher, kleiner Huͤgel konnte uͤber ſeine irdiſchen Reſte errichtet werden, aber ſein Pantheon iſt der Ort, wo er fiel, und mit heiliger Ehrfurcht, wie die Spartanerinn zu dem Paſſe von Ther- mopylaͤ, werde ich dahin wallen. Er kaͤmpfte nicht den zweideutigen Kampf fuͤr Land und Beſitzthum, er focht fuͤr fremdes Gluͤck, fuͤr die Menſchheit, fuͤr den Gott im Buſen. Jn den Jahren des Genuſſes, ließ er ein glaͤnzen- des Loos daheim, und hohe Erwartungen; trug in Wuͤſten alle Beſchwerden und Muͤhſeligkei- ten des Krieges, um fuͤr ein fremdes gedruͤck- tes Volk zu kaͤmpfen. Jndem ich mir ihn ſo vergegenwaͤrtige, fuͤhle ich, was Ahnenſtolz iſt, und wie er entſpringt. Ja, ich bin ſtolz auf ihn, auf den edlen nicht auf den adeligen Menſchen. Urſpruͤnglich waren beide Worte nur eins. Wehe! daß man in der Folge Zei- chen und Sache trennen mußte.
Nach dem Frieden kehrte mein Vater nach Frankreich zuruͤck. Er fand den alten Herzog, ſeinen Oheim, tief gebeugt, uͤber den Verluſt ſeines Lieblings, wurde aber, als nunmehriger
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den Armen des Bruders ſeine große Seele aus.
Nur ein einfacher, kleiner Huͤgel konnte uͤber ſeine
irdiſchen Reſte errichtet werden, aber ſein Pantheon
iſt der Ort, wo er fiel, und mit heiliger Ehrfurcht,
wie die Spartanerinn zu dem Paſſe von Ther-
mopylaͤ, werde ich dahin wallen. Er kaͤmpfte
nicht den zweideutigen Kampf fuͤr Land und
Beſitzthum, er focht fuͤr fremdes Gluͤck, fuͤr
die Menſchheit, fuͤr den Gott im Buſen. Jn
den Jahren des Genuſſes, ließ er ein glaͤnzen-
des Loos daheim, und hohe Erwartungen; trug
in Wuͤſten alle Beſchwerden und Muͤhſeligkei-
ten des Krieges, um fuͤr ein fremdes gedruͤck-
tes Volk zu kaͤmpfen. Jndem ich mir ihn ſo
vergegenwaͤrtige, fuͤhle ich, was Ahnenſtolz iſt,
und wie er entſpringt. Ja, ich bin ſtolz auf
ihn, auf den edlen nicht auf den adeligen
Menſchen. Urſpruͤnglich waren beide Worte
nur eins. Wehe! daß man in der Folge Zei-
chen und Sache trennen mußte.
Nach dem Frieden kehrte mein Vater nach
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/28>, abgerufen am 27.07.2024.
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