mählen. Du gehörst zu unsrer Familie, sagte sie, und mußt deine Gesinnungen ganz nach den unsrigen zu ändern suchen. Jch fühlte mich empört von diesen anmaßenden Zumuthungen, und meine Erwiederungen mochten keine große Unterwürfigkeit ausdrucken. Man fing an, mich immer häufiger zu schmähen und zu kränken, Dein Bruder nahm ein zuversichtliches, herri- sches Betragen an. Er nannte mich oft seine schöne Zukünftige, und behandelte meine Pro- testationen als Scherz. Dann hielt er uns, mit altkluger Miene, lange Vorlesungen über die Pflichten unsers Geschlechts als Gattinnen, wel- che mit meinen Begriffen sehr wenig übereinstimm- ten. Du lachtest ihn geradezu aus, brachtest ihn aus der Fassung, und mich zum lächeln; mir war aber das Ganze nichts weniger als lächerlich.
Jn den Stunden der Einsamkeit fing ich ernstlich an, darauf zu denken, mich dieser drückenden Lage zu entziehen. Nach Chau- merive zurück zu kehren, und dort, wenn auch nicht glücklich, doch ruhig zu leben, fand ich sehr einfach. Jch waffnete mich mit meinem ganzen Muth, um diesen Entschluß
Erster Theil. [13]
maͤhlen. Du gehoͤrſt zu unſrer Familie, ſagte ſie, und mußt deine Geſinnungen ganz nach den unſrigen zu aͤndern ſuchen. Jch fuͤhlte mich empoͤrt von dieſen anmaßenden Zumuthungen, und meine Erwiederungen mochten keine große Unterwuͤrfigkeit ausdrucken. Man fing an, mich immer haͤufiger zu ſchmaͤhen und zu kraͤnken, Dein Bruder nahm ein zuverſichtliches, herri- ſches Betragen an. Er nannte mich oft ſeine ſchoͤne Zukuͤnftige, und behandelte meine Pro- teſtationen als Scherz. Dann hielt er uns, mit altkluger Miene, lange Vorleſungen uͤber die Pflichten unſers Geſchlechts als Gattinnen, wel- che mit meinen Begriffen ſehr wenig uͤbereinſtimm- ten. Du lachteſt ihn geradezu aus, brachteſt ihn aus der Faſſung, und mich zum laͤcheln; mir war aber das Ganze nichts weniger als laͤcherlich.
Jn den Stunden der Einſamkeit fing ich ernſtlich an, darauf zu denken, mich dieſer druͤckenden Lage zu entziehen. Nach Chau- merive zuruͤck zu kehren, und dort, wenn auch nicht gluͤcklich, doch ruhig zu leben, fand ich ſehr einfach. Jch waffnete mich mit meinem ganzen Muth, um dieſen Entſchluß
Erſter Theil. [13]
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0203"n="185[193]"/>
maͤhlen. Du gehoͤrſt zu unſrer Familie, ſagte<lb/>ſie, und mußt deine Geſinnungen ganz nach den<lb/>
unſrigen zu aͤndern ſuchen. Jch fuͤhlte mich<lb/>
empoͤrt von dieſen anmaßenden Zumuthungen,<lb/>
und meine Erwiederungen mochten keine große<lb/>
Unterwuͤrfigkeit ausdrucken. Man fing an, mich<lb/>
immer haͤufiger zu ſchmaͤhen und zu kraͤnken,<lb/>
Dein Bruder nahm ein zuverſichtliches, herri-<lb/>ſches Betragen an. Er nannte mich oft ſeine<lb/>ſchoͤne Zukuͤnftige, und behandelte meine Pro-<lb/>
teſtationen als Scherz. Dann hielt er uns,<lb/>
mit altkluger Miene, lange Vorleſungen uͤber die<lb/>
Pflichten unſers Geſchlechts als Gattinnen, wel-<lb/>
che mit meinen Begriffen ſehr wenig uͤbereinſtimm-<lb/>
ten. Du lachteſt ihn geradezu aus, brachteſt ihn<lb/>
aus der Faſſung, und mich zum laͤcheln; mir war<lb/>
aber das Ganze nichts weniger als laͤcherlich.</p><lb/><p>Jn den Stunden der Einſamkeit fing ich<lb/>
ernſtlich an, darauf zu denken, mich dieſer<lb/>
druͤckenden Lage zu entziehen. Nach Chau-<lb/>
merive zuruͤck zu kehren, und dort, wenn<lb/>
auch nicht gluͤcklich, doch ruhig zu leben,<lb/>
fand ich ſehr einfach. Jch waffnete mich mit<lb/>
meinem ganzen Muth, um dieſen Entſchluß<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Erſter Theil. [13]</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[185[193]/0203]
maͤhlen. Du gehoͤrſt zu unſrer Familie, ſagte
ſie, und mußt deine Geſinnungen ganz nach den
unſrigen zu aͤndern ſuchen. Jch fuͤhlte mich
empoͤrt von dieſen anmaßenden Zumuthungen,
und meine Erwiederungen mochten keine große
Unterwuͤrfigkeit ausdrucken. Man fing an, mich
immer haͤufiger zu ſchmaͤhen und zu kraͤnken,
Dein Bruder nahm ein zuverſichtliches, herri-
ſches Betragen an. Er nannte mich oft ſeine
ſchoͤne Zukuͤnftige, und behandelte meine Pro-
teſtationen als Scherz. Dann hielt er uns,
mit altkluger Miene, lange Vorleſungen uͤber die
Pflichten unſers Geſchlechts als Gattinnen, wel-
che mit meinen Begriffen ſehr wenig uͤbereinſtimm-
ten. Du lachteſt ihn geradezu aus, brachteſt ihn
aus der Faſſung, und mich zum laͤcheln; mir war
aber das Ganze nichts weniger als laͤcherlich.
Jn den Stunden der Einſamkeit fing ich
ernſtlich an, darauf zu denken, mich dieſer
druͤckenden Lage zu entziehen. Nach Chau-
merive zuruͤck zu kehren, und dort, wenn
auch nicht gluͤcklich, doch ruhig zu leben,
fand ich ſehr einfach. Jch waffnete mich mit
meinem ganzen Muth, um dieſen Entſchluß
Erſter Theil. [13]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 185[193]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/203>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.