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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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mählen. Du gehörst zu unsrer Familie, sagte
sie, und mußt deine Gesinnungen ganz nach den
unsrigen zu ändern suchen. Jch fühlte mich
empört von diesen anmaßenden Zumuthungen,
und meine Erwiederungen mochten keine große
Unterwürfigkeit ausdrucken. Man fing an, mich
immer häufiger zu schmähen und zu kränken,
Dein Bruder nahm ein zuversichtliches, herri-
sches Betragen an. Er nannte mich oft seine
schöne Zukünftige, und behandelte meine Pro-
testationen als Scherz. Dann hielt er uns,
mit altkluger Miene, lange Vorlesungen über die
Pflichten unsers Geschlechts als Gattinnen, wel-
che mit meinen Begriffen sehr wenig übereinstimm-
ten. Du lachtest ihn geradezu aus, brachtest ihn
aus der Fassung, und mich zum lächeln; mir war
aber das Ganze nichts weniger als lächerlich.

Jn den Stunden der Einsamkeit fing ich
ernstlich an, darauf zu denken, mich dieser
drückenden Lage zu entziehen. Nach Chau-
merive zurück zu kehren, und dort, wenn
auch nicht glücklich, doch ruhig zu leben,
fand ich sehr einfach. Jch waffnete mich mit
meinem ganzen Muth, um diesen Entschluß

Erster Theil. [13]

maͤhlen. Du gehoͤrſt zu unſrer Familie, ſagte
ſie, und mußt deine Geſinnungen ganz nach den
unſrigen zu aͤndern ſuchen. Jch fuͤhlte mich
empoͤrt von dieſen anmaßenden Zumuthungen,
und meine Erwiederungen mochten keine große
Unterwuͤrfigkeit ausdrucken. Man fing an, mich
immer haͤufiger zu ſchmaͤhen und zu kraͤnken,
Dein Bruder nahm ein zuverſichtliches, herri-
ſches Betragen an. Er nannte mich oft ſeine
ſchoͤne Zukuͤnftige, und behandelte meine Pro-
teſtationen als Scherz. Dann hielt er uns,
mit altkluger Miene, lange Vorleſungen uͤber die
Pflichten unſers Geſchlechts als Gattinnen, wel-
che mit meinen Begriffen ſehr wenig uͤbereinſtimm-
ten. Du lachteſt ihn geradezu aus, brachteſt ihn
aus der Faſſung, und mich zum laͤcheln; mir war
aber das Ganze nichts weniger als laͤcherlich.

Jn den Stunden der Einſamkeit fing ich
ernſtlich an, darauf zu denken, mich dieſer
druͤckenden Lage zu entziehen. Nach Chau-
merive zuruͤck zu kehren, und dort, wenn
auch nicht gluͤcklich, doch ruhig zu leben,
fand ich ſehr einfach. Jch waffnete mich mit
meinem ganzen Muth, um dieſen Entſchluß

Erſter Theil. [13]
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[185[193]/0203] maͤhlen. Du gehoͤrſt zu unſrer Familie, ſagte ſie, und mußt deine Geſinnungen ganz nach den unſrigen zu aͤndern ſuchen. Jch fuͤhlte mich empoͤrt von dieſen anmaßenden Zumuthungen, und meine Erwiederungen mochten keine große Unterwuͤrfigkeit ausdrucken. Man fing an, mich immer haͤufiger zu ſchmaͤhen und zu kraͤnken, Dein Bruder nahm ein zuverſichtliches, herri- ſches Betragen an. Er nannte mich oft ſeine ſchoͤne Zukuͤnftige, und behandelte meine Pro- teſtationen als Scherz. Dann hielt er uns, mit altkluger Miene, lange Vorleſungen uͤber die Pflichten unſers Geſchlechts als Gattinnen, wel- che mit meinen Begriffen ſehr wenig uͤbereinſtimm- ten. Du lachteſt ihn geradezu aus, brachteſt ihn aus der Faſſung, und mich zum laͤcheln; mir war aber das Ganze nichts weniger als laͤcherlich. Jn den Stunden der Einſamkeit fing ich ernſtlich an, darauf zu denken, mich dieſer druͤckenden Lage zu entziehen. Nach Chau- merive zuruͤck zu kehren, und dort, wenn auch nicht gluͤcklich, doch ruhig zu leben, fand ich ſehr einfach. Jch waffnete mich mit meinem ganzen Muth, um dieſen Entſchluß Erſter Theil. [13]

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 185[193]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/203>, abgerufen am 24.11.2024.